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Energiepreisbremse der BundesregierungEs geht um Grundbedürfnisse

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Die Regierung nimmt viel Geld in die Hand – gut so. Gezielte Hilfen sind unrealistisch: Energie ist nicht das richtige Feld für Gerechtigkeitspolitik.

Beim Heizen oder Kochen mit Gas geht es um Grundbedürfnisse Foto: Annette Riedel/dpa

B ür­ge­r:in­nen und Unternehmen blicken mit Angst auf den Winter, weil sie nicht wissen, welche Energiekosten auf sie zukommen. Sie fragen sich, ob sie im Kalten sitzen werden, ob sie ihre Rücklagen aufzehren müssen, ob sie die Produktion aufrechterhalten können, ob Kurzarbeit droht oder sie ihren Arbeitsplatz verlieren.

Bundeskanzler Olaf Scholz wollte ihnen diese Sorgen nehmen, als er am Donnerstag seinen „Doppelwumms“ ankündigte: einen 200 Milliarden Euro schweren Schirm zur Abwehr der Energiekrise für drei Jahre. Das ist viel Geld. Aber keine Antwort auf die drängende Frage, wie teuer die Krise je­de:n Ein­zel­ne:n kommt. Und angesichts der 500 Milliarden Euro, die die damalige Bundesregierung 2008 zur Rettung der Banken bereitgestellt hat, ist der „Wumms“ nicht so kräftig, wie er auf den ersten Blick erscheint.

Die Regierung will eine Strom- und eine Gaspreisbremse. Aber wie die genau aussehen sollen, bleibt ebenso unklar wie der Zeitpunkt, ab dem sie gezogen werden. Unternehmen können weiterhin nicht kalkulieren, Privathaushalte bleiben in Unsicherheit. Eines ist allerdings klar: Teurer wird es auf jeden Fall, denn die Preise werden nicht gesenkt, sondern der Anstieg gedeckelt.

Auch wenn 200 Milliarden viel sind – aus dem Topf muss viel finanziert werden: Unter anderem die 34 Milliarden Euro, die mit der Gasumlage ursprünglich von den Kun­d:in­nen kommen sollten, sowie die Finanzierung weiterer Ersatzbeschaffungskosten, die Energiekonzerne wegen ausbleibenden russischen Gases haben – viele weitere Milliarden.

Der Wumms ist nicht so kräftig, wie er auf den ersten Blick erscheint

Auch Unternehmen, die aufgrund des Krieges in Schieflage geraten und nicht ausreichend von den Energiepreisbremsen erfasst werden, sollen davon profitieren. Wie viel das ist, ist unklar. Die geplante Strompreisbremse soll zwar durch die Abschöpfung übermäßiger Gewinne von Energiekonzernen finanziert werden. Reicht das aber nicht, wird Geld aus dem 200-Milliarden-Topf genommen.

Spannend ist also, wie viel für die Subventionierung der Gaskosten überhaupt übrig bleibt. Um welche Summen es geht, zeigen Berechnungen der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Danach würde ein Gaspreisdeckel allein für die Privathaushalte je nach Modell zwischen 15 Milliarden und 37 Milliarden Euro im Jahr kosten – hinzu kämen gewaltige Summen für Unternehmen. Die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen ­gehen bei den niedrigeren Kosten von einem Grundkontingent von 5.000 Kilowattstunden pro Haushalt aus, das um 2.000 Kilowattstunde pro weitere Person im Haushalt aufgestockt wird. Deutlich teurer wäre eine Lösung, bei der der Preisdeckel für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs gelten würde. Es ist richtig, dass die Bundesregierung die Energiekosten subventioniert – und zwar spürbar. Von symbolischen Maßnahmen hat niemand etwas.

Dass Energie gespart werden muss, wissen die Bürger:innen, auch wenn die Bundesnetzagentur in aktuellen Meldungen etwas anderes unterstellt. Der Gasverbrauch ist aktuell höher als im vergangenen Jahr. Aber es ist auch viel kälter. Der Vergleich des derzeitigen Verbrauchs mit ähnlich kalten Zeiten zeigt, dass bereits weniger geheizt wird. Den meisten Bür­ge­r:in­nen ist der Ernst der Lage bewusst – eine Preisbremse wird sie nicht vom Sparen abhalten.

Preisexplosion trifft viele

Ein häufiges Argument gegen die Preisbremse ist die „Gießkanne“: Weil auch Wohlhabende profitieren, die hohe Kosten wegstecken oder vielleicht nur auf den dritten Urlaub im Jahr verzichten müssten, sei die Energiepreisbremse sozial nicht treffsicher und sollte durch gezielte Zuschüsse ersetzt werden. Aber was ist in dieser Krise gezielt? Bis das politisch definiert ist, ist der Winter vorbei. Und die Preisexplosion betrifft weite Teile der Gesellschaft.

Der Staat muss auch denen helfen, die ansonsten nicht auf ­Unterstützung angewiesen sind. Beim Heizen oder Kochen mit Gas geht es um Grundbedürfnisse. In Deutschland gibt es eine krasse Vermögensungleichheit, ­gegen die dringend etwas unternommen werden muss. Aber die Energiekrise ist dafür nicht das richtige Feld, das muss über eine gerechte Abgaben- und Steuerpolitik erfolgen. Doch da ist die Ampel leider bislang ein Totalausfall.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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16 Kommentare

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  • 6G
    657969 (Profil gelöscht)

    Was mit den 200 Milliarden passiert und wie erleichternd es für uns Verbraucher wird, muss man abwarten. Der Kommission mit Dr.Grimm, Dr. Rußwurm und Michael Vassiliadis traue ich jedenfalls zu, dass sie was Positives auf die Beine stellen.

  • Man muss einfach mal hinschauen, wer der größte Verdiener an den Energiepreisen ist (und auch vorher schon war)

    Es ist ja sicher kein Naturgesetz, dass Deutschland auch vorher schon über Jahrzehnte in der Spitzengruppe der Energiepreise für Verbraucher stand.







    Bislang wurden aus diesen schier unverschämten Gewinnen Dinge gesponsert wie die Atomkraft oder die Braunkohletagebaue. Nicht zu vergessen die Abermilliarden für den Steinkohlebergbau.

    • @Bolzkopf:

      Bei uns sponsert der größte regionale Energieversorger seine eigene Basketballmanschsft samt Millionen teurem, neuem Stadtstadion auch als Arena bekannt. Das dies die Energiekunden mal ebenso seit Jahren mitfinanzieren " dürfen " interessiert keine Wirtschaftsaufsicht/ kein Kartellamt...

  • ... und es hat Wumms gemacht.



    Das ist eine deutliche Botschaft an die BürgerInnen, dass der Staat sie in der Krise nicht allein läßt.



    Die positive Bewertung zu Beginn teile ich daher .



    Dieses Eingreifen des Staates gründet sich auf den sozialen Anspruch, den unsere Marktwirtschaft ausmacht.



    Wie wir an GB sehen, kann man ganz anders auf Krisen reagieren.



    Ich möchte behaupten, dass nur wenige von Uns jemals eine ähnliche Zeit erlebt haben, mit mindestens vier Krisensituationen .



    Dafür läuft es ganz gut.



    Natürlich kann man/frau es nicht Jedem recht machen.



    Eine " Flüchtlingskrise" die uns vor einigen Jahren lange beschäftigt hat, findet gar nicht statt.



    Scheinbar ganz nebenbei wurde eine Million Flüchtlinge aufgenommen und umgehend in die Sozialsysteme integriert. Eine im Vergleich tolle Organisation.



    Die Tatsache, dass ein Teil des Gasgroßhandels nun verstaatlicht wurde ist ebenfalls bemerkenswert.



    Der Schritt, die Gasumlage aus diesem Grund zu kippen, ist folgerichtig.



    Die Zeiten " ruhigen Fahrwassers" in der Politik sind derzeit nicht gegeben, die Ampel reagiert flexibel auf die Entwicklung.



    Die Tatsache, dass es Manchen zu schnell geht, ist eher ein individuelles Problem und weniger der guten Arbeit der Ampel geschuldet.



    Bald ist Tag der deutschen Einheit.



    Sicher kann dies rückblickend auch als Krisensituation betrachtet werden.



    Eine vergleichende Analyse der Staatsaktivitäten wäre hier mal interessant.



    Während derzeit die Bürger und Bürgerinnen im Focus stehen, bleibt Helmut Kohls "Agieren" eher als Ausverkauf der DDR Wirtschaft in Erinnerung. Massenarbeitslosigkeit wurde billigend in Kauf genommen.



    Oskar Lafontaine sprach damals davon, dass die Angleichung von Ost und West 20 Jahren dauern würde, Kohl von " blühenden Landschaften".



    Wenn sich also Meckermerzi und andere "Experten"



    zu Wort melden, sollte das katastrophale Verhalten der CDU in ähnlichen Situationen, vergleichend zu Rate gezogen werden.

  • 6G
    656279 (Profil gelöscht)

    "Der Gasverbrauch ist aktuell höher als im vergangenen Jahr. Aber es ist auch viel kälter."

    Ersteres mag sein; und dass es um diese Zeit nun kälter ist als im letzten Jahr, das mag ich subjektiv bestätigen. Ein Vorbote vielleicht auf den kommenden, dann wirklich kalten Winter.

    Und klar, eine Unterstützung jenseits der Gießkanne ist formalrechtlich schwierig. Insofern also das - mit der Gießkanne - tun, was primär arme Menschen und Geringverdiener belastet;

    die Mwst. auf Grundnahrungsmittel und andere Grundbedarfe entfallen lassen, den ÖPNV so günstig und einfach verwaltet wie mit dem 9-Euro Ticket machen, die GEZ-Gebühr deutlich senken etc.

  • Zitat:"Der Gasverbrauch ist aktuell höher als im vergangenen Jahr. Aber es ist auch viel kälter. "



    Bundesnetzagentur hat diese Grafik veröffentlicht wonach das so nicht stimmt.



    www.bundesnetzagen...__blob=poster&v=43



    sowohl Juli als auch August hatten einen höheren Gasverbrauch trotz höherer Durchschnittstemperaturen.

    • @xakos:

      Dass im Juli und August viel Gas fürs Heizen verbraucht wurde, halte ich für unwahrscheinlich.



      Kann es aber sein, dass viele Leute wegen der Inflation ihren Urlaub gestrichen und nun stattdessen 3 Wochen lang zu Hause geduscht und gekocht haben?

  • Die Preise sind so stark gestiegen weil das Angebot kleiner als die Nachfrage ist. Wenn man nun in der Breite mehr Geld auf der Nachfrageseite verteilt dürfte das kaum dazu führen, dass diese auch bedient werden kann, sondern dazu, dass sich ein neuer, noch höherer Gleichgewichtspreis bildet. Also muss die Nachfrage reduziert werden, entweder über den Marktmechanismus oder per Regulierung.

    • @Ingo Bernable:

      Deswegen wird der Deckel hoffentlich nur für den Grundbedarf gelten. Alles darüber hinaus wäre dann natürlich umso teurer.



      Ob Geringverdiener in schlecht isolierten Altbauten da so sehr von profitieren, wage ich allerdings noch zu bezweifeln. Die 80% Lösung wäre wahrscheinlich die sozial effektivste. Könnte aber rechtlich schwierig umzusetzen sein.

      • @Herma Huhn:

        In den schlecht isolierten Altbauten in Berlin( Neukölln, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Schöneberg, Charlottenburg) wohnen vor allem die Gutverdiener. Die Geringverdiener leben vor allem in Spandau ( HeerstrNord, Falkenhagener Feld, Siemensstadt), Gropiusstadt, Märkisches Viertel und in den Plattenbauten im Osten. Diese Häuser wurden in den späten 60er und 70er Jahren gebaut und sind oft besser isoliert, ( nachisoliert in 2010) als die Altbauten, es trifft eben meist die gut Verdienenden, die es sich leisten können und die für den Charm ihrer Kietze kämpfen. Aussendämmung geht gar nicht da Denkmalschutz, Innendämmung geht auch nicht da Wohnraumverkleinerung und zu komplizierten, neue Isolierfenster geht auch nicht da zu teuer und Kunststoff.



        Mein Vorschlag: Mindesttemperatur auf 17*C festschreiben.

      • @Herma Huhn:

        Sinnvoll ist die 80% Lösung nicht - warum sollte der alleinstehende Villenbesitzer mit Sauna & Außenpool 80000 kWh von seinen vormals 100000 kWh subventioniert bekommen?

        • 3G
          31841 (Profil gelöscht)
          @Navitrolla:

          Ein allgemeiner Gaspreisdeckel für Privatverbraucher, der sich prozentual am bisherigen Verbrauch orientiert, könnte dazu führen, dass Verbraucher, die bisher extrem gespart haben und ihren Verbrauch nicht wesentlich weiter mindern können, deswegen ihren unvermeidbar über der Prozentgrenze liegenden Verbrauch ohne Entlastung bezahlen müssen.



          Für die würde es nun in Relation zu anderen, die nicht gespart haben, teurer. Die bisher viel verbraucht haben, haben noch Spielraum für Verbrauchsreduktion und bekommen den gedeckelten Preis für einen Bedarfsumfang, für den die Sparsamen noch drauf zahlen.

          • @31841 (Profil gelöscht):

            Stimmt, da (bei den bisherigen Sparern und den Reicheen altbaubewohnern) habe ich tatsächlich nicht alle Fakten bedacht.



            Dann wohl doch lieber eine Grundenergiemenge pro Person. Plus Antragsmöglichkeiten für Härtefälle

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Bei einem Preisdeckel nach absoluten Verbrauchsmengen kann es dazu kommen, dass diejenigen, die schon seither gespart haben und deren Verbrauch niedriger ist als das preisgedeckelte Kontingent, nicht zu einer relativen Entlastung kommen, weil sie unter der Bemessungsgrenze liegen. Für diese Kunden sollte daher die prozentuale Bemessung nach ihrem voran gegangenen Verbrauch angewendet werden.



    Eine allgemeine prozentuale Entlastung nach dem bisherigen Verbrauch würde die Verschwender verhältnismäßig besser bedienen.



    Ich erwarte natürlich nichts dergleichen. Wer rechnet schon mit Gerechtigkeit, während alle damit rechnen, dass die atomwaffengeschützte Freiheit vom Finanzministerium aus verteidigt wird.

    • @31841 (Profil gelöscht):

      Gerade ärmere Menschen leben aber oft in schlecht gedämmten Häusern. Schon alleine deshalb vernietet sich die Deckelung nach absoluten Mengen. Sonst bekommen diejenigen, die sich viel Energie und viel Dämmung leisten können ihren gesamten Verbrauch bezahlt und die anderen mit weniger Optionen schauen in die Röhre.

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @31841 (Profil gelöscht):

      Sorry, war nicht schlüssig gedacht ;.(