Energiesperren bei Zahlungsunfähigkeit: Die Energiewende darf niemanden zurücklassen
Die Zunahme von Energiesperren ist ein alarmierendes Zeichen für eine soziale Schieflage. Hamburg muss Maßnahmen gegen Energiearmut ergreifen.
D ass die Zahl der Energiesperren in Hamburg im vergangenen Jahr so sprunghaft angestiegen ist, ist ein alarmierendes Zeichen für die soziale Schieflage in der Stadt. Während sich der Senat mit ambitionierten Klimazielen und dem Ausbau erneuerbarer Energien schmückt, lässt die drastische Zunahme von Menschen, die ohne Strom und Heizung auskommen müssen, an der sozialen Gerechtigkeit der Energiewende zweifeln.
Die Verdreifachung der Stromsperren auf über 6.000 Fälle verdeutlicht, wie drängend das Thema der Energiearmut geworden ist. Während die Stadt von einer „positiven Ausbauentwicklung“ der erneuerbaren Energien spricht, können sich immer mehr Hamburger:innen Grundlegendes wie Licht und Wärme nicht mehr leisten. Ein Härtefallfonds, der fast nicht genutzt wird, geht ganz offenbar an der Realität der Betroffenen vorbei.
Die Gründe für den Missstand sind vielschichtig. Trotz sinkender Großhandelspreise für Strom schlagen die Netzentgelte mit voller Wucht auf die Verbraucher:innen durch. Die Erhöhung um 23 Prozent ab 2024 trifft besonders ohnehin gebeutelte einkommensschwache Haushalte. Verantwortlich dafür sind auch Entwicklungen im Bund: Das von der Ampelkoalition geplante Klimageld, das Verbraucher:innen entlasten sollte, ist nicht gekommen. Nach dem Scheitern der Ampel hatte Rot-Grün dann im Dezember noch versucht, einen Bundeszuschuss zu den Netzkosten für das Jahr 2025 zu beschließen, dafür aber im Bundestag keine Mehrheit mehr gefunden. Umso wichtiger wäre es, dass Hamburg die soziale Komponente der Energiewende und die wachsende Energiearmut nicht vernachlässigt.
Härtefallfonds muss leichter zugänglich sein
Es ist Zeit, die Prioritäten zu überdenken. Eine Energiewende, die Menschen zurücklässt, ist zum Scheitern verurteilt. Die Stadt muss dringend Maßnahmen gegen Energiearmut ergreifen.
Eine Möglichkeit wäre, den Härtefallfonds grundlegend zu reformieren und niedrigschwellig zugänglich zu machen, wie die Linke vorschlägt. Außerdem braucht es massive Investitionen in die energetische Sanierung von Sozialwohnungen, um die Energiekosten nachhaltig zu senken. Auch bessere Beratungsangebote und eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Energieversorgern, Sozialverbänden und städtischen Einrichtungen können helfen. In Härtefällen, etwa bei Familien mit kleinen Kindern oder bei Menschen mit schweren Erkrankungen, sollten Energiesperren grundsätzlich verboten werden.
Hamburg rühmt sich gerne seiner sozialen Tradition. Es ist höchste Zeit, dass die Stadt diesem Anspruch auch in der Energiepolitik gerecht wird.
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