Elektro-Carsharing in Frankreich: Paris stellt Elektroautos den Strom ab
Der Car-Sharer Autolib’ von Bolloré mit fast 4.000 Elektroautos muss aufgeben. Sind die Ladesäulen nun frei für BMW oder VW?
120 Euro Jahresgebühr kostete die Kund*innen die Möglichkeit, fast 4.000 E-Mobile an 1.100 gut verteilten Standorten in der Hauptstadt und den umliegenden Kommunen zu nutzen. Doch was für den Stadtverkehr sehr praktisch und mit 32 Cent pro Minute einigermaßen kostengünstig war, blieb für den Anbieter und die kommunalen Behörden finanziell unbefriedigend. Die 2011 eingeführte Dienstleistung für umweltbewusste Automobilisten kam nie in die schwarzen Zahlen.
Die Frage, wer für die Verluste aufkommen muss, führte zum Streit zwischen dem Autolib’-Betreiber Bolloré und der Pariser Stadtregierung. Beide Seiten schieben sich gegenseitig die Schuld für die Defizite zu. Als Bolloré den kommunalen Vertragspartnern eine gesalzene Rechnung schickte, in der er die Begleichung der akkumulierten Verluste in Höhe von 293 Millionen Euro verlangte, sah die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo keinen anderen Weg als die Trennung, um eine finanzielle Katastrophe zu vermeiden. Die nun zu erwartenden Schadenersatzforderungen für den vorzeitigen Vertragsbruch dürften die Stadt auf jeden Fall weniger kosten, als sie aufbringen müsste, um das Minus zu decken.
Fiasko für Hidalgo
Bereits in den kommenden Tagen werden die geräuschlos rollenden Elektrofahrzeuge in Paris und den umliegenden Vororten aus dem Stadtbild verschwinden. Die bisher für sie reservierten Plätze mit Konsolen zum Aufladen der Batterien stehen dann vorerst exklusiv privaten Elektroautos zur Verfügung. Unklar ist, was aus den 500 Autolib’-Beschäftigten wird.
Das Ende des E-Mobil-Sharing-Anbieters ist ein Fiasko für Hidalgo und die Verkehrspolitik ihrer rot-grünen Koalition. Verantwortlich macht sie dafür den Konzernchef Vincent Bolloré. Dieser hatte 2011 beim Start versprochen, sein Konzept werde schon mit rund 50.000 regelmäßigen Nutzer*innen rasch rentabel sein. Zuletzt waren längst mehr als doppelt so viele eingetragen. Aber gerechnet hatte sich das Projekt trotzdem nicht.
Und so richtig überzeugt waren die Kund*innen wohl auch nicht. Zwar wurden die E-Autos im Monat bis zu 300.000 Mal kurzzeitig genutzt. Aber dabei blieben deutlich weniger Leute, auch weil rücksichtslosere Kund*innen die Autolib’-Fahrzeuge verschmutzt stehen ließen.
Das war dann auch schon der Anfang vom absehbaren Ende. Eine Petition mit 20.000 Unterschriften nützte nichts mehr. Offen ist, ob ein anderer Anbieter mit einem besseren Konzept in die Bresche springt. Bürgermeisterin Hidalgo soll unter anderem mit BMW, Volkswagen und PSA verhandeln.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung