Energieversorgung in Bremen: Kraftwerk auf dem Holzweg
Der Bremer Kohlemeiler wird abgeschaltet. Die Betreiber wollen künftig Restholz verfeuern. Kritiker*innen halten das nicht für klimaneutral.
Etwa neun Prozent der jährlichen Emissionen Bremens entfallen auf das Kraftwerk in Farge. Nun steht fest, dass es zu Ende Oktober 2022 die Kohleverstromung einstellt. Am 14. Juli hat der Betreiber Onyx Power über eine Auktion der Bundesnetzagentur eine Prämie erhalten, die eine frühzeitige Abschaltung des Kraftwerks kompensieren soll.
In der Auktion bieten Kraftwerksbetreiber die Menge CO2, die durch die Schließung ihres Kraftwerks eingespart würde, sowie die Höhe der Prämie, die sie dafür bekommen wollen. Die Gebote mit dem niedrigsten Preis je vermiedener Tonne CO2 erhalten den Zuschlag der Netzagentur.
Ob Onyx Power das Kraftwerk danach zur Altholzverbrennung nutzen darf, ist noch unklar: Das offizielle Genehmigungsverfahren läuft frühestens im Spätsommer an. Mit einer Entscheidung rechnet der Betreiber bis spätestens Anfang 2023. Doch sowohl aus der Bürgerschaft als auch von Umweltverbänden und -aktivist*innen kommt Kritik.
Aus Möbeln wird Brennholz
Die Idee der Altholzverbrennung ist, Holz das in seiner ursprünglichen Funktion ausgedient hat, zur Energiegewinnung weiter zu nutzen. Das Stichwort lautet Kaskadennutzung: Holz wird so lange wie möglich als solches verwendet und erst im letzten Schritt energetisch genutzt – zum Beispiel erst von neuen zu gebrauchten Möbeln, dann zu Dämmmaterial bis hin zur Verbrennung.
In Farge soll laut Betreiber Altholz aus dem Alltagsbedarf, etwa vom Sperrmüll, verbrannt werden. Frischholz oder stark chemisch behandelte Hölzer werden hingegen nicht verwendet. Onyx Power zufolge ist das auch nicht nötig: Der Bedarf an Altholz könne durch den heimischen Markt gedeckt werden.
Während Peter Feldhaus, CEO des Unternehmens, diese „thermische Nutzung des CO2-freundlichen Energieträgers Altholz“ als „Beitrag zum Klimaschutz“ wertet, wird der Plan von Umweltaktivist*innen und -verbänden bis in die Bürgerschaft kritisiert. Aber was ist eigentlich das Problem an Holzverbrennung?
Holz wächst nach, Kohle nicht – darin sind sich alle einig. Danach gehen die Meinungen auseinander: Einerseits ist Holz ein nachwachsender Rohstoff und darin grundsätzlich nachhaltiger als die fossile Brennstoffe Kohle oder Gas. Im Gegensatz zu anderen erneuerbaren Energien wie Wind- oder Solarenergie ist die Holzverbrennung außerdem wetterunabhängig und kann somit besser zur Sicherung des Netzes beitragen.
Schlechte Klimabilanz
Andererseits setzt auch die Verbrennung von Holz Treibhausgase frei – und zwar mehr, als die staatliche Subventionierung von Biomasseverbrennung im Sinne des Klimaschutzes zunächst vermuten lässt. Bei der Verbrennung von Holz wird mehr CO2 freigesetzt, als es während seines Wachstums aus der Atmosphäre bindet. Zusätzlich entstehen bereits durch die vorherige Verarbeitung dessen, was später als Altholz verfeuert wird, Emissionen, das Gleiche gilt für den Transport.
Anders als oft angenommen ist also die Verbrennung von Holz nicht per se klimaneutral, sondern hat im Gegenteil eine vergleichsweise schlechte Klimabilanz.
Carsten Sieling (SPD), stellvertretender Vorsitzender der Enquete-Kommission „Klimaschutzstrategie für das Land Bremen“, hält die Umstellung des Kraftwerks deshalb nur unter zwei Bedingungen für vertretbar: Einerseits als kurzfristig realisierbare Übergangslösung, um den Kohleausstieg umzusetzen, andererseits unter der Bedingung, dass tatsächlich nur Altholz verbraucht wird. Der weiterhin kritischen Enquete-Kommission seien außerdem regionales Altholz und ein emissionsarmer Transport wichtig.
Von Übergangslösungen hält Janne Specht, Sprecher*in der Umweltgruppe Ende Gelände, wenig: Holzverbrennung mitten in der Klimakrise sei „wahnwitzig“ und die vermeintliche Übergangslösung nichts als „Greenwashing“. Auch Klaus Prietzel, Vorsitzender des BUND, lehnt die Umnutzung des Kohlekraftwerks zur Altholzverbrennung entschieden ab.
Im Gegensatz zu Solar- und Windenergie stelle die Verbrennung von Biomasse keine Alternative für die erneuerbare Stromerzeugung dar: „Stattdessen muss sie in der Energiewende dort eingesetzt werden, wo es derzeit keine brauchbaren Alternativen gibt, zum Beispiel für industrielle Prozesswärme oder für die Grundstoff-Chemie.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!