Musikfestivals im Stream und Äther: Heimvorteil elegant genutzt
Das Ultraschall Festival für Neue Musik wird im Radio übertragen, das CTM Festival kreiert für seine experimentelle Musik eine virtuelle Umgebung.
Die gute Nachricht: Es gibt wieder Musik live zu hören. Gleich zwei Festivals aus Berlin stehen an, um in Erinnerung zu rufen, dass es da draußen so etwas gibt beziehungsweise gab wie Konzerte. Die wenig überraschende schlechte Nachricht: Musik wird zwar gespielt, das Publikum darf aber nicht mit im Saal sein.
Einen Heimvorteil hat dabei Ultraschall Berlin, und den nutzt das Festival für Neue Musik auf elegante Weise: Sind die Veranstalter doch Deutschlandfunk Kultur und rbb Kultur, zwei Radiosender, die das Programm von Ultraschall Berlin immer schon aufgezeichnet und im Radio ausgestrahlt haben. In der Regel mit ein wenig Verzögerung. Diesmal bietet das Festival in der Zeit vom 20. bis 24. Januar vier Radiokonzerte, die live aus dem Großen Sendesaal des rbb, dem Heimathafen Neukölln und dem Radialsystem erklingen.
Das alte Radio, dessen Geschichte vor gut 100 Jahren begann, erscheint plötzlich in neuem Licht. Ein paar zusätzliche Einschränkungen sind gleichwohl nötig. Ursprünglich waren drei Abende mit Orchester geplant: das Eröffnungskonzert und das Abschlusskonzert mit dem DSO Berlin, dazwischen ein weiteres mit dem RSB. Am Donnerstag gab deren Trägergesellschaft, die ROC gGmbH, jedoch bekannt, dass die Orchester der Pandemie wegen bis zum Ende des Monats nicht spielen dürfen.
Stattdessen spielt man dieses Jahr durchgehend in kleinen Besetzungen, was überhaupt keine schlechte Lösung ist. So ist zur Eröffnung am 20. 1. das Notos Quartett mit Klavierquartetten zu hören, darunter die Uraufführung eines Auftragswerks von Bryce Dessner, ansonsten Gitarrist der Indie-Rocker The National und Komponist von Filmmusik. Der Bratschist Nils Mönkemeyer spielt dazwischen solo Mittelalterliches von Hildegard von Bingen und ganz Neues von der griechischen Komponistin Konstantia Gourzi (ultraschallberlin.de, 20.–24.1., Deutschlandfunk Kultur und rbb Kultur).
Mit einem Avatar nach CTM Cyberia
Vollständig online geht dieses Jahr notgedrungen der CTM, das Programm ist als Livestream zu hören und sehen. Das mit dem Sehen hat der CTM ernst genommen und filmt nicht einfach seine Konzerte ab, sondern hat mit CTM Cyberia eine virtuelle Multiplayer-Online-Festival-Umgebung geschaffen.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
In der können Festivalbesucher sich einen Avatar erstellen und so das komplette Livestream-Programm in dieser neuen Umgebung erleben oder sich mit anderen Besuchern austauschen. Auftragsarbeiten für dieses Cyber-Sibirien gibt es ebenfalls, etwa von Peaches, Mouse on Mars oder dem Berliner Musiker Robert Lippok.
Live kommen Konzerte aus der Betonhalle des silent green. Darunter ein gemeinsamer Abend der frickelversierten Klangforscher Mark Fell und Jim O'Rourke, die sich mit der Performancekünstlerin und Krautrock-Veteranin Limpe Fuchs plus den beiden jüngeren Elektronikern Rian Treanor und Petronn Sphene an einer „Symmetry for Five“ erproben. Oder man erkundet wie das MusicMakers Hacklab am 31. 1. die Möglichkeiten der Performance-Zusammenarbeit aus der Ferne.
Diskurs gibt es auch dieses Jahr wieder neben der Musik. Und einige Künstler wie der japanische Noise-Nestor Keiji Haino, das indonesische Ethno-Metal-Duo Senyawa oder die Produzentin Zoë McPherson sind in Auftragsvideos zu erleben, die als Livestream laufen. Eine Notlösung, aber immerhin (www.ctm-festival.de, 19.–31. Januar, online, gratis).
Leser*innenkommentare
17900 (Profil gelöscht)
Gast
"Heimvorteil elegant genutzt"
Also bitte, die deutsche Sprache ist schon genug gebeutelt. Muss jetzt auch noch der Fußball-Jargon seinen Anteil bekommen?