Entschädigungen bei Verspätungen: Bahn-Chef kann nix für Sturm
Rüdiger Grube fordert von der EU neue Regeln im Fall höherer Gewalt. Die Bahn sieht sich im Nachteil gegenüber Flug- und Busgesellschaften.
BERLIN taz | Die Deutsche Bahn möchte Rückzahlungsansprüche von Kunden neu regeln lassen, da sie sich gegenüber Fluggesellschaften, Bus- oder Schifffahrtunternehmen benachteiligt sieht. In einem Schreiben an EU-Verkehrskommissar Siim Kallas fordert Bahn-Chef Rüdiger Grube eine Klarstellung der EU-Fahrgastverordnung, dass Bahnfirmen bei höherer Gewalt nicht für Verspätungen verantwortlich gemacht werden dürften.
Die Bahn zahlte bei Verspätungen wegen Unwetter, Hochwasser oder Streik nach eigenen Angaben lange aus Kulanz einen Teil des Fahrpreises an ihre Kunden zurück. Seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg Ende September ist sie dazu rechtlich verpflichtet.
Das Luxemburger Urteil beruhe „zweifellos auf dem Geist des Verbraucherschutzes“, schrieb Grube an Kallas. Es missachte aber „das legitime Bedürfnis nach einem einheitlichen Wettbewerbsstandard“ zwischen Bahn, Luftfahrt, Schifffahrt und Busbranche. Die Regelung stehe zudem im „Widerspruch zu den grundlegenden Prinzipien europäischen Vertragsrechts“: Nur Bahnkunden könnten Rückzahlungen auch dann verlangen, wenn das Unternehmen „in keiner Weise Verantwortung für die Zugverspätung trägt“. Das sei „ein nicht haltbarer Zustand“.
VCD versteht Nöte der Bahn
Grube nennt in seinem Brief zwei Beispiele, in denen die Deutsche Bahn verpflichtet war, Kunden Geld zurückzuzahlen. Das sei etwa bei dem Orkantief „Christian“ im Herbst in Norddeutschland der Fall gewesen, als der Zugverkehr infolge des Sturms auf vielen Strecken eingestellt werden musste.
Ähnlich sei es beim schweren Hochwasser in Ost- und Süddeutschland im Frühsommer gewesen. „Obwohl die erwähnten Ereignisse absolut nicht zu kontrollieren waren, war die Deutsche Bahn gezwungen, einer große Zahl Fahrgäste zu Entschädigungen wegen der daraus folgenden Verspätungen zu zahlen“, so Grube. Die Bahn fordert daher „eine Neuordnung des Rechtsrahmens“, um „weiteren Schaden an der Wettbewerbsfähigkeit der Schiene abzuwenden“.
Beim ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) stieß die Bahn mit ihrer Forderung auf offene Ohren. „Höhere Gewalt muss höhere Gewalt bleiben“, sagte VCD-Bahnexpertin Heidi Tischmann. „Was kann die Bahn dafür, wenn sich jemand vor den Zug wirft und dann stundenlang der Verkehr stillsteht?“ Alle Verkehrsträger müssten künftig gleich behandelt werden. „Es kann nicht sein, dass die einen bevorteilt werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich