piwik no script img

Elektronisches Musikfestival aus BerlinJenseits der temperierten Stimmung

Das CTM-Festival steht dieses Jahr unter dem Motto „Transformation“. Vorgestellt wird auch eine Software, die über die üblichen Tonleitern hinausgeht.

Hat eine auf Mikrotonalität beruhende Musiksoftware entwickelt: Khyam Allami Foto: Johanne Issa

J etzt ist sie wieder da: Die Jahreszeit, in der man in normalen Zeiten den inneren Schweinehund überwinden und in kalte Nächte rausgehen müsste, um später am Abend in durchfeuchtetem Schuhwerk herumzustehen. Damit man dann in die obskuren Soundwelten eintauchen kann, mit denen das CTM-Festival verlässlich bekannt macht. Spätestens an Tag fünf hatte man dann immer eine Rotznase.

So gesehen ist derzeit auch nicht alles schlecht. Denn wenigstens kommen die Soundwelten diesmal aufs heimische Sofa – neben allerhand Diskursivem, das auf Panels und in Vorträgen unter dem Festival-Motto „Transformation“ diskutiert wird. Was alles fehlt, in Anbetracht dessen, dass man dieses Jahr eben nicht in vollen Räumen vor vibrierenden Boxen steht, muss an dieser Stelle nicht extra betont werden. Doch vielleicht lässt sich der aktuelle Kontext ja verstärkt zum aufmerksamen Lauschen nutzen:

Etwa, was am Dienstag (26. 1.) ab 20 Uhr die aus Tunesien stammende DJ und Elektronik-Produzentin Deena Abdelwahed und andere Musikerkollegen mit der (nicht kommerziellen) browserbasierten Musiksoftware Apotome anstellen werden. In deren Fokus stehen mikrotonale Systeme; entwickelt wurde sie von dem irakisch-britischen Multiinstrumentalisten Khyam Allami im Rahmen seiner Doktorarbeit. Nun unterzieht Abdelwahed diese Apotome-Software einer praktischen Versuchsanordnung.

Heimatloser Sound

Eigentlich ist die Musikerin mit ihrem im besten Sinne heimatlosen Sound irgendwo zwischen Jazz, Ragga und arabischer Musik unterwegs. Für dieses Projekt bearbeitet sie jedoch einige arabische Klassiker entlang von vier Tonleitern, die die Software anbietet. Ebenfalls mit der Anwendung experimentieren der mit der schon fast legendären Nyege Nyege Crew assoziierte DJ und Produzent Slikback aus Kampala und der indonesische Klangforscher Wahono. Letzterer konzentriert sich dabei auf musikalische Traditionen und Blas- und Blattblasinstrumente aus Nord-Sumatra.

tazplan

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Ebenfalls spannend dürfte werden, wenn am Mittwoch (27. 1.) um 20 Uhr der experimentelle Gitarrist Jim O’Rourke auf Mark Fell, den umtriebigen, musikalisch ausgesprochen vielseitig aufgestellten Künstler aus Sheffield trifft. Und auf drei weitere Musiker – im virtuellen Raum, aber zum gemeinsamen Improvisieren. Wie sich die mit der räumlichen Trennung einhergehenden Beschränkungen überwinden lassen, ist ein Aspekt ihrer Performance „Symmetry of Five“.

Alle CTM-Veranstaltungen sind übrigens frei zugänglich, Spenden oder der Kauf eines „Solidarity Pass“ sind natürlich trotzdem erwünscht, das Festival läuft noch bis Ende Januar.

Surreale Verspultheit

Bis dahin kann man sich mit Hilfe der großartigen Londoner Psychedelic-Pop-Band Vanishing Twin noch schnell von der Stream-Müdigkeit heilen, die sich vielerorts eingeschlichen hat. Mit ihrer Performance „Pensiero Magico“ (12 Euro unter noonchorus.com, verfügbar bis 27. 1., beliebig viele Sichtungen), in deren Fokus das tolle Album „The Age of Immunology“ (2019) steht, bringt die fünfköpfige Band ein monochromes und in seiner surrealen Verspultheit doch ziemlich buntes Konzerterlebnis auf die Bühne, das so entrückt wie intim wirkt.

Die Band, die musikalisch und geographisch aus unterschiedlichen Ecken kommt, beschreibt es als Erforschung „aller Seiten ihres schizophrenen Selbst“. Man könnte ihre eklektisch-kosmopolitische Psychedelik aber auch als Flottieren zwischen der realen Welt und einer imaginierten beschreiben – womit die Songs ja bestens in diese seltsame Zeit passen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!