El Fasher in Sudan: Berichte über Gräueltaten und Festnahmen in eroberter Stadt
Nach monatelanger Belagerung ist die Stadt El Fasher der Gruppe RSF in die Hände gefallen. Hunderttausende Menschen brauchen dringend Hilfe.
 
ap | In der seit mehr als einem Jahr belagerten Stadt El Fasher in Sudan soll es nach einem Vorstoß der paramilitärischen Gruppe RSF (Rapid Support Forces) zu Gräueltaten und Massenfestnahmen gekommen sein. Das sudanesische Ärztenetzwerk teilte am Montag mit, RSF-Kämpfer hätten nach ihrem Einmarsch in El Fasher am Sonntag Dutzende Zivilisten getötet und Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen geplündert.
Das Darfur-Netzwerk für Menschenrechte berichtete von mehr als 1.000 teilweise willkürlichen Festnahmen. Die RSF-Miliz könnte damit Kriegsverbrechen begangen haben, hieß es von der Gruppe. Unabhängig ließen sich die Angaben der beiden Organisationen nicht überprüfen. Offizielle Opferzahlen lagen nicht vor. Laut den Vereinten Nationen wurden mehr als 26.000 Menschen zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen.
Die Miliz, die seit April 2023 gegen das Militär des Landes kämpft, hatte El Fasher, die Hauptstadt der Region Nord-Darfur, seit langem belagert und immer wieder beschossen. In der letzten Hochburg des Militärs in der Region lebten zuletzt 260.000 Menschen unter katastrophalen humanitären Bedingungen. Die Hälfte von ihnen seien Kinder, teilte das UN-Kinderhilfswerk Unicef mit.
RSF-Kämpfer feierten ihren Vormarsch in einem eroberten Militärstützpunkt an einem Flugfeld in El Fasher, wie in mehreren Videos zu sehen war, die seit Sonntag online gestellt wurden. In einem der Videos war der stellvertretende RSF-Anführer Abdulrahim Dagalo zu sehen, der seine Leute aufforderte, nicht zu plündern und Zivilisten in Ruhe zu lassen. Ein anderes Video zeigte aber RSF-Kämpfer, die auf fliehende Menschen schossen und auf diese einprügelten. Einige der Einwohner wurden rassistisch beschimpft. Die RSF-Miliz war aus der arabischen Dschandschawid-Miliz entstanden, die schon während des Konflikts in Darfur in den 2000er Jahren Gräueltaten gegen die Bevölkerung verübt hatte.
Von der Nachrichtenagentur AP analysierte Satellitenaufnahmen zeigten große Schäden an den Gebäuden des Stützpunktes. Aus Militärkreisen verlautete, dass sich die Soldaten unter heftigem Beschuss aus dem Stützpunkt in andere Verteidigungsstellungen zurückgezogen hätten. Eine Gruppe von Widerstandskämpfern teilte mit, am Montag seien an dem Flugfeld und im Westen der Stadt noch Gefechte im Gange gewesen. Die Soldaten hätten allerdings keine Unterstützung von der sudanesischen Luftwaffe erhalten, sondern seien auf sich allein gestellt gewesen.
Kampf um Flugfeld
Das Humanitarian Research Lab an der Universität Yale (HRL) berichtete auf Grundlage von eigenen Satellitenbildern von Straßenkämpfen rund um das Hauptquartier des Militärs. Außerdem gebe es Hinweise, dass die RSF-Miliz in und um den Flugplatz Gefangene gemacht habe.
Laut dem sudanesischen Journalistenverband wurde von den RSF-Kämpfern auch einer der wenigen Journalisten festgenommen, die noch in El Fasher ausgeharrt hatten. Der Verband warnte vor ähnlichen Gräueltaten wie in einer anderen Stadt in Darfur im Jahr 2023, in der RSF-Kämpfer Hunderte getötet und Hunderttausende aus ihren Häusern vertrieben hätten.
Das Ärztenetzwerk berichtete am Montag auch von mindestens 47 Toten bei Angriffen von RSF-Kämpfern in einer anderen Stadt in Sudan, in Bara in der Region Kordofan.
Humanitäre Katastrophe
Tom Fletcher, Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, äußerte sich „zutiefst besorgt“ über Berichte von zivilen Opfern und Zwangsvertreibungen in El Fasher. „Hunderttausende von Zivilisten sitzen fest und haben Angst – sie werden beschossen, hungern und haben keinen Zugang zu Nahrung, medizinischer Versorgung oder Sicherheit“, sagte er und forderte „sicheren, schnellen und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe“, um der in der Stadt verbliebenen Bevölkerung zu helfen.
Sudan war Mitte April 2023 in einen Bürgerkrieg gestürzt, als schwelende Spannungen zwischen dem Militär unter Führung von De-facto-Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und der RSF-Miliz unter Mohammed Hamdan Dagalo in offene Gewalt umschlugen. Von der Hauptstadt Khartum breiteten sich die Kämpfe über das Land aus. Laut UN hat der Krieg mehr als 40.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als 12 Millionen aus ihrer Heimat vertrieben.
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