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Entwicklungen im Ukraine-KonfliktIm Osten nichts Neues

Russland warnt den Westen vor weiteren Sanktionen – und gibt grünes Licht für ein gemeinsames Arktisprojekt. In der Ostukraine gibt es bei Kämpfen wieder zahlreiche Tote.

Sie können nur warten: Bewohner von Donezk harren in einem Bunker aus. Bild: reuters

SOTSCHI/KIEW dpa | Nach dem russischen Einfuhrverbot für Lebensmittel hat Moskau den Westen vor einer weiteren Zuspitzung der Krise gewarnt. Sollten die EU und die USA im Ukraine-Konflikt neue Sanktionen gegen Russland verhängen, werde Moskau reagieren, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag in Sotschi. Russland hatte zuletzt etwa ein Überflugverbot für ausländische Airlines nicht ausgeschlossen.

Peskow wies ukrainische Vorwürfe einer militärischen Provokation an der Grenze zurück. „Es gab keine Versuche russischer Truppen, auf ukrainisches Territorium zu gelangen“, sagte er. Die prowestliche Führung in Kiew warf Moskau hingegen „aggressive Militärmanöver“ vor. Eine große Kolonne von Armeefahrzeugen sei bis fast auf ukrainisches Gebiet vorgedrungen, sagte der Vizechef der Präsidialverwaltung in Kiew, Waleri Tschaly. „Sie wollten den totalen Konflikt provozieren“, meinte er. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko habe die Militärführung zu Beratungen einberufen.

Inmitten wachsender Spannungen mit dem Westen erteilte Kremlchef Wladimir Putin einem russisch-amerikanischen Milliardenprojekt in der rohstoffreichen Arktis grünes Licht. Putin startete per Videokonferenz demonstrativ eine Ölplattform, die von den Energiegiganten Rosneft und ExxonMobil verwaltet wird. Mit Verweis auf die gegenseitigen Strafmaßnahmen Russlands und des Westens betonte er in Sotschi, die internationale Wirtschaft zeige mit dem Projekt „Pragmatismus und gesunden Menschenverstand“. Dies sei angesichts „momentaner politischer Probleme“ erfreulich.

In der umkämpften Ostukraine gingen unterdessen die Gefechte zwischen den Regierungseinheiten und prorussischen Aufständischen mit großer Härte weiter. Die Aufständischen teilten mit, sie seien zu einer Feuerpause bereit. Während einer befristeten Waffenruhe sollten Zivilisten das Konfliktgebiet verlassen, zudem könnten Verwundete versorgt werden. Die Regierung in Kiew reagierte zunächst nicht auf das Angebot.

Innerhalb von 24 Stunden seien 13 Regierungssoldaten getötet worden, teilte der Sicherheitsrat in Kiew mit. Bereits am Freitag waren 15 Armeeangehörige ums Leben gekommen. Granatsplitter töteten in Lugansk ein sechsjähriges Mädchen, wie die Behörden mitteilten. Sechs weitere Zivilisten wurden verletzt. In Donezk starb bei Schießereien ein Mann, der zwischen die Fronten geraten war.

Die Spuren der Revolution werden beseitigt: Feuerwehrleute und Freiwillige säubern den Maidan in Kiew. Bild: dpa

Granaten beschädigten erneut zahlreiche Wohnhäuser. In Lugansk waren weiter Hunderttausende ohne Strom und Wasser. „Die Lage bleibt kritisch“, teilte der Stadtrat mit. Kremlsprecher Peskow forderte die Führung in Kiew mit Nachdruck auf, eine humanitäre Katastrophe im Osten zu verhindern. Russland sei zutiefst beunruhigt über die Lage.

Wegen der Kämpfe ruht auch die Arbeit am Absturzort des malaysischen Flugzeugs MH-17. „Die Front führt direkt über das Trümmerfeld. Die Situation ist wie Treibsand – die Lage ändert sich stündlich“, sagte der Vizechef des OSZE-Einsatzes, Alexander Hug, in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa in Wien. Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wollten schnell zurückkehren. Es gehe darum, das 35 Quadratkilometer große Gebiet bei Grabowo für Experten abzusichern. „Wir sind Wegbereiter“, sagte Hug.

Auf dem von proeuropäischen Demonstranten seit Monaten besetzten Maidan in Kiew entfernten Reinigungskräfte weitere Barrikaden. „Es ist jetzt an der Zeit dazu“, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko. Immer mehr Bewohner der Millionenmetropole würden sich über das Zeltlager beschweren. Zahlreiche Demonstranten widersprachen lautstark und entzündeten zum Protest Autoreifen. Bei Zusammenstößen wurden drei Männer verletzt.

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7 Kommentare

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  • Gerhard Jeske,

    Zum Beispiel die Lügen um den vermeintlichen Abschuss eines Flugzeuges über der Ukraine: Die Anfänge der Friedensmission wurden in den Wind geschlagen. Und nun?

    Mit dem militärischen Sieg Kiews über die Ostukraine ist weder die politische Auseinandersetzung, noch die Gewalt beendet worden. Die Verlierer werden in den Untergrund abgedrängt und gelinde ausgesagt, werden Verhältnisse entstehen, wie wir sie aus Irland kennen.

    Es ist eine Schande, dass die Verantwortlichen in Kiew bisher keinen überzeugenden Plan ausgewiesen haben, der aufzeigt, wie eine vereinigte Ukraine geographisch und politisch aussehen könnte. Insofern sind der Präsident und die Regierung in Kiew für die jetzigen negativen Zustände die treibende Kraft geworden..

    Angesicht des Vormarsches der aggressiven Militaristen weltweit und der sinnlosen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung ist der Bürgerkrieg in der Ukraine eine Schande für Europa

    Weiterlesen: http://german.ruvr.ru/2014_08_11/Das-erste-Opfer-des-Krieges-ist-die-Wahrheit-3429/

  • Auch die taz hält am Kiewer Kurs fest: den "Terroristen" - bei der taz immerhin "Aufständische" - kein Gesicht geben, sie ignorieren. Nachrichten nur aus Kiew, Moskau und von der OSZE. Die Rebellen sollen nicht als Konfliktpartei anerkannt werden, denn dann käme ja gleich die Frage, warum niemand mit ihnen redet.

  • "Innerhalb von 24 Stunden seien 13 Regierungssoldaten getötet worden, teilte der Sicherheitsrat in Kiew mit. Bereits am Freitag waren 15 Armeeangehörige ums Leben gekommen."

     

    Die Verluste der ukrainischen Armee sind schlimm.

     

    Es hat wochenlang einen "Südkessel" gegeben, in dem sich ukrainische Luftlandetruppen befanden.

     

    Nun sind etwa 3500 Soldaten aus diesem Kessel verschwunden. Wahrscheinlich gefallen.

     

    Um diese Zahlen zu vergessen, braucht Kiewer Regierung noch mehr Krieg und Hass.

  • Achtung: Ein neuer Kessel Buntes von den wahrscheinlich dümmsten Faschisten der Welt:

     

    Zitat Telepolis v. 10.8.: "Der ukrainische Geheimdienst SBU legte mit kaum nachvollziehbaren Satellitenaufnahmen eine gewagte Erklärung vor. Danach hätten Russland und die Separatisten geplant, eine russische Passagiermaschine abzuschießen, um so die Invasion in die Ukraine zu rechtfertigen. So hätten sich die Flugbahnen von MH17 und AFL-2074 von der Aeroflot über Donezk gekreuzt. Versehentlich sei MH17 von dem beim Dorf Pervomaiskoe stationierten Buk-System getroffen worden."

     

    Und: "Nach der New Straits Times hat die SBU nicht die aufgezeichnete Kommunikation zwischen den Fluglotsen und den Piloten von MH17 beschlagnahmt. Der ukrainische Botschafter von Malaysia, Ihor Humennyi, habe dies gegenüber der Zeitung abgestritten. Wer die Bänder habe, wisse er auch nicht. Es müsse eine offizielle Anfrage erfolgen, die will der malaysische Generalstaatsanwalt auch machen."

     

    Tja, da fällt mir nur Woody Allen`s "Annie Hall" ein... Zitat: " Ein Artikel im "New Yorker" gegen Nazis ist gut - aber ein Baseballschläger ist eindeutig besser!"

  • Verständnisfrage : " Die Spuren der Revolution werden beseitigt"

     

    Ist eine Revolution ein Vorgang bei dem die bestehnde korrupte Klasse ( also Janukowitsch &Co) durch die vorhergehende korrupte Klasse (also Poroschenko, Jatzeniuk &Co) ersetzt wird.

     

    Oder war der Maidan, nicht doch nur ein Beleg dafür, wie eine zu Beginn sicherlich demokratische Bewegung durch Manipulation in deren Gegenteil verkehrt wird.

    In diesem Falle dank der Hilfe von Rechter Sektor/Svoboda ( obwohl von den GRÜNEN um Frau Harms zu Demokraten befördert, für mich ein rassistischer russophober Haufen von Neo-Faschisten) zusätzlich noch mit einen brutalen Bürgerkrieg garniert !.

     

    Irgendwie habe ich unter Revolution immer etwas anderes verstanden !

    • @Robert Moll:

      Die Grünen sind seither für mich endgültig unwählbar geworden. Mag sein, dass sie sich verrechnet haben: sie dachten möglicherweise, das würde eine schnelle Nummer werden und hernach könne man sich die Unterstützung einer Revolution auf die Fahnen schreiben. Die Grünen, wie viele Politiker unterschätzen aber ihre Wählerschaft. Die Politik und die Medien haben ja lange gekämpft alles als Putinpropaganda darzustellen. Die Grünen haben sich ganz klar mit Verbrechern gemein gemacht. Aber sie liebäugeln ja mit den Schwarzen. Da muss man sich schon einmal empfehlen.

      • @Gottfried Diethelm:

        Für mich waren die Grünen seit dem Angriff auf Jugoslawien unwählbar, und ihr Verhalten betreffs der Ereignisse in der Ukraine haben mich darin nur noch bestätigt... Traurig eigentlich, was aus dieser Partei geworden ist.