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Eklat bei Flüchtlingskonferenz HamburgFrauen ergreifen das Wort

Die Konferenz sei weder selbstorganisiert noch kämen Frauen ausreichend zu Wort, kritisierten Aktivistinnen. Sie besetzten ein Podium.

Bühne besetzt: Eine Gruppe von Frauen kritisierte, sie würden an den Rand gedrängt. Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Auf der Internationalen Flüchtlingskonferenz, die an diesem Wochenende auf dem Gelände des Hamburger Kampnagel-Theaters stattfindet, haben Aktivistinnen ein Podium gesprengt und die Bühne besetzt.

Im Hauptsaal des Theaters fand gerade eine Podiumsdiskussion zum Thema „Selbstorganisierung“ statt. Aber die DiskutantInnen, die Organsationen wie „Lampedusa in Hamburg“, „International Coalition of Sans-Papiers, Migrants and Refugees“ oder „Deaf Refugees Welcome Hamburg“ angehörten, wurden unterbrochen. Eine Demo stürmte den Saal: 120 Frauen waren vom „Women‘s Space“ zum Hauptsaal gelaufen, um sich das Wort zu nehmen.

Der „Women‘s Space“ soll einen sicheren Raum für Frauen auf dem Kampnagel-Gelände darstellen – liegt aber hinter den Gebäuden und ist nach der Meinung einiger Aktivistinnen zu klein, zu abgeschieden und zu unbequem. Außerdem gebe es dort keinen Strom. „Women‘s space is everywhere!“ – „Der Raum für Frauen ist überall!“, riefen die Aktivistinnen, als sie zum Hauptsaal zogen.

Sie kritisierten auch die Organisation der Konferenz. Die wütenden Frauen setzten sich auf die Bühne zwischen und neben die Podiumsteilnehmer und nahmen einem Sprecher der Lampedusa-Gruppe das Mikrofon weg. Frauen sollten überall Platz haben und Gehör finden, anstatt in eine kleinen Extra-Abteilung gesteckt zu werden, forderten die Aktivistinnen.

Die „Lüge“ von der Selbstorganisation

„Männer dominieren die Konferenz“, kritisierte die Black-Rights-Aktivistin Mamoushka, die aus London angereist war. „Uns Frauen wird das Wort nicht erteilt, da haben wir es uns genommen“, sagte sie. Eine andere Aktivistin, die aus dem Sudan nach Berlin geflohen war, nannte gar die Bezeichnung der Konferenz als selbstorganisierte Flüchtlingskonferenz eine Lüge. „Was heißt hier selbstorganisiert?“, fragte sie die circa 300 ZuhörerInnen im Saal, als sie mit 120 anderen Frauen auf der Bühne saß. „Bestimmt nicht, wenn jemand anderes die Rahmenbestimmungen setzt!“

Letztlich seien es immer die weißen UnterstützerInnen der Flüchtlingskämpfe, die festlegten, welche Räume man nutze, was es zu essen gebe und wie alles drumherum ablaufe. „Es ist keine Flüchtlingskonferenz, sondern eine Konferenz von Supportern, linken Aktivisten und Geflüchteten“, urteilte sie.

Weiße UnterstützerInnen sollen sich nicht verstecken

Viel zu oft versteckten sich die UnterstützerInnen hinter der Bühne, um den Anschein zu vermitteln, die Flüchtlinge seien die alleinigen ProtagonistInnen, erklärte die Aktivistin. „Die Realität ist aber anders“, fuhr sie fort. „Ich will nicht, dass jemand meinen Kampf unterstützt. Ich will, dass die linken Aktivisten ihre Kämpfe kämpfen, und ich kämpfe meinen Kampf, und wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen, kämpfen wir zusammen.“

Dann stellte sie noch klar, dass sich die Kritik nicht allein gegen die UnterstützerInnen richte: „Es ist auch ein Problem von uns Refugees, wir sind ebenso schuld, wenn es falsch läuft.“ Sie wolle mit ihrer Kritik keinesfalls sagen, die UnterstützerInnen leisteten keine wichtige Arbeit – im Gegenteil. „Wenn die UnterstützerInnen plötzlich weg wären, würde hier alles zusammenbrechen. Nur: Sie sollen sich nicht hinter der Bühne und hinter uns Refugees verstecken.“

Noch bis Sonntagnachmittag läuft die Konferenz auf Kampnagel. Am Ende soll eine Resolution verabschiedet werden. Die Veranstalter schätzen, dass 1.000 Menschen aus ganz Europa angereist sind.

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8 Kommentare

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  • Gäbe es mehr selbstverständliche working class mentality in Deutschland, dann gäbe es mehr Konfliktaustragung um die Lebensbedingungen aller.

     

    Übrigens ist eine International Conference schwer zu organisieren, wenn einige Leute in Lagern wohnen müssen, Residenzpflicht wieder eingeführt! - von denen nur selten am Tag ein Bus in die nächste größere Stadt fährt.

    Die Lampedusa-in-Hamburg-Gruppe kam 2013 an und wird vom Scholz-Regime als irregulär behandelt, d.h. sie kriegen keinen Cent für nichts.

    Keine Asylleistungen, deshalb die ganzen Demos 2013- mit 10.000 Leuten.

  • Doch natürlich führen Supporter der Geflüchteten auch eigene Kämpfe.

    Es ist eine Frage wieviel Stunden der Tag hat.

    Kennen Sie sich in den ständig dem Rechtspopulismus angepassten Gesetzen aus?

    Richten Sie eine Alarmmethode ein, um Abschiebungen zu verhindern, die nicht mehr angekündigt werden?

    Die meiste Arbeit besteht in der Wahrnehmung der tatsächlichen Lebenslage im Kontrast zur Rechtslage und in der vielfachen Übersetzungsarbeit.

     

    So und nun bitte alle mal die leerstehenden Häuser beschlagnahmen.

    Wahungen für alle.

  • Oder stehen die (weißen) Helfer grade hinten beim Abspülen?

  • Betrifft Flüchtlingskonferenz.

    Ich finde Eure Wortwahl Eklat und Aktivisten einfach daneben. Es ist die Wortwahl von Springer- und sonstiger Presse.

    Eure Wortwahl "Eklat" und Aktivistinnen liegt neben der Spur,. oder will Taz sich Abendblatt und Mopo Angleichen.

    Was bei Kampnagel passierte war absolut richtig.

     

    Das ist kein Eklat, sondern der richtige Umgang mit dem Thema. Ich finde es toll, dass die 120 Frauen zur sofortigen Selbstorganisation schritten und die vorhandene Fremdorganisation ablehnten und damit einen wirklichen Dialog ermöglichten.

  • Nein, natürlich sind es nicht die Geflüchteten, die die Konferenz organisiert haben. Denn diese Geflüchteten gibt es so gar nicht. Es gibt viele Geflüchtete, darunter so'ne und solche, wie man bei uns sagt. Wie eben unter allen Menschen. Doch weder die einen noch die anderen interessieren sich - aus den verschiedensten Gründen - für eine solche Konferenz. Das tun nur die Projektionen von Geflüchteten, die im linken Denken Mensch gewordene Kritik an den Zuständen sind, die für ungleich verteilte Ressourcen in der Welt sorgen. Letztendlich werden Geflüchtete so vielfach zur Projektionsfläche politischer Ideen anderer. Und weil die Geflüchteten von diesen Ideen vermeintlich profitieren, sind es doch irgendwie auch ihre Ideen. Und Konferenzen. Oder so.

    • @Per Nachname:

      Na da hat wohl jemand mal tatsächlich die Arbeit gemacht und hat mit allen Teilnehmenden auf der Konferenz gesprochen und die einzelnen Hintergründe und Interessen ausgelotet. Sowas lob ich mir.

  • Ich fürchte, wenn sich die "Supporter", die UnterstützerInnen der Geflüchteten nicht mehr "hinter der Bühne und hinter [den] Refugees verstecken" dürften, hätten sie ein riesiges Problem. Dann würde höchstwahrscheinlich sichtbar werden, dass sie gar keine eigenen Kämpfe haben, die sie "auf Augenhöhe kämpfen" könnten mit Leuten, die alles, was sie jemals hatten, hinter sich gelassen haben um ihrer Zukunft willen. Sie haben einfach zu viel zu verlieren, die wohlmeinenden Helfer. Vor allem ihre Überlegenheit.

    • @mowgli:

      Schoen gesagt und wahr gesprochen.