Elizabeth II. in Berlin: Gauck winkt, die Queen guckt
Flaggen, Fans und Freude: Elizabeth II. fährt 17 Minuten mit dem Boot über die Spree und Tausende winken ihr zu. Ein Besuch am Ufer.
Zwei kleine Fähnchen hat jedes Kind in der Hand, eine deutsche Flagge und eine britische. Die rund hundert Schüler stehen auf einer Brücke in der Nähe des Berliner Reichstags und üben schon mal das Winken Richtung Spree. Manche haben ihre Jacke vergessen, sie drängen sich eng zusammen. Es ist herbstlich kühl, der Himmel ist grau, aber wenigstens regnet es nicht Die Schüler der Berlin British School haben exklusiven Zugang zur Brücke. In einer Stunde wird die Queen unter ihnen vorbeifahren – und hoffentlich zurückwinken. „Ich mag die Queen, weil meine Lehrer aus England kommen und die Queen deren Chefin ist“, sagt der Fünftklässler Ramin.
Ein paar hundert Meter flussaufwärts vor dem Berliner Hauptbahnhof stehen am Mittwochvormittag Hunderte Menschen am Spreeufer. Sie warten. Ihr Blick gen Westen. Dort wird die Queen bald im Boot auftauchen. Auf Smartphones werden die Liveticker der Nachrichtenseiten minütlich aktualisiert. „Wo ist sie jetzt?“ – „Noch nicht mal ins Boot gestiegen. 40 Minuten noch, mindestens.“ – „Mist“.
Nachdem sie Bundespräsident Joachim Gauck im Schloss Bellevue emfpangen hat, legt sie die rund 1.000 Meter zum Reichstag und zum Kanzleramt auf einem Boot zurück, in der „Ajax“.
Tausende nutzen die Chance. Japanische Touristen mit Selfie-Sticks, ältere Damen mit Hut, ihre Ehemänner, die in schwarzen Lederschuhen unruhig auf der Stelle tippeln, überforderte Lehrerinnen, schwule junge Männer – und ein paar C-Promis. Ross Anthony, dieser Brite, den man aus dem Privatfernsehen kennen könnte, oder die Zwillinge von Jedward, die für Irland zweimal am Eurovision Song Contest teilgenommen haben.
Henrik und Jakob haben gerade Abi gemacht und sind bei den Grünen aktiv. Sie machen mit ihren iPhones ein Bild von Ross Anthony, der gerade auf einer Leiter steht und mit dem Fernglas übers Wasser blickt. Aber die Queen ist schon wichtiger. „Die ist wie eine süße, kleine Oma“, sagt Jakob. „Die Monarchie ist schon toll, das hat etwas Träumerisches. Palast, Grazie, Höflichkeit“, sagt Henrik. Neben den beiden steht Gisela Schulz. Die Berliner Rentnerin hat ihren Mann dabei. „Die Königin interessiert mich. Alles an ihr“, sagt sie. Sie habe schon eine Sehnsucht nach Glamour. „Frauen halt“, ruft ihr Ehemann dazwischen. „Ach, du liest das doch auch immer“, sagt sie.
Die Anspannung
Einige Meter weiter am Rande des Berliner Tiergartens steht eine Schulklasse mit Einheits-T-Shirts: „Die Queen in Berlin“. Keine Absperrung zur Spree. „Haltet das Plakat ordentlich, damit die Queen das auch sieht“, sagt die Lehrerin streng. „Welcome to Berlin“ steht auf dem Bettlaken. Aus Bayern seien sie extra wegen der Queen angereist, haben ihren Klassenausflug auf diese Woche gelegt.
Die Anspannung steigt. Die ersten Boote biegen um die Ecke. „Ich habe Gauck gesehen“, ruft die Lehrerin. Dann taucht sie auf: die Queen. Weißes Kleid, weißer Hut, weiße Handschuhe, schwarze Handtasche. Neben ihr Prinz Philipp und Daniela Schadt, Lebensgefährtin von Joachim Gauck, ganz in Rot. Gauck selbst steht einen Meter davor und winkt eifrig. Die Schulkasse aus Bayern beginnt zu singen. „God Save the Queen“. Die Lehrerin dirigiert. Gauck winkt, die Queen guckt. Nach zwei Minuten ist sie außer Sichtweite.
Hunderte folgen der „Ajax“. Manche rennen, Fahrradfahrer steigen genervt ab und schieben, einige quetschen sich in waghalsigen Manövern am Fußvolk vorbei. Ein paar Minuten mehr in Sichtweite der Queen sein.
Die goldene Vogelmaske
Zurück am Ufer vor dem Bahnhof dröhnt Musik aus mobilen Boxen. „Give peace a chance“. Ein Mann mit goldener Vogelmaske schreit „Frieden für die Welt“. Dann läuft „Imagine“. Auch der Friedensbote folgt der Queen, wird aber von Polizisten aufgehalten. Personalienfeststellung, weil er protestiert hat. Der Mann schreit. „Nie wieder Krieg.“
Die Queen ist unterdessen am Reichstag angekommen. Für die Schüler der British School wird es ernst. Sie winken mit ihren Fähnchen von der Brücke herab. Die Queen schaut rauf und winkt. Dann steigt sie galant aus dem Boot und verschwindet.
Der Vogelmann brüllt weiter. „God save the people“ und „Frieden für Palästina“. Eine Frau dreht sich um. „Geh doch nach Hause.“ Der Störenfried nervt sie. In der Hand eine Union-Jack-Flagge, im Gesicht ein Strahlen. „Ich wäre gerne Britin, die Leute sind höflich dort“, sagt Gundula. Die 42-Jährige ist Erzieherin in Berlin. Für den Queen-Besuch hat sie sich drei Tage Urlaub genommen. Am Freitag, wenn die Queen das Brandenburger Tor besucht, wird sie sich um 5 Uhr morgens einen Platz sichern. „Die Queen verkörpert noch Werte und Normen. Das fehlt uns längst.“
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