Entlassung von Heinz Fromm: Schredder-Affäre ließ ihm keine Wahl
Das SPD-Mitglied Fromm stand 12 Jahre an der Spitze des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln. Der Löschskandal in seinem Amt kostete ihn nun den Posten.
BERLIN taz | Eines muss man Heinz Fromm lassen: Er war einer der Ersten aus den Behörden, der nach dem Bekanntwerden der NSU-Morde klare Worte fand. „Wir haben die Dimension ihres Hasses ebenso unterschätzt wie ihren Willen zur Tat“, sagte er. „Dabei hätte man es durchaus besser wissen können.“ Damals trat Fromm nicht zurück, doch die Aktenschredderei in seinem Amt ließ ihm nun keine Wahl.
Seit Juni 2000 war Fromm Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln, Otto Schily hatte ihn aus Hessen geholt, wo Fromm zuvor Innenstaatssekretär war und kurzzeitig die Justizvollzugsanstalt Kassel leitete. Als Verfassungsschutzchef galt der Jurist Fromm als zwar etwas trockener und dröger, gleichwohl aber integerer Behördenleiter.
Dabei hätte Fromm schon früh stolpern können. Zum einen über das NPD-Verbot, das an der undurchsichtigen V-Mann-Situation vor dem Verfassungsgericht scheiterte. Zum anderen über die Anschläge vom 11. September 2001, deren Haupttäter jahrelang in Hamburg gelebt hatten. Doch das Versagen wurde vor allem in den USA gesehen, in Deutschland bekam der Hamburger Verfassungsschutz einen auf den Deckel.
Die Folgen von 9/11 waren es schließlich auch, die Fromms weitere Amtszeit dominierten. Um 600 auf heute rund 2.600 Mitarbeiter wurde das Bundesamt seitdem aufgestockt. 50 Prozent der Ressourcen des Inlandsgeheimdienstes entfielen zuletzt auf den Bereich Islamismus und internationaler Terrorismus.
Aufrüstung gegen Islamismus
Beobachter haben darin einen möglichen Grund gesehen, warum die Untergrund-Terrorgruppe NSU nicht erkannt wurde. Der Vorwurf: Während der Verfassungsschutz gegen den Islamismus aufrüstete, verlor er die braune Gefahr aus dem Auge. Anhaltspunkte für rechten Terror gebe es nicht, hieß es immer wieder in den Analysen des Amtes – bis im November 2011 klar wurde, dass Rechtsterroristen jahrelang unerkannt morden konnten.
Wenige wollten Fromm in den letzten Tagen noch in Schutz nehmen. Nur die SPD, der Fromm angehört, hatte noch eine Lanze für ihn gebrochen und verwies darauf, dass sich Fromm 2006 heftig gegen eine Zusammenlegung der Abteilungen für Rechts- und Linksextremismus in seinem Amt gewehrt habe: davon könne er nur „dringend abraten“.
Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) setzte die Fusion gegen Fromms Willen durch. Inzwischen sind die Abteilungen wieder getrennt. Und Fromm ist seinen Job los.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Lektionen der Woche
Deutschland ist derweil komplett im Wahn