Endlos-Verfahren gegen Neonazis: Prozess-Posse, die dritte

Seit Jahren wird das Verfahren gegen das Neonazi-„Aktionsbüro Mittelrhein“ sabotiert. Nun startet die Neuauflage. Und die Regierung reagiert.

Angeklagter Neonazi vor Gericht

Angeklagter in der zweiten Auflage des „Aktionsbüro“-Prozesses im Oktober 2018 Foto: dpa

BERLIN taz | Es ist der dritte Anlauf, der am Dienstag im Saal 128 des Landgerichts Koblenz startet: Wieder wird dann ein Prozess gegen das recht­sextreme „Aktionsbüro Mittelrhein“ eröffnet. Und wieder beginnt das Bangen: Wird es diesmal zu einem Urteil kommen?

Das Verfahren ist schon jetzt eine legendäre Farce. Bereits vor sechseinhalb Jahren, im August 2012, begann der erste Prozess gegen die Neonazi-Bande. Im „Aktionsbüro Mittelrhein“ hatten sich mehrere rechtsextreme Kameradschaften zusammengeschlossen, ihre Zentrale lag im „Braunen Haus“ in Bad Neuenahr (Rheinland-Pfalz). Die Neonazis sollen Linke attackiert, Hakenkreuze gesprüht, Brandanschläge auf Autos verübt und einen Angriff auf ein alternatives Hausprojekt in Dresden-Löbtau begangen haben. Es folgte eine Großanklage gegen 26 Angeklagte, rund 1.000 Seiten stark – und ein erster Endlosprozess.

337 Prozesstage verhandelte das Oberlandesgericht Koblenz, bis zum Mai 2017 – oder versuchte es. Denn die Verteidiger legten mit mehr als 500 Befangenheits- und 240 Beweisanträgen den Prozess lahm. Angeklagte erschienen in „Braun ist Trumpf“-Pullover, meldeten sich krank, einmal wurde eine Stinkbombe gezündet. Am Ende ging der Vorsitzende Richter in Rente – der Prozess platzte.

Auch ein zweiter Anlauf im Herbst 2018 scheiterte. Schon nach zwei Tagen wurde der Prozess ausgesetzt: Das Gerichtspräsidium und die verhandelnden Richter stritten, ob die richtige Kammer den Prozess führe.

Nun startet Versuch Nummer drei. Wieder gibt es eine dicke Anklage, 926 Seiten stark. Die Vorwürfe lauten auf Bildung einer kriminellen Vereinigung oder Körperverletzungen. Beschuldigt sind nun nur noch 13 Rechtsextreme, darunter Sven Skoda, Bundeschef der Splitterpartei „Die Rechte“. Die Verfahren gegen die anderen einst Angeklagten wurden abgetrennt oder eingestellt.

„Exzessive Konfliktverteidigung“

Schon jetzt ist das Verfahren eines der längsten in der Bundesrepublik, länger noch als der NSU-Prozess. Günter Krings, Staatssekretär von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), nannte ihn kürzlich als Beispiel, wie Verfahren „durch Konfliktverteidigung exzessiv in die Länge gezogen“ würden. Prozesse aber dürfen nicht „undurchführbar“ werden. Darunter leide das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Union und SPD einigten sich bereits im Koalitionsvertrag darauf, Strafverfahren zu straffen. So sollen „missbräuchliche“ Befangenheits- und Beweisanträge leichter abgelehnt, Besetzungsrügen schon vor Prozessbeginn entschieden werden können. Schon seit Monaten wurden entsprechende Eckpunkte für einen Gesetzentwurf im Haus von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) erarbeitet. Nach taz-Informationen will sie diese nun am Dienstag final mit Seehofer abstimmen. Größere Hürden gebe es nicht mehr, heißt es. Eine Sprecherin Barleys sagte, der Gesetzentwurf werde „noch in diesem Jahr vorgelegt“.

Im neuen „Aktionsbüro“-Prozess hilft das also vorerst nicht. Und dort sind erneut Verzögerungen zu erwarten. Die Vorwürfe seien „unhaltbar“, beklagen die Neonazis. Der Prozess sei ein „Skandal“. Das Gericht hat bereits Termine bis Dezember angesetzt. Vorerst.

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