Entschädigungen für Verspätungen: Angriff auf EU-Rechte von Fluggästen
Geld von der Airline erst ab 5 Stunden Verspätung? Der Vorschlag des polnischen Ratsvorsitzes zur Aufweichung der Fluggastrechte sorgt für Streit.

Künftig sollen Fluggäste erst ab einer Verspätung von 5 Stunden entschädigt werden – und nicht wie bisher schon nach 3 Stunden. Bei Streiks oder Personalmangel sollen die Fluggesellschaften von ihrer Entschädigung von bis zu 600 Euro freigestellt werden. Stattdessen werde man für mehr Ersatzflüge sorgen, werben die Airlines.
Demgegenüber warnen Verbraucherschützer davor, dass bei einer Änderung auf 5 Stunden 80 Prozent der betroffenen Passagiere nicht mehr entschädigt würden. Auch die neue Bundesregierung sieht den Vorstoß skeptisch. Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hat sich für eine Beibehaltung der 3-Stunden-Frist ausgesprochen. Allerdings will sie die Entschädigung auf pauschal 300 Euro festlegen – im Schnitt deutlich weniger als bisher.
Bei einer Abstimmung im Ministerrat zeichnete sich am Donnerstag in Luxemburg zunächst keine klare Mehrheit ab. Bei einem Treffen der EU-Verkehrsminister stand neben dem polnischen Vorschlag auch eine Alternative mit einer 4-Stunden-Frist zur Debatte. Diskutiert wurde auch über die Definition von „außergewöhnlichen Umständen“, die die Airlines von einer Entschädigung freistellen.
Widerstand im EU-Parlament
Derweil baut sich im Europaparlament ein fraktionsübergreifender Widerstand gegen eine Aufweichung der Passagierrechte auf. Dass eine Reform nach 21 Jahren fällig wird, sei unstrittig, erklärte Jens Gieseke (CDU), verkehrspolitischer Sprecher der konservativen EVP-Fraktion. „Doch nun – nach über einem Jahrzehnt der Untätigkeit im Rat – eine Reform im Eilverfahren durchzupeitschen ginge auf Kosten der Passagiere, da die Mitgliedstaaten die Entschädigungsregeln deutlich abschwächen wollen.“
Ähnlich klingt es bei den Sozialdemokraten. „Die aktuellen Erwägungen schaffen Unsicherheit darüber, ob sich Fluggäste auch in Zukunft darauf verlassen können, dass ihre Rechte bestehen bleiben“, sagte Vivien Costanzo, verkehrspolitische Sprecherin der Europa-SPD.
Sogar die FDP zieht mit: „Der Vorschlag der Mitgliedstaaten greift zu tief in die Fluggastrechte der Passagiere ein“, meint der FDP-Europaabgeordnete Jan-Christoph Oetjen. Im Europäischen Parlament gebe es bereits eine Position, „und ich sehe keinen Grund, diese gute Position noch einmal anzupassen“.
Allerdings wird diese Position – eine Reform mit Erhalt der bisher gültigen 3-Stunden-Frist – womöglich gar nicht berücksichtigt. Die EU-Staaten erwägen nämlich, ein Eilverfahren zu nutzen, bei dem das Parlament nicht die übliche Mitsprache hätte. Die umstrittene Reform könnte so schneller umgesetzt werden, ohne große Änderungen durch die Abgeordneten.
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