die dritte meinung: Eltern werden im Lockdown finanziell alleingelassen, beklagt die Grüne Bahar Haghanipour
Der Staat lässt die Eltern hängen. Als die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsident*innen vor Weihnachten den härteren Lockdown verkündeten, hieß es: „Für Eltern werden zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, für die Betreuung der Kinder im genannten Zeitraum bezahlten Urlaub zu nehmen.“
Familien haben auf einen Sonderurlaub bei vollem Lohnausgleich gehofft. Das hätte ihnen eine Verschnaufpause gegeben. Doch Sonderurlaub gibt es nicht. Stattdessen können Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, eine Entgeltersatzleistung beantragen: Sie bekommen bis zu 67 Prozent des Netto-Verdienstausfalls, maximal 2.016 Euro im Monat. Diese Regelung ist jedoch nicht neu, sondern existiert seit dem Frühjahr.
Zudem sind viele Familien von diesen Leistungen ausgeschlossen. Wenn Kitas einen Notbetrieb aufrechterhalten, dürfen Eltern keine Entgeltleistungen beanspruchen. In der Praxis heißt das: Kitaerziehende betteln die Eltern an, ihre Kinder zu Hause zu lassen. Eltern wiederum betteln die Erziehenden an, ihre Kinder zur Betreuung bringen zu dürfen.
Außerdem gilt die Entgeltersatzleistung nicht, wenn die Erwerbstätigkeit im Homeoffice erfolgen kann. Diese Regelung ist fernab aller Realitäten. Homeoffice und Kinderbetreuung oder Homeschooling sind unvereinbar. Die Eltern brauchen einen verlässlichen finanziellen Ausgleich wie ein Corona-Elterngeld.
Für Eltern ist das Jonglieren zwischen Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung enorm belastend. Dies gilt besonders für Mütter. In einer repräsentativen Erhebung der Bertelsmann-Stiftung gab fast die Hälfte der befragten Frauen an, an ihre körperliche, psychische und emotionale Grenze zu kommen.
Übrigens geht die Bundesregierung mit ihren Beamt*innen großzügiger um. Sie erhalten bis zum 31. März Sonderurlaub für bis zu 34 Arbeitstage. Der viel beschworene gesellschaftliche Zusammenhalt sähe anders aus: Auch nicht-verbeamtete Eltern im Homeoffice verdienen Unterstützung.
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