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Ende der Homeoffice-PflichtKein Zurück zum alten Normalbetrieb

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Die Arbeit zuhause ist für manche bequem, für andere eine Überforderung. Sinnvoll ist ein hybrides Modell, das feste Termine im Büro vorsieht.

Frau im Homeoffice Foto: Fabian Strauch/dpa

D er Begriff „Normalbetrieb“ fällt im Streit über das Homeoffice. Die mittelständischen Unternehmen müssten endlich zum „Normalbetrieb“ zurückkehren können, so der Chef des Mittelstandsverbands. Die Frage ist nur, was der „Normalbetrieb“ ist, wenn die Coronapandemie abflaut.

Die Pflicht zum Homeoffice entfällt Ende Juni, theoretisch also könnten sich die Beschäftigten spätestens nach den Sommerferien wieder morgens in den Bus quetschen, in die Büros strömen, ihre vertrauten Plätze einnehmen, die Teeküche putzen, den Kollegenplausch halten und am späten Nachmittag den Heimweg antreten. Aber ganz so wird es nicht sein. Die Coronapandemie, während der ein Drittel und mehr der Beschäftigten zumindest zeitweise von zu Hause aus arbeiteten, hat die Jobwelt verändert.

Der Geist ist aus der Flasche. Es gibt zwar keinen Anspruch auf Homeoffice, aber viele Unternehmen stellen sich darauf ein, dass ihre Mit­ar­bei­te­r:in­nen auf Dauer zumindest tageweise von zu Hause aus ihren Job machen wollen. Das „hybride Arbeiten“ ist im Kommen. Von zu Hause aus arbeitet gern, wer einen langen Anfahrtsweg zum Job hat, zu Hause über viel Platz verfügt, daheim nicht isoliert ist, dessen oder deren Kinderbetreuung geregelt ist – und der oder die sich gut selbst organisieren kann.

Am Ende könnte Corona die Individualisierung in der Jobwelt vorantreiben, aber auch zu feinen Spaltungen führen. Der Trend zum flexiblen Arbeiten könnte für manche zu einer Überforderung werden, denn so flexibel ist der Mensch in seiner Seele gar nicht. In einer Zeit, in der vor allem in den Metropolen die Zahl der Singlehaushalte zunimmt, kann die neue Flexibilität eine innere Einsamkeit verstärken, erst recht, wenn als Minderleister dasteht, wer sich ohne feste Strukturen von außen auch innerlich nicht so gut organisieren kann.

Ein gewohnter Arbeitsplatz, ein vertrautes Kollegenteam können sensiblen Naturen Sicherheit geben. So haben die Gewerkschaften recht, wenn sie sagen, dass die Homeoffice-Regelungen im Betrieb Gegenstand kollektiver Diskussionen sein sollten, bei denen die ganze Belegschaft angehört werden muss. Die neue Freiheit darf weder kategorisch beschnitten werden noch zu klandestinen Einzelvereinbarungen führen. Regelmäßige Präsenz- und Besprechungstage sollte es immer geben.

Firmen, die feste Schreibtische im Unternehmen aufgeben wollen, sollten sich das gut überlegen, denn der Mensch ist ein Territorialwesen. Die Seele ändert sich nämlich nicht so schnell, nur weil die Computer heute vieles möglich machen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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1 Kommentar

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  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Am End fährt man zehnmal in der Woche ins Büro, statt fünfmal und kocht Mittags zu Hause für die Kinder.