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Endlager für AtommüllVon einem Extrem ins andere

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Es ist keine Überraschung, dass sich die Entscheidung für einen Endlagerstandort weiter verzögert. Das geplante Jahr 2031 war nie realistisch.

Atommüll-Zwischenlager in Gorleben: Auch das Zieljahr 2046 dürfte noch optimistisch sein Foto: Sina Schuldt/dpa

S eptember 1988: Die Endlagergesellschaft der Schweiz, die Nagra, beginnt in Siblingen im Kanton Schaffhausen mit Sondierbohrungen und lädt wegen der Grenznähe auch deutsche Journalisten ein. Geologen präsentieren die ersten Bohrkerne aus dem Kristallingestein, geben sich offen in der Kommunikation und erscheinen vor allem wissenschaftlich getrieben. Sie machen klar, dass man für ein solches Projekt Zeit braucht. Viel Zeit.

Nun, ganze 34 Jahre später, hat die Schweiz den endgültigen Standort für ein Tiefenlager beschlossen. Das ist insofern interessant, weil Deutschland seit Jahrzehnten den Eindruck erweckt, einen vergleichbaren Prozess in deutlich kürzerer Zeit über die Bühne bringen zu können: Vom Beginn des Auswahlverfahrens bis zur Standortentscheidung sollten rund 13 Jahre ausreichen. Das konnte nicht klappen; nun ist klar, dass sich die Entscheidung weiter um Jahre verzögern wird.

Aber es war den jeweils Regierenden egal. Es ging ihr beim ursprünglichen Termin 2031 darum, Handlungsfähigkeit zu zeigen, nachdem das Fiasko um den einst willkürlich aus dem Hut gezauberten Standort Gorleben viel Vertrauen in die deutsche Atompolitik zerstörte. So fiel man von einem Ex­trem ins andere: Jahrzehntelang hatte sich die Politik an einem untauglichen Standort verkämpft, jetzt sollte in wenigen Jahren ein solides Verfahren nachgeholt werden, wie es andernorts – siehe Schweiz – Jahrzehnte dauert.

So führen die neuen Terminschätzungen auf den Boden der Realität. Trotzdem bleibt offen, wann tatsächlich ein Standort benannt werden kann. Denn neben allen geologischen Erwägungen bleibt eine weitere Frage: Welcher Politiker hat eigentlich Interesse daran, das Verfahren zum Ende zu bringen? Wäre doch jeder, der eine Standortentscheidung zu vertreten hätte, in der betroffenen Region – die Erfahrung aus Gorleben lässt grüßen – erheblicher Kritik der Wähler ausgesetzt.

Welche Dynamik diese politischen Aspekte im weiteren Auswahlprozess entwickeln werden, ist nicht absehbar. Von daher dürfte auch das Zieljahr 2046 noch sehr optimistisch sein.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Was mich irritiert ist, dass von Endlager gesprochen wird, aber für welche radioaktiven Abfälle genau?



    Schacht Konrad ist für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle vorgesehen.

    Im Opalinuston in der Schweiz also für hochradioaktive Substanzen?

    • @Herry Kane:

      Es braucht für alle radioaktiven Abfälle Endlager. Allerdings sind die Anforderungen für die Endlagerung von hochradiokativem Material naheliegenderweise höher.

      • @Ingo Bernable:

        Das war nicht meine Frage!



        Wo soll das Endlager für hochradioaktive Abfälle künftig sein?

  • Wozu überhaupt ein Endlager ?



    Das entspricht der Entsorgungsmentalität von Steinzeitmenschen, die für ihren Abfall ein tiefes Loch suchten, um ihn nach dem Hineinwerfen und Verscharren zu vergessen.



    Dabei hält Zugänglichkeit die Option der Wieder- oder Weiterverwertung mit neuen Methoden offen.



    Aber das paßt ja nicht zur Schlußstrich,Mentalität, die in Deutschland im Bereich Atomkraft Mainstream ist.

    • @Don Geraldo:

      Welche Wieder- und Weiterverwertungsmethoden wurden denn in den letzten 10.000 Jahren für die Inhalte paläolithischer Abfallgruben entwickelt? Mit der Zugänglichkeit steigt eben auch das Risiko, dass sich Menschen Zugang verschaffen die das Wissen um die Gefährlichkeit dieser Stoffe eben nicht mehr haben oder es so ernst nehmen wie die heutige Archäologie die Warnungen und Bannsprüche an antiken Gräbern und dann eine Freisetzung verursachen.

      • @Ingo Bernable:

        Dann informieren Sie sich mal, wieviele Deponien für chemischen Sondermüll in den 70er Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts geplant wurden.



        Und obwohl seinerzeit der Müllnotstand propagiert wurde, konnten viele dieser Deponien durch örtliche Bürgerinitiativen verhindert werden. Und dennoch gab es keinen Müllnotstand, weil die chemische Industrie diesen Müll als Rohstoff entdeckt hat.



        Deshalb gibt es keine Endlager mehr für solche Stoffe. Wenn sie aktuell nicht verwertet werden können, werden sie so gelagert, daß sie jederzeit zugänglich sind.

        • @Don Geraldo:

          Die Verwertungsquote von gefährlicher Abfälle liegt (offiziell) bei gerade mal 65%. Die Idee, dass es sowas wie Müll ja gar nicht gäbe, sondern nur durchweg wertvolle Rohstoffe mag ja in der Theorie ganz nett sein, in der Praxis, zumal mit Substanzen wie sie in bestrahlten Brennelementen zu finden sind, und einer ungewissen, aber nach gegegenwärtiger Prognose eher düsteren Zukunft, ist sie aber eine höchst gefährliche.



          www.umweltbundesam...efahrliche-abfalle

  • Endlagesuche also (stand heute) ggf. bis 2068. Wenn man dann noch berücksichtigt, dass Bau und Einlagerung auch noch mit rund 50 Jahren veranschlagt sind, stellt sich angesichts der voranschreitenden Klimakatastrophe allmählich die Frage ob die BRD noch lange genug existieren wird um ihre radioaktiven Hinterlassenschaften halbwegs sicher unter die Erde zu bekommen.

  • Jetzt rächen sich mit unbarmherziger Härte die Fehler der Vergangenheit.

    Und diese Fehler lagen schon bei Inbetriebnahme des ersten AKWs auf dem Tisch.

    Des ersten AKWs überhaupt und erst recht des ersten AKWs in Deutschland.

    Früher wusste man mit Brunnenvergiftern noch angemessen umzugehen. Heute sitzen sie mit Schlips und Kragen in den Paralamenten und den Chefetagen.

    Wie wäre es, wenn das Verfassungsgericht die Betrugsverträge der Atommafia für rechts- und sittenwidrig erklärt weil sie die Handlungsfähigkeit künftiger Regierungen in unzulässiger Weise einschränken ?

    Und bei der Gelegenheit könnte man auch gleich die Giftmüllbranche an die Kette legen denn Deutschland ist ja leider auch mutiert zum Giftmüllklo Europas und der ganzen Welt.

  • Ich kann das einfach nicht mehr ernst nehmen.

  • Man sollte eine Expedition in den Harz schicken um den Yeti zu finden. Das wäre deutlich erfolgversprechender als die Suche nach einem Endlager.