Entschluss zu NS-Raubkunst: Skandal im Kleingedruckten
Die Restitution von NS-Raubkunst in strittigen Fällen wird neu geregelt. Jetzt werden nur Objekte zurückgegeben, die in öffentlichem Besitz sind.
D ie Bestohlenen sind schon lange gestorben. Die Diebe sind ebenfalls tot. Im 80. Jahr nach der Befreiung vom Nationalsozialismus müssen die Nachkommen der Opfer immer noch auf die Rückerstattung ihres Eigentums warten. Das betrifft insbesondere Kunstgegenstände, aber auch Bücher. Dabei wird es auch bleiben, denn die Neuregelung bei strittigen Fällen der Restitution betrifft nur solche Objekte, die sich im öffentlichen Besitz befinden. Was privat geklaut worden ist, gilt inzwischen als „ersessen“, egal ob Picasso oder Perlmuttbrosche. Da besteht keinerlei Anspruch auf Rückgabe. Ein wirkliches Restitutionsgesetz ist nicht in Sicht.
Doch auch das nun einzurichtende Schiedsgericht für Kunstwerke in Besitz öffentlicher Einrichtungen leidet an Geburtsfehlern. Das Versprechen, dass endlich Nachfahren auch gegen den Willen der jetzigen Eigentümer eine Prüfung der Besitzansprüche durchsetzen können, steht auf wackligen Beinen. Eine entsprechende Zustimmung all der kommunalen Museen dazu liegt nämlich nicht vor. Man kann nur hoffen, dass sich diese einer Regelung nicht verweigern. Ob das künftig auch für AfD-Bürgermeister garantiert werden kann?
Verborgen im Kleingedruckten der Schiedsgerichts-Regeln verbergen sich weitere Ungereimtheiten. Wenn ein ins Exil vertriebener Jude in seiner Existenznot ein Kunstwerk verkauft hat, wird ein Fall von NS-Raubkunst „nicht vermutet“, heißt es da. Da liegt der Schluss nahe, der er und seine Nachkommen leer ausgehen sollen.
Die Neuregelung zur Restitution ist ein Kompromiss zwischen Bund und Ländern. Dieser Kompromiss ist faul. Es entsteht der Eindruck, dass sich hier einige Länder so weit durchgesetzt haben, dass sie nun fröhlich einer Überprüfung auf NS-Raubkunst durch das Schiedsgericht zustimmen können, die sie zuvor strikt verweigert haben. Das nährt den Verdacht, dass die Hoffnung besteht, das neue Gremium werde weniger zugunsten der Opfer urteilen. Käme es so, wäre genau das Gegenteil dessen erreicht worden, was Not tut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Verkehrsranking
Das sind die Stau-Städte
Präsident des Zentralrats der Juden
Ernüchternde Bilanz nach Großdemos gegen rechts
Habeck-Werbung in München
Grüne Projektion
Ende der Faktenchecks bei Meta-Diensten
Nicht abhauen!
Vorwürfe gegen Grünen-Politiker Gelbhaar
Ende einer politischen Karriere
Verteidigung, Trump, Wahlkampf
Die nächste Zeitenwende