piwik no script img

Emotionaler Umweltschutz in AustralienGrüße von Baum 1441724

Alle 70.000 Bäume Melbournes haben eine E-Mail-Adresse. Sie lieben es, von Bewunderern Post zu bekommen. Dann antworten sie sogar.

Die Bäume in Melbourne haben nicht nur Brieffreunde, gerne hängt auch mal ein Fliegender Fuchs mit ihnen ab Bild: imago/westend61

CANBERRA taz | Wer als Kind jahrelang aus seinem Zimmer auf einen Baum geschaut hat, beim Hausaufgaben machen etwa, beim Schreiben des ersten Liebesbriefs, dem ist klar: Zu Bäumen kann man eine enge emotionale Beziehung entwickeln.

Wie stark die Verbundenheit mit Holz, Rinde und Blatt sein kann, erfahren seit einiger Zeit Tausende von Bäumen in der Stadt Melbourne. „Leute schreiben ihren Bäumen, wie viel sie ihnen bedeuten“, sagt der zuständige und mit dem passenden Namen ausgestattete Gemeinderat von Melbourne, Arron Wood (Holz).

Möglich ist die Korrespondenz mit den Pflanzen, weil jeder der rund 70.000 von der Stadt verwaltete Baum eine individuelle Registriernummer hat – und auch eine eigene E-Mail-Adresse. Die städtische Försterei kann so die Gesundheit der Bäume besser überwachen – und besonders rasch auf Meldungen über mögliche Beschädigungen der zum Teil weit über 100 Jahre alten Pflanzen zu reagieren.

Doch bei E-Mails über abgebrochene Äste, Verletzungen der Rinde, Sturm- und Parkschäden bleibt es nicht, meldet die Behörde der Stadt im Südosten des Kontinents. „Statt Probleme zu melden, schreiben Leute Liebesbriefe an einzelne Bäume“, so Wood gegenüber den lokalen Medien. Auch Meldungen, wie rührend sich Anwohner um „ihren“ Baum kümmern, fänden sich regelmäßig in den Inboxen. „Eine E-Mail kam von Arbeitern, die ihren Baum regelmäßig gewässert hatten, damit er die Dürre übersteht“, sagt Wood.

„Es geht mir gut“

Keine Liebe schmerzt so sehr wie eine, die nicht erwidert wird. Deshalb schreiben Melbourner Bäume ihren Verehrern auch zurück. Ein Team von Mitarbeitern der Stadtbehörde beantwortet die besonders emotionalen Zuschriften. „Danke, lieber Oliver, für Deine lieben Worte. Es geht mir gut. Einen schönen Tag wünscht Dir Baum Nummer 1441724.“

Die Korrespondenz zeige, wie Melbourner die Bäume in ihrer Stadt schätzen, so Wood. Denn die Pflanzen – bei den meisten Bäumen handelt es sich um australische Eukalypten – hätten eine wichtige Aufgabe.

Sie absorbieren Kohlendioxid aus der Atmosphäre und helfen, den in Städten bei Hitzeperioden oft spürbaren „Hitzeinsel“-Effekt zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund, und natürlich auch aus Gründen der Stadtverschönerung, seien die Bäume wertvoll für die Innenstadt.

Klimaskeptiker höhnen

Unumstritten ist die Aktion allerdings nicht. Eine konservative Website meint, Melbourne habe „eine neue Methode gefunden, um Steuergelder zu verschleudern“. Die Bäume würden antworten, ihre Gedanken seien aber „von den Köpfen freundlicher, gut bezahlter Gemeindearbeiter filtriert worden“. Es sei „keine Überraschung“, dass die Aktion Teil einer Kampagne sei, um die Bevölkerung vor den Gefahren des Klimawandels zu warnen.

Konservative in Australien – unter ihnen Premierminister Tony Abbott – bezeichnen sich gerne als Klimawandel-Skeptiker. Sie stellen wissenschaftliche Beweise infrage, nach denen menschliche Aktivitäten maßgeblich zur Veränderung des Klimas beitragen. Die bekannte konservative Klimaskeptikerin Jo Nova meint, die Bäume seien „Opfer von 20 Jahren dysfunktionaler Wissenschaften“.

Mit Blick auf die Tatsache, dass Pflanzen das auch bei der Verbrennung von Treibstoff entstehende Klimagas Kohlendioxid aus der Atmosphäre absorbieren, schrieb Jo Nova: „Erzählt diesen Bäumen, dass ihr Euch um sie kümmert, indem Ihr mit Eurem Hochleistungsfahrzeug mit einem V8-Motor herumfahrt und gerne hart bremst.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Und ihr Motto ist

     

    "Jo Nova, beinahe so weltfremd wie Sarah Palin, aber genauso arrogant!"