Eklat bei NSU-Untersuchungsausschuss: Parlamentarier gegen Apparat
Exverfassungsschützer Fritsche sorgt im NSU-Untersuchungsausschuss für einen Eklat. Abgeordnete werfen ihm vor, Teil des Problems zu sein.
BERLIN taz | Der Ton im NSU-Untersuchungsausschuss wird schärfer. Nicht zwischen den Abgeordneten der verschiedenen Parteien, sondern zwischen dem Ausschuss und den Vertretern der Behörden sowie der Regierung.
Tagelang stritten sie über die Schwärzung von Geheimakten. Nun soll es hier als Kompromiss einen Sonderbeauftragten geben. Doch die Vorwürfe aus Sicherheitskreisen, der Ausschuss lasse sensible Infos durchsickern und gefährde so das Staatswohl, reißen nicht ab.
Dieser Streit setzte sich auch am Donnerstag fort. Im Ausschuss war mit dem „heimlichen Innenminister“ Klaus-Dieter Fritsche (CSU) einer der wichtigsten Männer im Sicherheitsapparat geladen. Als das spätere NSU-Trio 1998 in den Untergrund ging, war er Vize beim Bundesamt für Verfassungsschutz, später wurde er zum Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt ernannt. Seit 2009 ist Fritsche Staatssekretär im Bundesinnenministerium – und soll dort nun die NSU-Affäre aufklären.
Skandalisierungswettbewerb statt Aufklärung
„Ich war und bin schockiert darüber, dass eine rassistische Mörderbande durch unser Land ziehen konnte“, sagte Fritsche zunächst in seinem Eingangsstatement. Doch gleich danach kritisierte er, die Aufklärung werde von einem „Skandalisierungswettbewerb“ überlagert, und beklagte, dass Vertrauliches in den Medien lande. Die Abgeordneten fühlten sich angegriffen, Fritsche wollte sich nicht ins Wort fallen lassen, kurz darauf wurde die Sitzung wegen der Kabbelei unterbrochen. „Wir sind kein Sicherheitsrisiko“, gab sich SPD-Obfrau Eva Högl empört.
Später stellte Fritsche klar, dass er niemandem Geheimnisverrat unterstellen wollte. Danach konnte man sich den inhaltlichen Fragen widmen. Und da spielte vor allem ein Schreiben von 2003 eine Rolle, das Fritsche als Verfassungsschutzvize verantwortete.
Nach einem vereitelten Neonazi-Anschlag in München fragte das Innenministerium damals: „Gibt es eine braune RAF?“ In seiner Antwort erwähnte Fritsche selbst das Neonazi-Trio aus Thüringen. Das sei zwar untergetaucht, aber von Gewalttaten wisse man nichts. Zudem fehle für einen „bewaffneten Kampf aus der Illegalität“ die nötige Unterstützung. Zu diesem Zeitpunkt hatte der NSU schon vier Menschen ermordet.
SPD-Frau Högl griff Fritsche daher frontal an: „Er ist nicht der richtige Mann, um die Fehler lückenlos aufzuklären, weil es auch um seine eigenen geht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“