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Entwicklung des Rotterdamer HafensDie Zukunft schwimmender Inseln

Der Rijnhafen wird zu einem Experimentierfeld nachhaltigen Bauens. Statt Containerschiffen gibt es hier bald ein grünes Archipel.

Schwimmende Bäume sollen ökologische Netzwerke bilden Foto: Klaus Englert

Floris Alkemade, Reichsbaumeister der Niederlande, steht am Rande des Rijnhavens und schaut hinüber in die Weite des Rotterdamer Hafenareals. Er meint, Europas größter Hafen erlebe einen bedeutenden Umbruch, seitdem die großen Containerschiffe in der Nordsee abgefertigt werden. Alkemade, der früher als Partner in Rem Koolhaas’ Office for Metropolitan Architecture tätig war, ist davon überzeugt, dass der Wandel überall am Hafen sichtbar sei. „Viele kommen, um neue Dinge auszuprobieren. Hier im Hafen entsteht ein regelrechtes Experimentierfeld. Es siedeln sich junge Start-ups an, die das Image Rotterdams prägen.“

Der Standort Katendrecht hat sich in den letzten Jahrzehnten mehrmals grundlegend gewandelt. Auf dem Flecken, der an den Rijnhaven angrenzt, erstreckten sich Ende des 19. Jahrhunderts noch fruchtbare Polder und daneben errichteten reiche Rotterdamer Honoratioren ihre Wochenendhäuser. Katen­drecht, auf der südlichen Seite der Maas, war damals ein beliebter Ort für Sommerfrischler. Doch als Rijnhaven und Maashaven ausgehoben wurden, mussten 3.500 Menschen das Land verlassen und 700 Häuser aufgegeben werden.“ Urplötzlich schrumpfte die Siedlung auf eine kleine Halbinsel zwischen Rijnhaven und Maashaven zusammen.

Der Soziologe Marten Hajer, der 2016 auf Katendrecht eine Architektur-Biennale ausrichtete, glaubt an das Entwicklungspotenzial des Hafenviertels: „Seit 1900 erlebte Katen­drecht einen permanenten Nie­der­gang. Zuerst kamen die Matrosen und die billigen Kneipen, danach entstand hier Europas größte Chinatown und Rotterdams berüchtigtstes Rotlichtviertel. Aber seit wenigen Jahren ist Katendrecht kaum wiederzuerkennen.“ Marten Hajer ist beeindruckt von der Dynamik in Katendrecht. In den umgebauten Hafenspeichern wurden Künstlerateliers, Galerien, Cafés und Appartements eingerichtet. „Im Gegensatz zur Stararchitektur auf der gegenüberliegenden Wilhelminakade setzt man hier auf einen anderen Städtebau, mit sozial inklusiven und lebhaften Vierteln. Ich glaube, dass Katendrecht eine Test Site für ein Stadtentwicklungsmodell jenseits von Gentrifizierung ist.“

Schwimmende ­Sammelstationen

Hajers Kollege Floris Alkemade richtet den Blick von Katen­drecht auf den gesamten Rotterdamer Hafen, für den sich lange Zeit kaum jemand interessierte, weil er zu sehr vom Stadtleben abgeschnitten war. Aber das hat sich in den letzten Jahren geändert, seitdem sich an der RDM-Werft die Bauakademie und junge Firmen niedergelassen hatten. Die Rotterdamer Hafenverwaltung vertraut dem Imagewandel und möchte von der intensiven Nutzung fossiler Brennstoffe wegkommen. Deswegen unterstützt sie in Kop van Zuid die Recycled Island Foundation, die die Maas von Plastikmüll reinigt. Ramon Knoester entwickelte mit seinem Architekturbüro Whim und dem Hebo-Hafenservice vor zwei Jahren ein Verfahren, um den Plastikabfall zwischen Hafen und der Nordsee einzusammeln. „Unsere schwimmenden Sammelstationen setzen wir an strategischen Punkten ein, wo die Strömung besonders aktiv ist. Die durch das Wasser bereits gereinigten Bestandteile werden ins Innere der Behälter gesaugt.“

Ramon Knoester spezialisierte sich zwar anfangs auf Wohnhäuser, aber seit zwei Jahren widmet er sich dem Aufbau eines grünen Archipels im Rijnhaven, der Katendrecht von der Wilhelminapier trennt. Er berichtet stolz, Bürgermeister Ahmed Aboutaleb setze sich dafür ein, dass in Rotterdam mehr Grünflächen entstehen. „Auf Kop van Zuid hat man in den letzten Jahren zu sehr auf spektakuläre Bauprojekte gesetzt. Für eine lebendige Stadt reicht das aber nicht aus.“

Knoesters Stiftung entwickelte zusammen mit der Universität Wageningen ein Recyclingpro­gramm, durch das der Abfall in neue Produkte umgewandelt werden kann. Vor den Floating Pavillons, die an Buckminster Fullers berühmte geodätische Kuppeln erinnern, ließ Knoester den Recycled Park Rotterdam anlegen – kleine, auf der Maas treibende Inseln, die mit einem Baum bepflanzt sind. Auf Computeranimationen zeigt der Architekt, wie er sich den Rijnhaven in wenigen Jahren vorstellt: Die künstlichen Inseln vernetzen sich zu einer grünen Landschaft, mit ausreichend Nahrung für Fische, Insekten und Vögel. Dem Ziel der Blue City Rotterdam, so Knoester, wäre man dann ein großes Stück nähergekommen.

Die künstlichen Inseln vernetzen sich zu einer Landschaft, mit ausreichend Nahrung für Fische, Insekten und Vögel

Von dieser Vision lässt sich auch die im Dockhaven angesiedelte Forschungsgruppe Aqua Doc leiten, eine gemeinsame Initiative von Stadt, Hafenverwaltung und dem RDM Center for Expertise. Die Projekte von Aqua Doc erinnern an die aus dem Wasser ragenden Stelzenhäuser auf Amsterdams Ijburg. Doch die Hydroingenieure von Aqua Doc denken nicht nur an Wohnungen, sie wollen sogar Hotels und Betriebe, ja sogar ganze Infrastrukturen auf dem Wasser errichten: „Schwimmende Inseln sind unsere Zukunft“, lautet ihr Motto. Was einst die Trockenlegung der Zuidersee war, ist heute das Leben mit dem Wasser. Mit dieser typisch niederländischen Überlebenshaltung wollen die Rotterdamer der Tendenz entgegenwirken, dass 75 Prozent aller Megacities an Deltas liegen und damit das Grundwasser belasten.

Vom Spaßbad zum Kulturzentrum

In kleineren Schritten, jedoch mit viel Ehrgeiz für eine konsequent nachhaltige Architektur, hat sich das Team Superuse an ein geradezu verwegenes Projekt herangewagt: Die Architekten begannen den Umbau eines riesigen, bizarren Spaßbades an den Ufern der Maas. Es heißt „Tropicana“, wurde 1988 errichtet und sollte das ultimative Freizeitparadies für alle sein, die sich gerade nicht einen Urlaub unter karibischer Sonne leisten. Allerdings war die Begeisterung der Rotterdamer für Palmenressorts am verregneten Maasufer begrenzt und das tropische Bad musste alsbald schließen. Das war die Stunde für Superuse, das vor zwei Jahren einen Wettbewerb zur Umnutzung des Tropicana gewann.

„Anfangs fand ich das Tropicana ziemlich kitschig. Doch mittlerweile reizt es mich, daraus etwas ganz Neues zu gestalten. Es wäre doch absurd, dieses irre Gebäude einfach abzureißen“, meint Jan Jongert, der Superuse vor 20 Jahren gründete. Die 12.000 Quadratmeter umfassende lichte Pavillonstruktur, ein exotischer Fremdkörper inmitten der Hafencity, gehört mittlerweile zu Blue City, einem Netzwerk aus inzwischen 16 Teams, die allesamt in die renovierten Seitentrakte eingezogen sind. Sämtliche Kooperationspartner haben sich der „zirkulären Ökonomie“ verpflichtet. Das gilt auch für das Restaurant Aloha an den Flussterrassen. Die Betreiber nutzen für die eigene Küche Bienenstöcke und einen Kräutergarten, der mit Bioabfällen gedüngt wird.

Jan Jongert betont daher: „Uns geht es darum, aus der linearen Ökonomie der Verschwendung auszubrechen. Für uns steht das Prinzip der Wiederverwertbarkeit an oberster Stelle.“ So fertigt die aus Industriedesignern bestehende Better Future Company aus Plastikmüll beispielsweise Druckertinte, Vasen, Drähte, Wäscheleinen und Kopfhörerkonsolen. Jongert erzählt, für die Bürogestaltung habe man nach geeigneten Materialien in aufgelassenen Fabrikgebäuden gesucht und schließlich Dutzende Fenster mit schönen Holzrahmen gefunden, die für den Einbau transparenter Wände genutzt wurden.

Nach Jan Jongert erfordert die Transformation des Tropicana nicht nur Erfindungsgeist, sondern auch – trotz relativ geringer Umbaukosten – Ausdauer, politischen Willen und Investitionsbereitschaft. Derzeit gleicht die Haupthalle des Spaßbades noch einer Baustelle. Überall verstellen Stützpfeiler den Weg. Aber bald, so der Architekt, wird sich das ändern. „Vielleicht wird hier bald ein Kulturzentrum einziehen.“ In naher Zukunft soll sich der zentrale Pool in einen lichten, öffentlichen Stadtpavillon mit angrenzenden Dachgärten verwandelt haben.

Für Floris Alkemade sind derartige Initiativen der Lackmustest für eine erfolgreiche Metamorphose der Hafenstadt: „Es ist faszinierend, Arbeit, Leben und Produktion in den Hafen zu bringen. Zum Glück entstand hier urbanes Leben – dank neuer Technologien und nachhaltiger Prozesse. Es ist gut, dass sich Rotterdam verändert und ausbreitet. Dadurch gewinnt das städtische Leben an Intensität.“

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1 Kommentar

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  • Wie wäre es (zusätzlich) mit Restriktionen für Schiffahrt in Hinsicht von Energieverbrauch, CO2- und sonstiger Schadstoff-Emissionen bzw. Förderung entsprechender Umrüst/baumaßnahmen?