Eko Fresh will Bürgermeister werden: Punchlines für die Politik
Der Rapper Eko Fresh sagt, er könne sich das Bürgermeisteramt in Kerpen vorstellen. Gut so! Wir brauchen mehr Durchmischung von Musik und Politik.

D eutschlands Kulturszene kränkelt. In Clubs gehen kann man nicht mehr so einfach, weil die lieber durch Autobahnen ersetzt werden sollten, findet so mancher Bürgermeister. Kino, Theater und Konzerttickets werden immer teurer. Und manchmal können die Gigs gar nicht stattfinden, weil die (staatliche) Förderung fehlt. In Berlin zum Beispiel streicht die CDU/SPD-Regierung mal eben 130 Millionen Euro, also 12 Prozent des Kulturetats.
Fernab der Hauptstadt kann man sich nicht mal sicher sein, ob es überhaupt Kultureinrichtungen gibt, oder ob sich nicht die Rechten schon die Räume geschnappt und sie für Kampfsportvereinen umbauen, in denen sie Jugendliche rekrutieren. Kultur verkommt zum „Nice to have“ für Politiker:innen, deren Kulturgeschmack gerade einmal von der blau-weiß karierten Tischdecke bis zum Zapfhahn reicht. Wer sich queer, migrantisch, unbequem oder einfach kreativ zeigt, wird nicht eingeladen, sondern verdrängt.
Und wo sollen dann all die Verdrängten hin? Na, in die Politik natürlich! Kürzlich hat sich dafür niemand geringeres als der „König von Deutschland“ bereit erklärt. Eko Fresh, Veteran der deutschen Rapszene und „Brückenbauer“ zwischen den Kulturen, wie er im „Eins zu Eins“-Podcast vom Bayerischen Rundfunk über seinen Werdegang betitelt wird. Er könne sich vorstellen, Bürgermeister von Kerpen zu werden, sagte der 43-Jährige, der mit bürgerlichem Namen Ekrem Bora heißt, kürzlich in dem RTL Podcast „Zwischen den Zeilen“.
Zwar meinte er es nur im Scherz. Und wenn überhaupt, würde er das frühestens mit 60 machen, wie er später in einem Reel auf seinem Instagram-Kanal klarstellt. Aber, warum eigentlich nicht?
Ein anderes Deutschland
Würden mehr Kulturschaffende in die Politik gehen, vielleicht würde dann das Rathaus die neue Rapbattle-Bühne. Vielleicht würden dröge Bürokratie in Akten zu einem Drama in fünf Akten, oder der Wahlkampf eine komische Oper (ist ja eh schon oft sehr nah dran). Künstler:innen, Sportler:innen oder Kulturschaffende könnten ganz neue Ansätze finden, über Demokratie nachzudenken.
Dass das funktioniert, zeigen doch eh schon einige, Arnold Schwarzenegger zum Beispiel. Okay, der Mann hat nicht alles richtig gemacht, aber er hat es immerhin vom Spitzensportler zum Gouverneur von Kalifornien geschafft. In den jüngsten Jahren nutzte er seine Bühne, um Reden gegen Putin zu halten, seinen Parteikollegen Donald Trump als „den schlechtesten Präsidenten aller Zeiten“ zu bezeichnen und Werbung für Kamala Harris zu machen.
Er hat nämlich eins verstanden: Dass Bühnenpräsenz und politische Botschaften keine Gegensätze sind. Musik schafft Räume, sagte der Pianist Igor Levit einmal. Räume, in denen wir uns begegnen, empfinden und gemeinsam sind, nicht gegeneinander.
Dass man da eigentlich noch viel mehr Nutzen draus ziehen könnte, hat vor allem die Partei die Linke seit der letzten Bundestagswahl gecheckt. Vor allem Heidi Reichinnek hatte auf Tiktok Erfolg mit einer Mischung aus Infotainment, Musikvideos und kleinen Sketches.
Zehn Bad Bunnies in der Politik
Auch im Lokalen wird sich die Wirkung von emotionalen Inhalten von Politiker:innen bereits zunutze gemacht. Die Berliner Linken-Abgeordnete Caren Lay verwendet virale Songs, wie etwa „Zehn Bad Bunnies“ von der Sängerin Zsá Zsá. Das Video hat über eine Million Aufrufe. In einem Post dichten Caren Lay und Niklas Schenker einen Song von Ikkimel und Ski Aggu um, und rappen stattdessen über Mietendeckel. Lay trägt dabei eine Cap, auf der in silbernen Buchstaben „Bitch“ steht.
Kann man alles albern finden, aber es ist auch kreativ. Es zeigt: Manche Politiker:innen interessieren sich für den künstlerischen Zeitgeist und können sich auch mal nicht so ernst nehmen (wichtig).
Warum also nicht Eko Fresh als Bürgermeister? Der weiß, wie’s ist, in Köln Kalk im Block aufzuwachsen. Er weiß, wie es ist, vor einem Mikro zu tausenden von Leuten zu sprechen und dabei authentisch zu wirken. Und er könnte auf dem Reder:innenpult endlich sagen, was so viele Amtsträger:innen nicht über die Lippen bringen: „Alles, was ich bisher sagte, nehm ich zurück“ – wie in seinem Song König von Deutschland. Das ist keine Schwäche, das ist gelebte Fehlerkultur.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Manifest“ aus den Reihen der SPD
Ein unwürdiger, reflexhafter Phrasenaustausch
Debatte um Wehrpflicht
Wehret der Pflicht
Jens Spahn verzeiht sich selbst
Maskenaffäre? Milliardenschaden? Egal!
Urteil zu Gaza-Protest
Eine Frage als Holocaust-Verharmlosung
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
Erneuter Luftalarm in Jerusalem und Tel Aviv
Bundeswehr
Rühren Sie sich, liebe Wähler*innen! Auf zum Veteranentag