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Mobilitätsforscherin über Carsharing„Nicht positiv für die Ökobilanz“

Anders als gedacht ist Carsharing per App gar nicht so ökologisch. Die Mobilitätsforscherin Friederike Hülsmann fordert teureres Parken.

Carsharing: Klingt ökologischer als es ist Foto: dpa
Interview von Andrew Müller

taz: Frau Hülsmann, Sie haben an einer ausführlichen Studie mitgearbeitet, die zum Ergebnis kommt, dass Carsharing gar nicht ökologisch ist. Wie kann das sein?

Friederike Hülsmann: Der von uns untersuchte Marktführer car2go hat, so wie seine Dienste momentan in Großstädten genutzt werden, tatsächlich keinen positiven Einfluss auf die Ökobilanz. Der Hauptgrund: Privatautos sind zu günstig. Zwar schaffen manche Nutzer ihren Pkw wegen eines Carsharing­-Autos ab. Das wird aber durch die geteilten Wagen überkompensiert. Allerdings haben wir uns nur das sogenannte Free-Floating-Carsharing angeschaut, also die sta­tions­lose Variante, bei der man die Autos per App ortet. Stationsbasierte Formen sind durchaus nachhaltig.

Laut Studie kauften die Nutzer teilweise sogar mehr Autos als der Durchschnittsdeutsche. Ist Carsharing am Ende schädlich für die Umwelt?

Nein, die Anschaffung von Autos hat wenig mit Carsharing zu tun. Viele Nutzer hatten schon länger vor, ein Auto zu kaufen. Oder die Befragten sind im Studienverlauf in einen Vorort gezogen – und kauften deshalb einen eigenen Pkw. Alles Effekte, die gar nichts mit Carsharing zu tun haben.

Ist Carsharing also irrelevant für die Umwelt – oder kann es doch nachhaltig sein?

Es hat schon Potenzial. Ob man das nutzen kann, hängt aber wesentlich davon ab, ob es mit anderen Maßnahmen gekoppelt wird, die nachhaltige Mobilität begünstigen. Zum Beispiel mit der höheren Bepreisung von öffentlichem Parkraum oder lokal angepassten Anreizen zur ökologisch sinnvollen Nutzung von Carsharing.

Im Interview: Friederike Hülsmann

Friederike Hülsmann forscht am Öko-Institut und ist Expertin für nachhaltige Mobilität.

Das gäbe bestimmt herbe Proteste, oder?

Vielleicht nicht so starke, wenn die Gesellschaft Freefloating-Carsharing als Bestandteil eines umfassenden Maßnahmenplans auffasst, bei dem auch der ÖPNV attraktiver und das Radfahren gefördert wird. Dann kann es dazu beitragen, die ökologisch wichtige Verteuerung von privaten Pkw zu legitimieren.

Ist das realistisch?

Natürlich wird es Widerstand geben – das sind letztlich politische Fragen, die in den Kommunen entschieden werden. Aber man kann auch anders darauf schauen: Carsharing ermöglicht die Kompensation von solchen erlebten Defiziten. So kann es für Fahrten genutzt werden, für die ein Auto immer noch notwendig erscheint – ohne dass man einen Privatwagen braucht.

Aber warum klappt das nicht jetzt schon? Wie Sie selbst schreiben, ist die Bedeutung des Freefloating-Carsharing am täglichen Verkehrsgeschehen mit 2-3 Prozent sehr gering.

Veränderungen dauern gerade im Verkehrsbereich lange. Neben aktuellen Maßnahmen darf man die zeitliche Komponente nicht aus dem Blick verlieren. Vielleicht nimmt der Wunsch nach einem eigenen Auto in künftigen Generationen weiter ab.

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13 Kommentare

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  • Mal so als Nebenaspekt: Verhaltenssteuerung über Gebühren heißt IMMER, dass dann Reichere mehr Freiheiten haben, als Ärmere. Finde ich nicht gut! Kostenloser ÖPNV muss die Priorität sein.

  • Die Frage ist doch wohl eher "Wieviele Leute verzichten auf den Kauf eines Autos durch ein Carsharing-Angebot?"



    Wie sieht es dann mit der Bilanz aus?. Vllt. steht das ja in der Studie...

  • 6G
    61321 (Profil gelöscht)

    Mein Rat: Erst mal irgendwer eine umfassende Studie über Carsharing machen, dann einen in die Tiefe gehenden Artikel zu diesem Thema in der taz.



    Diesen oberflächlichen, plakativen Schnellschuss von heute, den vergessen wir mal lieber ganz schnell wieder ;)

  • Übrigens: Wer sich "nur das Free-Floating-Carsharing angeschaut" hat, kann gar nicht wissen, ob "stationsbasierte Formen (...) durchaus nachhaltig (sind)". Wenn er das Gegenteil behauptet, lügt er - oder er wurde falsch zitiert.

    Es geht um mehr als nur um Geld. Es geht auch um Zeit. Zeit, die man nicht unbedingt auf dem Weg zur nächsten Station verbringen möchte. Genau deswegen sind ja die öffentlichen Transportmittel so unbeliebt: Sie kosten nicht nur zu viel Geld, sondern auch zu viel Warte- und Wegezeit. Sie machen einem überhaupt zu viele Vorschriften. Genau wie manch ein "Grüner" mit all zu bürgerlicher Prägung.

    • @mowgli:

      Jein, die anderen Daten können aus vorausgehenden Studien bekannt sein.

    • @mowgli:

      1. Zeitersparnis ist vor allem in der Großstadt die größte Illusion wenn man sich bei der Individualmobilität für das eigene Automobil entscheidet.



      2. Und je einfacher der Mensch gestrickt ist, was leider auf den größeren Teil der deutschen Bevölkerung zutrifft, desto mehr Ellbogen wird eingesetzt was die eigene vermeintliche Freiheit betrifft. Da aber nun in deren Kosmos Freiheit verwechselt wird mit unsozialem Verhalten, braucht es Vorschriften und Regeln, vor allem im Straßenverkehr.



      3. Darauf basierend werden wir nicht drum herum kommen, den Irrsinn der Individualmobilität von aussen/oben zu reglementieren und dafür muss man kein "Grüner" sein um zu erkennen, dass wir in einigen Gebieten schon den völligen Verkehrsinfarkt erleben. Selbst wird sich das nicht regulieren und schon gar nicht so lange das Auto in Deutschland einen Gottähnlichen Status hat.

      • @Sasha B.:

        Entscheidend ist nicht, ob stationsgebunden oder nicht, sondern sind die wesentlich höheren Minutenpreise der free-floating-Anbieter, die eigentlich nur für Einzelfahrten innerhalb der Innenstadt vertretbar sind.



        Wer einen mehrstündigen Ausflug an Orte machen möchte, wo man ohne Auto schlecht hinkommt, kann dies nur mit den klassischen car-sharing-Anbietern zu vetretbaren Kosten machen. So eine Preisstruktur (parken billiger) ließe sich aber ach stationsungebunden verwirklichen.

        Nur wollen die Anbieter wie car2go oder drive-now ja gerade nicht das eigene Auto ersetzen, denn sie werden ja von Autokonzernen geführt.

  • Wer das Parken teurer macht, ohne dass er zuvor Alternativen oder auch nur ein Problembewusstsein geschaffen hat bei den Gegängelten, der wird anschließend vier Jahre lang von jeder Verantwortung freigestellt. Wir leben nämlich in einer Demokratie und da hat man als Bürger ein Wahlrecht.

    Leider werden sich die Abgewählten danach auch bloß wieder nicht fragen, was sie denn falsch gemacht haben könnten. Sie werden sich nur überlegen, wie sie schnellstmöglich zurück an die Macht kommen um weiter möglichst viel "Druck" ausüben zu können auf ihre Mitmenschen.

    Scheiß Macho-Prägung!

  • Was ist den das für ein Artikel?



    "Carsharing gar nicht ökologisch"...



    "Der Hauptgrund: Privatautos sind zu günstig."



    Ich habe mein Auto vor 5Jahren abgeschafft, fahre viel mit dem Rad und ab und zu chare ich ein Car. Welche Auswirkungen hätte erst ein PKW-Neukauf für die Umwelt, würde man dessen gesamte Produktionskette berücksichtigen?!

  • Mein Verhältnis zu Autos ist ja eher angespannt. Sie nehmen so viel öffentlichen Raum! Straßen sind ja noch okay, da kann ich auch mit anderen Verkehrsmitteln drauf unterwegs sein. Aber Parkfläche, die allein für Autos reserviert, ist echt von vorgestern.



    Es braucht aber eben auch Anreize, weil der PKW nach wie vor Standard ist und viele Menschen der Meinung sind, das Leben bräche ohne PKW zusammen (Was übrigens nicht der Fall ist, und auch mein autoloses Umfeld schafft es, den lokalen Einzelhandel zu stärken, die Idee davon, dass die gesamte Kundschaft direkt vor dem Geschäft parkt ist in der Stadt einfach nur hirnverbrannt. Nötig wäre also eine attraktivere Infrastruktur und das ist eben der Clou, den die gegenwärtige ist so zu 99% auf Autos ausgerichtet, kein Wunder, dass damit das Leben mehr Spaß macht und einfach ist. An und für sich fehlt mir aber auch kein Auto, nur neulich, als ich einen Staubsauger entsorgen wollte. Der Wertstoffhof ist kein guter Ort ohne Auto, er besteht eigentlich nur aus Straßen. Eine begehbare Autobahn mit Müllinseln in der Mitte. Das macht dann auch mit dem Lastenrad keinen Spaß mehr. Dreh- und Angelpunkt einer guten Verkehrspolitik muss sein, den Menschen Alternativen zu bieten.

  • Mit car2go spricht man nicht Autobesitzer an - die dann gar dieses Abschaffen könnten - sondern macht StudentInnen Appetit aufs Autofahren, die ansonsten mit öffentlichen und Fahrrad unterwegs wären.



    Das ist so ähnlich wie bei den Pedelecs. Man fördert und bewirbt diese als vermeintlich umweltfreundliche Alternative fürs Auto. Real steigen aber bisherige Muskelkraft-RadlerInnen aufs Elektro-Gefährt um. Damit hat man jede Menge zusätzlichen Kohlestrom und Giftmüll (zur Akkuproduktion in China) bei gleichzeitig schlechterer Gesundheit durch weniger körperliche Anstrengung durch die NutzerInnen.



    Der Vorschlag Parken in der Stadt zu verteuern (und vor allem nirgends mehr kostenlos anzubieten) klingt in jedem Fall sinnvoll.

    • @KlausM:

      Lahme Pedelecs braucht man als Radfahrer nicht, aber wer als Radsteher nun auch vorankommt, kann das Auto daheim lassen.

    • @KlausM:

      Also geht es in dem Artikel gar nicht um Carsharing an sich, sondern um StudentInnen denen man Appetit machen möchte und um Muskelkraft-RadlerInnen, die aus purer Langeweile mit dem Auto durch die Gegend cruisen.



      Da bin ich ja dann als Carsherer vollkommen raus.