piwik no script img

Endlich Schengen-BeitrittRumänien und Bulgarien können dazu

Der österreichische Innenminister Karner hat sein Veto aufgehoben. Experten sahen in der Blockade von Anfang an einen diplomatischen Fehler.

Innenminister Gerhard Karner hebt das österreichische Veto auf

Wien taz | Bulgarien und Rumänien können 2025 vollständig dem grenzkontrollfreien Schengen-Raum beitreten. Das beschlossen die 27 Mitgliedstaaten in Brüssel einstimmig. Damit werden die verpflichtenden Grenzkontrollen an den EU-Grenzen von Rumänien und Bulgarien bald wegfallen.

Zwei Jahre lang hatte Österreich den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens blockiert. Anfänglich noch gemeinsam mit den Niederlanden, dann als einziges EU-Mitgliedsland. Nun hat der österreichische Innenminister Gerald Karner (ÖVP) sein Veto im EU-Ministerrat endlich aufgehoben.

Die Erleichterung in den beiden Ländern ist groß, doch fragen sich viele, warum dieser Schritt erst jetzt kommt. Immerhin bestätigt die Europäische Kommission seit 2011, dass beide Länder die Anforderungen für einen Beitritt in die Schengenzone erfüllen. Alle anderen 26 EU-Staaten befürworten die Aufnahme.

Schon im Sommer 2023 zeigte sich, wie isoliert die österreichische Regierung in dieser Frage war. Bei einer Resolution stimmten 526 EU-Abgeordnete für die Aufnahme, nur 57 dagegen. Schengen sei eine der „spürbarsten Errungenschaften der europäischen Integration“, heißt es im Abstimmungstext. Zahlreiche Expert:innen, selbst Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen kritisierten die Blockade der österreichischen Regierung.

Nicht mehr als ein PR-Stunt

Diese hatte sich, so vermuten viele Beobachter, aus innenpolitischen Gründen gegen die Aufnahme gesperrt. Kurz nach Bekanntgabe des Vetos fanden Landtagswahlen in Niederösterreich statt, dem für die konservative ÖVP wichtigsten Bundesland. Die Partei hatte mit großen Verlusten zu rechnen, daher wollten sie, so scheint es, mit der Blockade Sympathisanten der rechtsradikalen FPÖ an sich ziehen. Nichtsdestotrotz verloren sie die Mehrheit im Landtag.

Vor einem Jahr hatte Österreich unter großem Getöse „Schengen Light“ für Rumänien und Bulgarien verkündet. Gemeint war mit diesem PR-Begriff das Ende von Grenzkontrollen bei Flugreisenden aus diesen Ländern. Diese spielen aber eine nur untergeordnete Rolle.

Viel bedeutsamer war und ist die Einreise auf dem Landweg. Zahlreiche österreichische Firmen sind in den beiden Ländern engagiert. Rund 150.000 Rumänen und etwa 40.000 Bulgaren leben in Österreich. Wer seine Heimat besuchte, hatte mit stundenlangen Wartezeiten an den Grenzen zu kämpfen – am Ende auch ein beträchtlicher wirtschaftlicher Schaden.

Warum nun doch der Sinneswandel? Aus Sicht des Innenministeriums hat sich die Lage beim Außengrenzschutz seitdem deutlich verbessert. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte seien in Rumänien und Bulgarien um etwa die Hälfte zurückgegangen, auch in Österreich kam es zu weniger Aufgriffen. „Ohne dieses Veto wäre diese massive Reduktion nicht gelungen. Unsere Forderungen werden ernst genommen“, sagte Innenminister Gerald Karner (ÖVP).

Migrationskommissar beeinflusste ÖVP

„Man hätte den Druck freilich auch anders ausüben können“, sagt Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Statt eines kompletten Vetos wären temporäre Grenzkontrollen der diplomatisch klügere Weg gewesen. Auffällig sei bei der damaligen Entscheidung gewesen, Ungarn auszublenden, obwohl illegale Migration nach Österreich zwangsläufig über ungarisches Territorium erfolgen müsse.

Die von vielen Experten kritisierte Blockade habe in Rumänien und Bulgarien zudem das Gefühl verstärkt, „Europäer zweiter Klasse“ zu sein. Dies sei angesichts der ohnehin instabilen politischen Lage in beiden Ländern gefährlich und könne radikalen Kräften in die Hände spielen.

Die jetzige Kehrtwende erklärt er mit einem Ende der innenpolitischen Verwertbarkeit kurz nach den letzten Nationalratswahlen. Aber auch mit dem neuen EU-Migrationskommissar Magnus Brunner, der aus den Reihen der ÖVP stammt. Er dürfte, vermutet Schmidt, hinter den Kulissen die innerparteilichen Weichen gestellt haben.

Die Grenzkontrollen werden voraussichtlich ab dem 1. Januar abgeschafft. Stichprobenkontrollen sollen aber noch bis zum 1. Juli durchgeführt werden, so die Entscheidung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Im Grunde bin ich ja "pro Europa"/"pro Schengen", - bei den beiden neuen Kandidaten habe ich da so meine Zweifel.



    Wir haben uns mit Ungarn, der Slowakei bereits Läuse in den Pelz gesetzt und nur aus ökonomischen Gründen der Wirtschaft ständig den Weg zu bereiten ist auch nicht richtig.



    Ausgetechnet diese beiden Kandidaten sind für ihre hohe Kriminalitäts-Raten bekannt - und das wird nun mit Freizügigkeit gefördert?

  • Goldene Zeiten für Schlepper brechen an

    • @Heinz Müller:

      Wieso?



      Die haben doch vorher einen Job gehabt: den Lastwagen mit Stehplätzen ab Sofia nach Wiener Neustadt teuer zu verkaufen. Der dürfte deutlich im Preis fallen.



      EU-Bürgers haben grundsätzlich sowieso Freizügigkeit.



      Da das System von wieder aufwendigen Grenzkontrollen "für die Galerie" und auf dem Rücken von Lastwagenfahrern und der Polizei flankiert ist, weiß ich auch nicht, was sich tatsächlich entwickelt.

  • An Schengen hängt schon viel anderes mit. Und Österreich hat das Recht, auch Nein zu sagen. Es sollte halt nur auch starke Gründe nennen können, wenn man nachfragt.