Empörung in Griechenland: Antisemitische Richterin steigt auf

Griechenlands Regierung beruft eine mutmaßliche Holocaust-Leugnerin ans Oberste Gericht. Die jüdische Gemeinde protestiert.

Griechenlands Premier gestikuliert am Redepult des Parlaments

Verärgert die jüdische Gemeinde: Griechenlands konservativer Premier Kyriakos Mitsotakis Foto: Costas Baltas / reuters

ATHEN taz | Die konservative Regierung in Athen unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat eine mutmaßliche Antisemitin und Holocaust-Leugnerin zur Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs in Griechenland befördert. Der Fall schlägt in Griechenland hohe Wellen.

Konkret handelt es sich um die Richterin Marianthi Pagouteli. Sie wurde auf der Sitzung des Ministerkabinetts am 30. August 2022 auf Empfehlung des Justizministers Kostas Tsiaras von der Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) zur Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs, des Areopag in Athen, ernannt.

Pagouteli ist höchst umstritten. Die Richterin hatte sich in einem hierzulande berühmten Prozess wegen des antisemitischen Buches „Juden, die ganze Wahrheit“ für den Freispruch des bekannten rechtsextremen Verfassers Konstantinos Plevris ausgesprochen.

Plevris, 82, Strafverteidiger, Politiker, Vordenker des Rechtsextremismus in Griechenland, der sich in der ersten Auflage des Buches unverhohlen als „Nazi, Faschist, Antidemokrat, Rassist und Antisemit“ bezeichnet und sich stets als „Hohepriester“ des griechischen Neonazismus feiert, wurde im Dezember 2007 zum zweiten Mal wegen seines Werkes vor Gericht gestellt.

Weichspülen eines überzeugten Nazis

Zwar wurde Plevris in diesem Prozess letztlich verurteilt. Marianthi Pagouteli hatte jedoch für seinen Freispruch gestimmt und eine 32-seitige Begründung für ihr Minderheitenvotum vorgelegt, die großes Aufsehen erregte. Darin heißt es unter anderem: „Der Autor (Plevris, Anm. d. Red.) bezieht sich auf Passagen aus den heiligen Büchern des Talmuds. Diese Bücher enthalten zweifellos intolerante und antichristliche Lehren, die jeder Vorstellung von Humanismus widersprechen. Er weist daher zu Recht darauf hin, dass es dem Juden, der sie sich zu eigen macht, offensichtlich an Humanismus mangelt.“

Ferner stellt Pagoutelis fest, Plevris habe „einen untermenschlichen Juden nicht als Juden im Allgemeinen, sondern als kriegsverbrecherischen Juden bezeichnet“. Er übernehme „die nationalsozialistische Ansicht, dass die weiße Rasse keine Semiten in Europa will, ohne die Absicht zu beleidigen oder Gewalttaten zu provozieren.“

Pagouteli zufolge bedeute der Satz von Plevris in dessen Buch „der Rest wird so gemacht, wie es gemacht werden sollte, und man kann alles machen“ nicht, dass er „definitiv illegale Maßnahmen vorschlage und zu Hass und Gewalt aufrufe“. Plevris rufe, so die richterliche Bewertung von Pagoutelis, vielmehr „zu legalen Maßnahmen des offiziellen Staates auf“.

Doch damit nicht genug. Wie die damalige Parlamentsabgeordnete und Anwältin Zoi Konstantopoulou im Jahr 2013 anprangerte, betrieb Marianthi Pagouteli im Internet einen Blog mit eindeutig antisemitischen Kommentaren wie „verdammte Juden“. Zitat: „Ich wünschte, Hitler würde sie vollständig ausrotten!“

Umstrittener Blog: Holocaust als „Mythos“

In besagtem Blog wurde auch der Holocaust offen geleugnet. Dabei handele es sich, so wörtlich, um einen „Mythos“, der „ihnen (den Juden, Anm. d. Red.) das Geld brachte, das sie brauchten, um ihren Staat zu gründen“. In einem Eintrag vom 7. Januar 2009 heißt es ferner wortgetreu: „Heute erweisen sich die jüdischen Zionisten als faschistischer als die Nazis!“

Pagouteli gab zwar nicht zu, dass es sich um ihre Website handelte. Beobachter halten dies jedoch für nicht glaubwürdig.

Der damalige Justizminister, Ex-Staatsanwalt und jetzige Abgeordnete der Regierungspartei ND, Charalambos Athanasiou, der seinen Wahlkreis und Herkunftsort ausgerechnet auf der Insel Lesbos hat, aus der auch die Richterin Pagouteli stammt, erklärte damals zwar lapidar, die Anschuldigungen gegen Pagouteli untersuchen zu wollen. Ein Ergebnis ist hierzulande bis heute nicht bekannt.

Fakt ist hingegen: Pagouteli wurde nicht bestraft. Im Gegenteil: Sie wurde zur Obersten Richterin ernannt – und nun zur Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs befördert.

Für den Zentralrat der Juden in Griechenland (KIS) ist der Fall klar. In einer offiziellen Pressemitteilung verurteilte KIS am Freitag die jüngste Beförderung Pagoutelis durch die Regierung Mitsotakis. „An der Spitze des Justizwesens steht jetzt eine Person, die nicht dazu in der Lage sein wird, die erklärte Position des griechischen Staates gegen den Antisemitismus zu verteidigen“, so der KIS.

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