Entscheidung über Olympiaaus für Italien: Der Kellner als Koch
Die olympischen Regeln verbieten staatlichen Einfluss auf Sportverbände. Das IOC könnte Italiens Olympiakomitee nun deshalb sogar ausschließen.

Romantische Erinnerung überwältigt römische Sportfunktionäre, wenn sie sich an das Jahr 1980 erinnern. Damals riefen westliche Politiker wegen des Einmarschs der Sowjettruppen in Afghanistan zum Boykott der Olympischen Spiele in Moskau auf. Die meisten Sportverbände des Westens folgten der Politik. Italien aber scherte aus und schickte eine Abordnung. Grund war damals die totale Autonomie des Coni, des italienischen NOK.
„Wir haben uns damals selbst finanziert, aus den Einnahmen des Totocalcio“, erzählt Franco Carraro, zun jener Zeit Präsident des Coni, heute Senator in Rom und Ehrenmitglied des IOC, der taz. Die Finanzierungsquelle des Coni brachte sogar dem Staat noch die Steuer auf die Wetteinnahmen ein.
Finanzier und Wohltäter
Heute laufen die Geldströme anders. Zwar gibt es Totocalcio noch. Aber die Umsätze sind eingebrochen. Was übrig bleibt, geht an die Staatsbehörde Sport e Salute. Die gibt auch die 40 Millionen Euro Jahresetat aus dem italienischen Haushalt an das Coni. Sport e Salute ist Italiens mächtigste Sportbehörde, 2018 geschaffen vom Sportminister Vincenzo Spadafora. Sie ist ein Reformprojekt mit manch guter Initiative. „Wir machen unsere Sportstätten zugänglich für die Bevölkerung, haben im Projekt ‚Sport nei Parchi‘ bereits das Tennisstadion in Rom mit Sport und Fitnessgeräten ausgestattet und ermöglichen auch anderen Städten und Kommunen die Aufstellung von Sportgeräten in Parks und öffentlichen Anlagen“, erzählt Goffredo De Marchis, Pressesprecher von Sport e Salute. Das Reformprojekt begrenzt auch die Amtszeiten der Präsidenten der Sportverbände auf drei Mandate mit maximal zwölf Jahren Gesamtdauer – ein echter Anschlag auf die Methusalemstrukturen im Sport.
Vor allem der aktuelle Coni-Präsident Giovanni Malago wettert gegen die Reformen – und baut als Drohkulisse mögliche Sanktionen des IOC auf. Das ist tatsächlich ein Erfolg versprechender Hebel. Denn Sport e Salute ist nicht nur Geldgeber des Coni. Auch alle Mitarbeiter des Coni sind formal bei Sport e Salute angestellt, alle Sportanlagen an Sport e Salute übergegangen. Selbst die Büros, in denen die Coni-Mitarbeiter*innen sitzen, gehören zu Sport e Salute. „Wir sind in allem abhängig von Sport e Salute. Selbst wenn wir einen Bleistift kaufen wollen, können wir das nicht selbst tun, sondern müssen ihn über Sport e Salute bestellen“, klagte ein langjähriger Coni-Mitarbeiter.
Auch Francesco Carraro, Coni-Präsident von 1987 bis 1987, sieht „die operative und administrative Unabhängigkeit des Coni nicht mehr gegeben“. Hintergrund ist nicht unbedingt böser Wille. „Wenn das Coni 500 Bleistifte will, geben wir ihm 501. Als sie zu den 40 Millionen Jahresetat noch weiteres Geld wegen der Olympiavorbereitung haben wollten, gab Sport e Salute ihnen zusätzliche acht Millionen Euro“, bekräftigt Sport-e-Salute-Sprecher De Marchis.
Entscheidender Konstruktionsfehler
Allerdings hat aber derjenige, der das Geld verteilt, mindestens indirekten Einfluss. Die aktuelle Situation ist vor allem Produkt handwerklicher Fehler.
Sport e Salute ist die Folgeorganisation von Coni Servizi, einer Dienstleistungsgesellschaft des Olympiakomitees. Coni Servizi war von 2003 bis 2018 im Auftrag des Coni tätig. Mit der Reform 2018 wurde der Dienstleister nun zum Geld- und Arbeitgeber. Diese Situation gilt es nun zu lösen. Sport e Salute schlug eine Modifizierung des Dienstleistungsvertrags vor. Coni-Präsident Malago will hingegen eine Gesetzesänderung.
Das IOC hält sich derweil bedeckt. Die Pressestelle versandte lediglich einen Hinweis, dass nach dem 5. Prinzip der Olympischen Charta und Regel 27 die Nationalen Olympischen Komitees administrative Autonomie haben müssen und „keinerlei politischem, rechtlichem, religiösem und ökonomischen Druck ausgesetzt“ sein dürfen. Legt man diesen Maßstab an, hätte das IOC allerdings schon im Jahre 1997 das NOK Belarus sanktionieren müssen. Seit 1997 sitzt Staatspräsident Alexander Lukaschenko dem Sportgremium vor.
Ein Entscheid des IOC in der Italien-Causa würde auch für die Zukunft neue rote Linien in Sachen Unabhängigkeit der olympischen Bewegung setzen.
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