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Energiepolitik in TaiwanWind machen gegen China

Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus dem Ausland gefährdet die Sicherheit des Inselstaats. Die Opposition liebäugelt mit Atomkraft.

Beim Windkraftausbau gibts noch Potenzial: Gaomei Wetlands in Taichung Foto: Wiktor Dabkowski/Zuma Press/imago

Berlin taz | In Taiwan hat der chinakritische William Lai von der Demokratischen Fortschrittspartei DPP die Präsidentschaftswahl klar gewonnen. In der Energie- und Klimapolitik dürfte sich damit der bisherige Kurs seiner Partei fortsetzen, die bereits seit acht Jahren das Präsidentenamt besetzt: Sie will die grüne Energie deutlich ausbauen. Regieren dürfte gleichwohl schwieriger werden, da die Mehrheit der DPP im Parlament verloren ging. Probleme mit einer zentralen Abhängigkeit vom Ausland gibt es schon jetzt.

Taiwans Achillesferse ist die fossile Energie. Mehr als 97 (!) Prozent des Energiebedarfs kommt aus Übersee. Strom stammt zu mehr als 80 Prozent noch immer aus klimaschädlichen Brennstoffen. Der Knackpunkt: Die Insel muss Kohle, Öl und Gas auf dem Seeweg in der Taiwanstraße einführen. Das macht sie nach Ansicht von Ex­per­t*in­nen besonders anfällig für Störungen.

Immerhin 63,6 Millionen Tonnen Kohle hat Taiwan 2022 importiert, vor allem aus Australien und Indonesien. Beträchtliche Mengen an Kohle und Gas stammen laut Statistischem Jahrbuch auch aus Russland – ein Staat, der im Falle einer Blockade wohl zu China halten würde. Die Volksrepublik betrachtet die Insel vor ihrer Südküste als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Intervention.

„Bereits Chinas Marineübungen rund um Taiwan könnten die Versorgungslinien für einen begrenzten Zeitraum beeinträchtigen oder abschneiden“, schreibt Eugene Chausovsky, Analyst vom US-Thinktank New Lines Institut, im Magazin Foreign Policy. Selbst eine begrenzte Blockade der Taiwanstraße könnte laut Chausovsky für die Insel verheerend sein. Die Energiebehörde, Teil des Wirtschaftsministeriums in Taipeh, hat berechnet, dass die Vorräte bei Erdgas derzeit nur für 11 Tage und bei Kohle für 39 Tage reichen. Beim Öl wären es demnach immerhin 146 Tage.

Sorgen der Chip-Industrie

Der wachsende Hunger nach Energie im Land dürfte die Lage indes noch verschärfen. Die nicht nur für Taiwans Wirtschaft, sondern auch global wichtige Chip-Industrie klagt schon jetzt über Netzausfälle. Das größte Halbleiter-Unternehmen TSMC verschlingt allein mehr als 6 Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Landes. Halbleiter stecken in jedem Computer und Smartphone. Etwa 90 Prozent der weltweiten Spitzenfertigung stammen aus Taiwan.

Die Klimakrise selbst wird ebenfalls zur Gefahr. 2021 sorgte eine Dürre für Exportausfälle der Chip-Unternehmen. Diese benötigen zur Produktion viel Wasser. „Die Folge war der Zusammenbruch der globalen Lieferketten“, berichtet die Ökonomin Alicia Garcia Herrero. Sie forscht zur Halbleiterindustrie und bekräftigt, Taiwan sei „gefangen in der Abhängigkeit fossiler Energie – mangels einer wirklich besseren Option“.

Die Regierung in Taipeh hat das klima- und geopolitische Bedrohungspotenzial erkannt. Der Plan bis 2025 lautet: 20 Prozent Erneuerbare im Strommix, 30 Prozent Kohle, 50 Prozent Erdgas­ und 0 Prozent Atomstrom. Bis 2050 soll die Insel klimaneutral sein. Doch der Grünstrom allein kann es kaum richten: Der Ausbau von Solar- und Windkraft hinkt den angepeilten Zielen bereits hinterher. Einem Bericht des Wirtschaftsministeriums zufolge dürften bis 2025 tatsächlich nur gut 15 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt werden. Ende 2023 waren erst 8,9 Prozent erreicht.

Anders als in Deutschland gibt es in Taiwan keine großen Umwelt- oder Wirtschaftsverbände, die die Klimawende pushen

Umstrittene grüne Projekte

Gründe für die schleppende Energiewende gibt es viele. Gebiete für Windräder oder Solaranlagen sind umkämpft. Mal sind es Bedenken von Fi­sche­r:in­nen oder Umweltrisiken von Windanlagen im Meer. An Land verhindern meist Konflikte um Agrarflächen die Freiland-Photovoltaik. Einmal war es der Gebietsanspruch Indigener, die nicht gefragt worden waren, als ein Projekt geplant wurde. Hinzu kommt: Laute Klimaschutzforderungen als Treiber von Politik und Wirtschaft gibt es in Taiwans junger Demokratie kaum. Anders als in Deutschland existieren keine großen Verbände, die die Klimawende pushen.

„Die Herausforderung ist: Es gibt viele NGOs, aber sie sind unglaublich zersplittert“, berichtet Raoul Kubitschek. Als Energieberater kennt er sich aus mit den Hürden der Energiewende. Laut ihm erschweren die Trendwende zusätzlich „ein zu niedriger Strompreis und schlecht isolierte, stark klimatisierte Wohnungen“. Manch ausländischer Investor bedenke auch die Gefahr eines möglichen chinesischen Angriffs auf die Insel.

„100 Prozent Erneuerbare sind unter Taiwans Voraussetzungen nicht realistisch“, sagt Kubitschek. Der Volkswirt leitet das Taipeh-Büro der Ingenieursfirma Niras, die ausländischen Energieunternehmen hilft, in Taiwan zu investieren. „Taiwan hat sehr gute Windbedingungen aufgrund der Taiwanstraße. Zurzeit sind 5,5 Gigawatt bis 2025 schon erteilt.“ Nur mit On- und Offshore-Wind und Solarkraft sei die Versorgung aber nicht zu machen. „Es geht darum, eine Grundversorgung herzustellen. Also müssen weiter Gaskraftwerke benutzt werden.“

Die Halbleiterbranche plädiert dafür, auch auf Atomkraft zu setzen. Zwar ist der Ausstieg bis 2025 beschlossene Sache. Nukleare Energie macht aber noch 6,3 Prozent der Stromerzeugung aus. Die chinafreundlichere Nationalpartei KMT hatte im Wahlkampf auch für den Bau neuer AKW geworben, um den Energiebedarf des Landes zu decken.

Neue Atomdiskussion

Die Regierungspartei DPP dagegen erteilt dem eine Absage. Auch Brennstäbe müssten wieder aus dem Ausland importiert werden, heißt es. Für die unabhängige Energieversorgung wäre so nichts gewonnen. Und auch die Endlagerfrage ist in Taiwan ungeklärt. Kubitschek glaubt, dass der Atomausstieg ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen ist. Pro­vinz­po­li­ti­ke­r*in­nen würden den Bau neuer AKW nicht zulassen.

Bleibt Taiwan nur, doch alle Anstrengungen in Erneuerbare zu investieren. Denn die Wirtschaft gerät auch indirekt zunehmend unter Druck. Zwar ist Taiwan auf Betreiben Chinas nicht Teil internationaler Klimaverträge. Doch westliche Unternehmen wollen ihre Lieferketten mit Ökostrom versorgt sehen. Apple fordert seine Zulieferer auf, bis 2030 klimaneutral zu sein. Weil der US-Konzern ein wichtiger Chip-Abnehmer ist, schärfe das durchaus die Transformationsnot der Industrie, meint Kubitschek.

Hoffnung macht dem Firmenberater, dass die Tai­wa­ne­r:in­nen „aus Fehlern lernen“, etwa bei vergangenen Ausschreibungen. Im Netzausbau gebe es viel Potenzial, ebenso im Offshore-Wind. Sprich: Taiwan muss Wind machen, um das zu bleiben, als was es viele Menschen liebevoll bezeichnen: eine grüne Insel.

Transparenzhinweis: Die Recherche für diesen Artikel wurde im Rahmen einer Pressereise von Journalist Network e.V. nach Taiwan durchgeführt.

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1 Kommentar

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Die Landmasse ist zu 55 % von Wäldern bedeckt (überwiegend im Gebirge), die landwirtschaftlich genutzte Fläche nimmt 24 % ein, weitere 5 % werden als Weideland genutzt" (Wikipedia) und die Bevölkerungsdichte beträgt 642 Einw./km².

    Das ergibt 451 m2 nicht bewaldete Freifläche für jeden Taiwaner. Würde ein Zehntel davon mit Solarparks bedeckt - zusätzlich zu Dachanlagen - mit 150 Watt/qm Solarparkfläche und 1400 Vollaststunden, ergäbe das eine Stromerzeugung von 9.500 kWh jährlich für jeden Einwohner. 2018 wurden 276 Mrd. kWh Strom erzeugt, das sind ca. 9.000 kWh je Einwohner. So würde das also aufgehen.

    Am Platzbedarf von Solarparks kann eine Vollversorgung Taiwans mit erneuerbaren Energien also nicht scheitern. Natürlich sollten mehrere Schritte kombiniert werden: Solar auf Dächern und über Parkplätzen, Solar in Freiflächen, Windenergie an Land und v.a. an See, energieeffizientere Gebäude, Importe von Grünem Wasserstoff aus Flächenländern, vielleicht Beibehaltung der Kernenergie für eine Übergangszeit.