Eklat in KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen: AfD-Teilnehmerliste vernichtet
Eine AfD-Besuchergruppe störte eine Führung im KZ Sachsenhausen. Die Ermittlungen sind schwierig, denn die Teilnehmerliste gibt es nicht mehr.
Am 10. Juli hatten fünf bis sechs Personen einer Besuchergruppe die Gedenkstättenführung permanent unterbrochen und gestört. Dabei hatten sie KZ-Verbrechen relativiert und an der Existenz von Gaskammern gezweifelt. Bei der Besuchergruppe handelte es sich um eine insgesamt 17-köpfige Gruppe aus dem Wahlkreis von AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel. Der Besuch in der KZ-Gedenkstätte war vom Bundespresseamt finanziert worden. Diese Informationen waren vergangene Woche – ebenfalls durch einen Bericht des Tagesspiegel – bekannt geworden.
Noch am vergangenen Freitag hatte die Staatsanwaltschaft Neuruppin die Ermittlungen aufgenommen und den Besucherführer als Zeugen vernommen, der die AfD-Gruppe begleitet und deren Besuch dann abgebrochen hatte. Ermittelt werde wegen Verdachts auf Volksverhetzung. Das Bundespresseamt bestätigte „antisemitische und historisch unhaltbare Äußerungen“ – allerdings von nur einem der 17 Besucher.
Jetzt könnten weitere Ermittlungen schwieriger werden: Die Teilnehmerliste des Besuchs in Sachsenhausen wurde vernichtet. Regierungssprecher Steffen Seibert begründete dies mit der neuen Datenschutzgrundverordnung. Auch die Verwaltung des Bundestags hat die Liste nicht mehr. Der dortige Besucherdienst lösche die Daten einer Besuchergruppe, sobald der Besuch erfolgt sei, erklärte die Parlamentssprecherin Eva Haacke.
Liste nach Abrechnung vernichtet
Konkret geht es bei den Ermittlungen darum, ob einzelne Personen der AfD-Gruppe den Holocaust gebilligt, geleugnet oder verharmlost und ob sie zudem die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft gebilligt, verherrlicht oder gerechtfertigt haben. Außerdem prüft die Staatsanwaltschaft, ob eine Störung der Totenruhe vorliegen könnte. In diesem konkreten Fall geht es bei dem Straftatbestand um „beschimpfenden Unfug“ in öffentlichen Totengedenkstätten.
Unklar ist, wann genau wer von dem Vorfall mit der Besuchergruppe erfahren hat. Im Anschluss an den Besuch habe es ein Telefonat zwischen dem Chef der Gedenkstätten-Stiftung und dem Bundespresseamt gegeben. Dabei hätten sich Gedenkstätte und Bundespresseamt über den Zwischenfall ausgetauscht. Es könne aber nicht rekonstruiert werden, wann genau das Telefonat stattgefunden habe.
Ein Sprecher des Bundespresseamts sagte, seine Behörde habe erst am 27. Juli von dem Zwischenfall erfahren. Die Teilnehmerliste ist bereits am 25. Juli vernichtet worden – nach „Abrechnung der Informationsfahrt“.
Vor allem ist jetzt aber unklar, wie die Ermittlungen weitergehen und ob die Ermittler die Teilnehmerliste von der AfD oder von dem Hotel, das für die Gruppe gebucht war, bekommt.
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