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Entwurf für eine neue SynagogeEin Kristall für München

Der Vorentscheid für den Bau einer zweiten Synagoge in der Münchner Innenstadt fiel positiv aus. Den Entwurf dazu lieferte Daniel Libeskind.

Die Form des Baus ähnelt einem Bergkristall Foto: Studio Libeskind

Das Lehel ist eine Vorzeigeadresse im Zentrum Münchens: Kleine Buchhandlungen liegen neben Weinbars, Bio-Obsthändler zwischen Schneidereien, Boutiquen und Innenarchitekten. Im Sommer lassen sich im nahe gelegenen Englischen Garten Schwimmer durch den Eisbach treiben, bevor’s „halbnackert“ in der Trambahn wieder dahin zurückgeht, wo sie die Kleidung abgelegt haben. Ist verboten, stört aber keinen. Denn vielleicht ist das Lehel das wahre Herz Münchens: nicht großspurig, auch nicht bescheiden – und überall mehr Charme als Protz.

Ab 2022 soll in diesem noblen, aber lässigen Stadtteil eine Synagoge entstehen. Es ist die zweite repräsentative Synagoge im Stadtzentrum, nach der Ohel-Jakob-Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) München und Oberbayern am Jakobsplatz in der Innenstadt, die rund 9.500 Mitglieder zählt.

Die Gemeinde Beth Shalom vertritt eine liberale Richtung des Judentums und hat derzeit 600 Mitglieder – für die in der bestehenden Synagoge im Schlachthofviertel gerade 200 Plätze zur Verfügung stehen.

Nun hat der Bezirksausschuss den Antrag der liberalen jüdischen Gemeinde auf einen Vorbescheid für den Neubau positiv beantwortet. Der Rahmen für den Projektstart ist damit gesetzt – eine Dekade nach Projektbeginn. Im Mai 2011 hatte der Architekt Daniel Libeskind seinen Entwurf erstmals im Jüdischen Museum München vorgestellt. Libeskind, selbst liberal, hat bereits das Jüdische Museum Berlin und den „Freedom Tower“ für Ground Zero auf dem Ort des ehemaligen World Trade Centers in New York entworfen.

Jan Mühlstein, Vorsitzender der Stiftung Synagoge Beth Shalom, glaubt, dass mit der neuen Synagoge das liberale Judentum zum ersten Mal seit dem Abriss der Hauptsynagoge durch die Nazis im Juni 1938 wieder eine Sichtbarkeit in München bekommt: „Uns gefällt die sich zur Umgebung öffnende Form des Gebäudes sowie die zeitgemäße, urbane Architektur als passend zu der die Moderne bejahenden Einstellung des liberalen Judentums“, sagte Mühlstein der taz. „Und es gibt ja ohnehin keine ‚traditionelle‘ Form der Synagoge – die jeweiligen Bauten spiegeln die Einstellung der damaligen jüdischen Gemeinschaft zu ihrer Umwelt wider.“

Einladung zum Dialog

Zu seinem futuristischen Modell mit den eckigen Glasfronten ist Libeskind durch die „Lichtfunken“ („Sparks“) inspiriert worden, in die der nahe gelegene Fluss Isar das Sonnenlicht aufsplittert wie ein Wasser-Kaleidoskop. Für das Synagogengebäude habe er die Form eines Bergkristalls gewählt. Der Entwurf ist zudem geprägt durch einen markanten Eingang – eine „Einladung zum Dialog“, erklärt Mühlstein. Ein Dialog, der derzeit wieder dringend gebraucht wird: Erst vor wenigen Wochen wurde der Rabbiner der IKG, ­Shmuel Aharon Brodman, in der Innenstadt von vier Männern verfolgt und antisemitisch beschimpft. Im Sommer 2019 waren in der bayerischen Landeshauptstadt ein Rabbiner und seine beiden Söhne nach dem Besuch einer Synagoge angespuckt worden.

„In Zeiten wie diesen, in denen der Antisemitismus leider auch in Deutschland wieder zunimmt und sich vermehrt offen zeigt, ist es wichtig Zeichen zu setzen“, sagt der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im Gespräch mit der taz. „Die Planungen für eine weitere Synagoge in München zeigen, dass das jüdische Leben zu dieser Stadt gehört und aus unserer Sicht unverzichtbarer Teil der Stadt ist. Und wir werden auch alles dafür tun, dass dies so bleibt!“

Architekt Wolfgang Gollwitzer, der früher im Büro Libeskind gearbeitet hat und nun das Projekt in München betreut, hofft, dass hier „ein echter Kristallisationspunkt für die Nachbarschaft“ entstehen wird. Die Brachfläche Am Gries liegt unterhalb des Friedensengels nördlich der Prinzregentenstraße. Altbauten mit grünen Hinterhöfen, ein Altenheim, ein Spielplatz und eine Galerie rahmen das Grundstück ein.

Etwa 40 Prozent des Bauprojekts sollen ebenfalls Wohnraum beherbergen. In einem Drittel werden ein Kindergarten und eine Begegnungsstätte für Ausstellungen untergebracht. Das verbleibende Drittel wird dann durch die eigentliche Synagoge und die Gemeinderäume belegt werden, „eine einzigartige Ansammlung von Bauwerken, in denen sich die deutsche Geschichte widerspiegelt“, so Gollwitzer zur taz.

Bis Ende 2021 wird der Ort noch provisorisch von einem Kindergarten genutzt. Danach will die Stiftung Beth Shalom der Stadt das Grundstück abkaufen. Mit dem Vorbescheid kann die Bauplanung nun in eine konkrete Phase gehen. Der nächste Schritt ist der Bauantrag und die formale Beauftragung des Studio Libeskind.

Gemeinsam mit den Münchner Behörden und dem bayerischen Innenministerium erarbeitet die Gemeinde auch ein Sicherheitskonzept für die Bauphase. Die Kosten für das Projekt wurden bei der Erstvorstellung auf 11 Millionen Euro geschätzt.

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