piwik no script img

Energiepolitik in KlimakriseGriechen setzen auf Braunkohle

Die griechische Regierung reagiert auf die hohen Preise für Erdgas und Öl mit einer Rückkehr zur Braunkohle. Aus dieser wollte sie schnell aussteigen.

Klassische griechische Tagebaulandschaft bei Florina Foto: Vasilis Verve/mauritius images

Athen taz | Griechenlands Pläne waren äußerst ambitioniert: Schon bis 2023 wollte die dortige Regierung beinahe alle Braunkohlekraftwerke abschalten, um die Energiewende schneller als anderswo in Europa voranzutreiben. Doch jetzt setzt Hellas wieder voll auf die so verpönte wie im eigenen Land reichlich vorhandene Braunkohle.

Dabei waren die riesigen Schaufelradbagger schon in Einzelteile zerlegt, die Förderbrücken- und bänder bereits demontiert. Doch nun werden sie wieder fit für den Einsatz gemacht. In den drei griechischen Braunkohlerevieren mit ihren Tagebauen im nordgriechischen Kozani und Florina sowie im Ort Megaloupoli auf dem Peloponnes herrscht wieder Hochbetrieb.

Griechischen Medienberichten zufolge habe die griechische Stromregulierungsbehörde RAE eine Studie darüber anfertigen lassen, wie sicher der Energiebedarf im kommenden Winter gedeckt werden könnte. Ergebnis: Insbesondere in den kalten Monaten Dezember bis Februar sei es nicht sicher, ob der Energiebedarf in Schlechtwetterperioden gedeckt werden könne. Dies liege zum einen an der steigenden Nachfrage nach Energie. Vor allem aber bereiten auf der Angebotsseite die auf den Weltmärkten explodierenden Energiepreise insbesondere für Öl und Gas den Griechen Sorge. Denn diese Energieträger muss Griechenland importieren.

Sonnen- und Windenergie sind aber zum einen noch nicht ausreichend ausgebaut. Außerdem sind diese Energiequellen im Winter selbst in Griechenland nicht so ergiebig. So setzen die Behörden in Athen wieder auf die Braunkohleförderung. Der fossile Energieträger ist zwar mit Blick auf Umwelt und Klima schmutzig, dafür aber – kurzfristig gedacht – spottbillig. Zudem gibt es Braunkohle in Griechenland im Übermaß. Noch 2018 belegte das Land mit einer Fördermenge von 36,1 Millionen Tonnen den weltweit zwölften Platz. In der EU rangierte es damit hinter Deutschland (166 Millionen Tonnen), Polen (58 Millionen Tonnen) sowie Tschechien (39 Millionen Tonnen) auf Platz vier.

Die Wirtschaft geht vor

Die seit dem Juli 2019 im Amt befindliche Regierung unter dem konservativen Premier Kyriakos Mitsotakis will zwar die Energiewende vorantreiben. Bereits 2023 sollen bis auf eine Ausnahme alle heimischen Braunkohlekraftwerke abgeschaltet sein. Ein letztes, im Bau befindliches Kraftwerk soll noch bis Ende 2024 mit Braunkohle Strom produzieren, um dann auf Erdgas zur Energieerzeugung umgerüstet zu werden.

Laut dem Nationalen Energie- und Klimaplan (ESEK/NECP) sollen die Treibhausgasemissionen des gesamten Energiesektors in Griechenland so bis 2050 auf null sinken. Das griechische Parlament schärfte Anfang 2021 dafür das Klimaschutzgesetz noch einmal nach. 2030 sollen nun 67 Prozent statt wie bisher geplant 61 Prozent des verbrauchten Stroms aus regenerativen Quellen stammen. Bislang liefern diese knapp unter 30 Prozent des Stroms.

Dafür spielt Erdgas eine immer größere Rolle. Seit 2014 ist der Anteil von Erdgas am griechischen Strommix von 13 auf 42 Prozent im August 2021 in die Höhe geschnellt. Doch Erdgas ist nun plötzlich teuer; und so ist auch in Griechenland die günstige, im Inland reichlich vorhandene Braunkohle wieder buchstäblich heiß begehrt.

So bricht die Regierung Mitsotakis ihren Vorsatz, die Energiewende in Griechenland im Eiltempo voranzutreiben. Nun gilt in Athen plötzlich: „Zuerst die Wirtschaft, dann die Umwelt.“ Mitsotakis und Co. wollen nicht riskieren, dass nach dem besonders in Griechenland schlimmen wirtschaftlichen Einbruch im ersten Coronajahr 2020 nun der wieder eingesetzte Aufschwung an Fahrt verliert oder sogar in Gefahr gerät.

Erst kürzlich korrigierte das griechische Statistikamt (Elstat) den Rückgang der griechischen Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr nach unten, auf nun 9,0 Prozent. Zuvor war sie von einem Rückgang des griechischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 8,2 Prozent ausgegangen.

Nichts hält länger als ein Provisorium

Der plötzlichen Kehrtwende in Sachen Braunkohle zum Trotz: Umwelt- und Energieminister Kostas Skrekas beteuert derweil, dass Griechenland an der Abkoppelung von der Braunkohle festhalte. Ferner verweist er darauf, dass die griechische Regierung 400 Millionen Euro zur Unterstützung der griechischen Privathaushalte und Unternehmen angesichts der auch hierzulande steigenden Stromrechnungen bereitstelle. Falls nötig, würde dieser Betrag aufgestockt, so der Minister. Der Atomkraft erteilte Premier Mitsotakis jedenfalls erst kürzlich auf dem EU-Gipfel in Brüssel eine klare Absage. In Griechenland wird es so wie bisher kein einziges Atomkraftwerk geben.

Bleibt die Frage, ob die Rückkehr zur Braunkohle in Griechenland nur vorübergehend ist. Ein griechischer Spruch besagt jedenfalls: „Ouden monimotero tou prosorinou“ („Nichts ist dauerhafter als das Vorübergehende“).

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Soweit der EU-Emissionshandeltl funktioniert, steigen die CO2-Preise, wenn Griechenland mehr Braunkohle nutzt, und dann werden anderswo Kohlekraftwerke früher ausgestellt, oder z.B. in Griechenland selbst der Wechsel zu erneuerbaren Energien beschleunigt.

    Allerdings besagen die Erfahrungen, dass auf hohe CO2-Preise eher mit zusätzlichen bzw. weniger verknappten Zertifikaten geagiert wird.

  • Griechenland darf auch für die nächsten 17 Jahren Braunkohle nutzen... oder nicht?

    Der Kohleausstieg in Deutschland kommt - bis zum Jahr 2038 soll der komplette Ausstieg aus der Kohle in Deutschland abgeschlossen werden. Im Jahr 2020 wurden noch rund 107 Millionen Tonnen Braunkohle in den Tagebauen der vier Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gefördert. Von Rekordwerten - mit mehr als 430 Millionen Tonnen in den 1980er Jahren - ist die kumulierte Braunkohleförderung in Deutschland schon heute weit entfernt.

    de.statista.com/st...schland-seit-1990/

  • "Außerdem sind diese Energiequellen im Winter... nicht so ergiebig."



    Ah, endlich merkt's mal jemand.



    "So setzen die Behörden in Athen wieder auf die Braunkohleförderung."



    Könnte zum Vorbild für D werden, wenn weiter unbedacht Emissionen in den Stromsektor verschoben werden.

  • Die Regierung räumt weniger der Wirtschaft gegenüber der Umwelt Vorrang ein, sondern vielmehr den sozialen Belangen. Bereits in der Vergangenheit konnten sich viele Haushalte das Heizen nicht leisten, jetzt droht die Lage zu eskalieren. Die meisten Deutschen haben gar keine Vorstellung davon, wie kalt es im Winter in einer schlecht gedämmten und unbeheizten Wohnung in GR werden kann. Weil sie sich das Heizöl nicht leisten konnten, haben während der Krise viele mit ihren Klimaanlagen geheizt, weil Strom günstiger war. Oder sie haben in Kaminen und improvisierten Öfen alles Brennbare verheizt. Athen lag dann bei ungünstigen Windlagen unter einer toxischen Smoghaube. Dank explodierender Preise bei den fossilen Energieträgern droht nun eine Wiederholung dieses Szenarios, diesmal allerdings ohne die mit günstigen Strom betriebene Klimaanlage als Notlösung.

  • Die Regierung räumt weniger der Wirtschaft gegenüber der Umwelt Vorrang ein, sondern vielmehr den sozialen Belangen. Bereits in der Vergangenheit konnten sich viele Haushalte das Heizen nicht leisten, jetzt droht die Lage zu eskalieren. Die meisten Deutschen haben gar keine Vorstellung davon, wie kalt es im Winter in einer schlecht gedämmten und unbeheizten Wohnung in GR werden kann. Weil sie sich das Heizöl nicht leisten konnten, haben während der Krise viele mit ihren Klimaanlagen geheizt, weil Strom günstiger war. Oder sie haben in Kaminen und improvisierten Öfen alles Brennbare verheizt. Athen lag dann bei ungünstigen Windlagen unter einer toxischen Smoghaube. Dank explodierender Preise bei den fossilen Energieträgern droht nun eine Wiederholung dieses Szenarios, diesmal allerdings ohne die mit günstigen Strom betriebene Klimaanlage als Notlösung.

  • Nur Griechenland?

    Braunkohle erlebt weltweit gerade ein monströses Comeback. Vor allem Süd-Amerika (Columbien) Asien und vor allem Australen fördern und verstromen Rekordmengen. Darum sollte sich FFF mal kümmern.