Entlassungen in der Fußball-Bundesliga: Trainer, wechsel dich!
In der Liga wird zu oft und strategielos der Neuanfang postuliert. In Wolfsburg und andernorts erkennt man, dass das eh keiner mehr glaubt.
D as Schöne am Fußball ist ja, dass es immer noch diese zweite Realität gibt. Sieht man mal vom FC Bayern München und wohl auch von Greuther Fürth ab, würden die Verantwortlichen aller anderen Vereine nach dem 15. Spieltag bestechende Argumente dafür finden, weshalb ihre Teams besser dastehen könnten oder vielmehr müssten.
Denken Sie nur an jenen oder diesen Pfostenschuss, das schon surreal anmutende Verletzungspech, dazu die Coronafälle, den schlechten Rasen in Stuttgart, den Stau bei der Anreise nach Leverkusen, die eigentliche individuelle Stärke des Kaders, die krassen Fehlentscheidungen des Schiedsrichters. Würde man die eigentlich wahren Tabellen der Klubverantwortlichen zusammenziehen, bliebe vermutlich die zweite Hälfte – bis auf Greuther Fürth eben – einfach unbesetzt.
Aus Gründen der Ohnmacht beschäftigen sich die Vereine auf der zweiten Realitätsebene vorzugsweise mit dem Gedanken, wie viel besser wohl ein anderer Trainer mit den Schwierigkeiten umgegangen wäre und ob es nicht wieder Zeit für einen Neuanfang wäre. Schließlich ist der eigene Einfluss etwa auf die Torgröße, die Schiedsrichter und die Pandemie begrenzt.
Wobei in dieser Saison auffällt, wie zurückhaltend die T-Frage noch verhandelt wird. Mit Wolfsburg, Hertha und Leipzig haben nach fast der Hälfte der Saison lediglich drei Vereine ihre Trainer entlassen. Die Vereine mit den besten Aussichten auf die Zweite Liga wie Stuttgart, Bielefeld und Greuther Fürth beeindrucken dagegen mit stoischer Gelassenheit. Es ist die Ruhe nach dem nervösen Sturm in der vergangenen Saison, die mit einem Rekordentlassungswert in die Bundesligageschichte einging. Während der Saison 20/21 wurden 14 Trainer geschasst und am Ende der Spielzeit neun Stellen neu besetzt.
Kaum haltbare Philosophie
Möglicherweise hat der erhöhte Erfolgsdruck durch die immensen pandemiebedingten finanziellen Einbußen die Nervosität bei den Vereinen erhöht. Die Werte spiegeln in jedem Fall wider, wie gering das Haltbarkeitsdatum der häufig hinausposaunten Vereinsphilosophien und Strategien ist. Es gab vor dieser Saison ein Hauen und Stechen um die angesagtesten Trainer der Liga, also um Julian Nagelsmann, Marco Rose, Adi Hütter, Oliver Glasner. Häufig geht es bei der Suche nach Namen und nicht nach Konzepten. Oder man hat ein Konzept und einen Trainer dazu vor Augen, es fehlt nur blöderweise der passende Kader dazu.
Die zuletzt auf Ballbesitzfußball getrimmten Gladbacher etwa fremdeln noch mit dem Umschaltspiel, wie es Adi Hütter vorschwebt. In Leipzig sah die Klubführung nach dem Abgang von Julian Nagelsmann die Chance, wieder mehr Tempofußball spielen zu lassen, wie ihn einst Ralf Rangnick bei RB erfolgreich lehrte. Mit Jesse Marsch glaubte man den richtigen Coach dafür gefunden zu haben, nur die Mannschaft war blöderweise für diese Art der Transformation nicht die richtige.
Beim VfL Wolfsburg dagegen wollte man die Fähigkeit zum schnellen Umschaltspiel mit einer größeren Lösungskompetenz in Ballbesitzphasen kombinieren. Nach neun Spielen und 13 Punkten sah Manager Jörg Schmadtke das Experiment unter Mark van Bommel schon gescheitert. Jetzt ist er hell entsetzt, dass man Florian Kohfeldt nach sechs Spielen und sieben Punkten und fünf Niederlagen in Serie schon in Frage stellen will. Der arme Mann könne doch nichts für die großen Umwälzungen im Verein vor seiner Zeit, argumentiert er.
Die Wolfsburger scheinen im Sinne des Ligatrends erkannt zu haben, dass man nicht alle sieben Wochen einen Neuanfang postulieren kann, weil es den Trainerentlassern dann selbst an den Kragen geht. In Wolfsburg forderten die Fans bereits den Abgang von Schmadtke. Für welchen Fußball Florian Kohfeldt allerdings steht, kann mit Sicherheit auch keiner sagen. Bei Werder Bremen hat man ihn vor allem als Notstandsverwalter in Erinnerung.
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