Entlassung des haitianischen Premiers: Das Ende der Ära des humanitären Interventionismus
Haitis Premier Conille wurde seines Amts enthoben. Damit endet ein geopolitisches Experiment und das Zeitalter der humanitären Interventionen.
E rst verlieren die Demokraten in den USA, dann platzt die Ampel in Berlin, und wenige Tage später scheitert das US-Projekt zur Befriedung der haitianischen Krise mit dem Rauswurf des quasi von ihr installierten Ministerpräsidenten Cornille.
Lachen Sie nicht, wenn ich das in Reihe stelle. Was man gerade beobachten kann, ist, wie das liberal-demokratische Politikmodell des „Weiter so“ immer tiefer in eine Sackgasse läuft. Das kann man an Haiti ausgezeichnet studieren.
Jahrelang hat man mit dem Slogan „Haiti is open for business“ die institutionellen, sozialen und rechtsstaatlichen Probleme des Landes den „heilenden“ Kräften des freien Marktes überlassen und so eine nie dagewesene Krise provoziert. Gangs und Milizen der Eliten zerstören derweil das Land und kontrollieren weite Teile der Hauptstadtregion. Monatelang war sogar der Flughafen geschlossen.
Zum Sicherheitsproblem reduziert
Neben der Ukraine und Gaza gehört Haiti zu den zentralen Themen, mit denen sich US-Außenminister Blinken in den letzten Monaten seiner Amtszeit beschäftigt. Wie immer in solchen Fällen betrachtete man in Washington die Polykrise allerdings als reines Sicherheitsproblem, das eine internationale Polizeimission unter Führung Kenias beseitigen sollte.
Schätzungsweise etwa eintausend Gangmitglieder, die Hälfte davon minderjährig, müssten doch militärisch in den Griff zu bekommen sein. Flankiert werden sollte die Intervention von einer Übergangskoalition aus abgehalfterten Politikern, die nur sich und ihre eigenen Wirtschaftsinteressen vertreten, um Wahlen zu organisieren. Das verkauft man dann als eine „Lösung in den Händen der Haitianer“.
Der UN-Sicherheitsrat genehmigte die Polizeimission halbherzig, aber stellte praktisch kein Geld dafür zur Verfügung. Bis März wird noch die zahnlose militärisch-polizeiliche Mission finanziert. Dann ist Schluss. Und damit ist wahrscheinlich das Ende der Politik humanitärer Interventionen, die die letzten Jahrzehnte internationaler Politik geprägt haben, besiegelt. Es ist ein Fiasko.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?