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Entmachtung der Hamburger BezirkeNicht gut für die Demokratie

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Hamburgs Senat will nach einer Frist die Bezirks-Chefs selber ernennen. Das schwächt die eh schon schwache untere Beteiligungsebene der Großstadt.

…oder auch nicht. Hamburg ist eine große Stadt mit wenig Bürgergremien bezogen auf die Einwohnerzahl Foto: Maja Hitij/dpa

N a klar, es ist mühsam, wenn es wie in Hamburgs Bezirk Harburg lange Zeit dauert, bis eine neue Bezirksamtsleitung gewählt wird. Doch was der rot-grüne Senat hier in Hamburg plant, ist unnötig undemokratisch.

Er könnte auch stattdessen, wie die CDU vorschlägt, den ohne politische Leitung überlasteten Verwaltungen im Bezirk personelle Unterstützung auf Zeit gewähren. Oder gar den uneinigen Bezirksfraktionen Mediation anbieten.

So aber wird künftig nach neun Monaten ein harter Schnitt gemacht und eine Person durch den Senat bestimmt, die der Bezirk nicht mehr ablehnen kann.

Kritische Stimmen sagen, dass könne sogar dazu führen, dass eine Fraktion die Einigung auf einen Kandidaten absichtlich verzögert, damit die Stadtregierung ihre Leute einsetzen kann. Damit wird die untere Beteiligungsebene, die eh kaum Rechte hat, noch weiter entmachtet.

Kleine Städte zehn mal demokratischer

Dabei muss man bedenken: Hamburgs Bezirke sind so riesig wie Großstädte. Wandsbek etwa hat über 450.000 Einwohner. Für diesen Bezirk gibt es eine Versammlung mit 57 Sitzen. Zum Vergleich: Die Stadt Reinbek hat rund 28.000 Einwohner und eine Stadtvertretung mit 36 Sitzen.

Im Verhältnis teilen sich in der Großstadt zehnmal so viele Einwohner einen, der für sie eintritt. Es sind also eher zu schwach ausgebildete Beteiligungsstrukturen, was auch daran liegen mag, dass in Hamburg 2008 mit den früheren Ortsausschüssen eine Ebene weggespart wurde.

Um so wichtiger, jetzt nicht gleich zur Tagesordnung überzugehen, sondern in der Stadtgesellschaft über dieses Gesetz zu streiten. Das gehört zur Demokratie. Es ist auch nicht so, dass diese Einsetzung von Bezirksamtsleitern schon immer unstrittig üblich war. Als dies 1996 in Eimsbüttel geschah, probten die Grünen den Aufstand und versuchten, dies zu verhindern.

Dass es jetzt gleich in drei der sieben Bezirke etwas länger dauert, mag auch daran liegen, dass auf die Bezirkswahl im Juni 2024 gleich im März 2025 die Bürgerschaftswahl folgte, die mancher abwarten wollte. Darum das Gesetz zu ändern, leuchtet nicht ein. Es hat doch auch 70 Jahre so funktioniert.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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