Einstufung der AfD als Verdachtsfall: Das reicht nicht

Endlich hat der Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall eingestuft. Aber die Behörde kann die Auseinandersetzung mit der AfD nicht allein tragen.

Ein AfD-Helfer faltet ein blaues Wahlplaket zusammen

AfD-Wahlkämpfer 2016 in Sachsen-Anhalt Foto: Gordon Welters/laif

Nun also ist die AfD ein rechtsextremer Verdachtsfall. Wir reden von einer Partei, in der die Gräuel des Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ bezeichnet wurden. In der Zuwanderung einigen als „Zersetzung“ dieses Landes gilt und Geflüchtete mit Massenabschiebungen außer Landes befördert gehörten, egal wie die Lage in ihren Herkunftsländern aussieht. In der der Islam als „Krebsgeschwür“ bezeichnet wurde und überlegt, alle Moscheen zu überwachen. Und in der permanent Parteien und Medien, ja letztlich die Demokratie an sich, verächtlich gemacht werden.

Die Frage ist also nicht, ob die AfD ein rechtsextremer Verdachtsfall ist, sondern was es daran ganze zwei Jahre zu prüfen gab. All diese Äußerungen sind rechtsextreme Narrative, und sie ziehen sich bis hoch in die Parteispitze. Es ist daher folgerichtig, dass dies nun auch der Verfassungsschutz quittiert – und die AfD einen Schritt mehr in Richtung NPD rückt.

Und doch hat die Entscheidung einen Makel. Denn durch das lange Abwarten des Geheimdienstes wird diese nun just anderthalb Wochen vor zwei Landtagswahlen publik. Das hat demokratisch einen faden Beigeschmack; es wirkt wie ein Abschreckungsmanöver für Wäh­le­r:in­nen – und ist für die AfD eine Steilvorlage in ihrem Vorwurf, der Verfassungsschutz werde politisch instrumentalisiert. Man hätte es verhindern können, wäre die Einstufung längst erfolgt.

Auch ist noch nicht ausgemacht, ob die Einstufung vor Gericht Bestand hat. Denn die rechtsextremen Äußerungen müssen der Gesamtpartei angelastet werden. Und in den östlichen Bundesländern votierte keine radikale Minderheit für die Partei, sondern mehr als 20 Prozent der Wähler:innen. Dennoch: Nur weil die AfD breit gewählt wird, darf sie das nicht schützen. Im Gegenteil macht es ihre Propaganda umso gefährlicher, wenn sie derart in die Breite streut.

Vormarsch der Radikalen steht bevor

Die Partei selbst dürfte die Einstufung nun vorerst wieder in interne Grabenkämpfe werfen. Vor allem Parteichef Meuthen wird unter Beschuss geraten, dessen Mäßigungsappell eine Einstufung nicht verhinderte. Beamte und wer sich sonst noch in der Partei als bürgerlich versteht, müssten jetzt Reißaus nehmen; eigentlich hätten sie es längst tun müssen. Eine weiterer Vormarsch der Radikalen in der Partei scheint damit vorprogrammiert.

Klar ist aber auch: Der Geheimdienst kann der Gesellschaft nicht die Auseinandersetzung mit der AfD abnehmen. Nicht die Diskussion in der Nachbarschaft, nicht in den Parlamenten, nicht den Widerspruch, wenn die Partei Rassismus oder Revisionismus verbreitet. Diese Auseinandersetzung lässt sich nicht an eine Instanz delegieren, die ihre Befunde hinter verschlossenen Türen erarbeitet.

Also gleich ganz den Verfassungsschutz rauslassen? Das auch nicht. Solange es diese Behörde gibt und diese als Frühwarnsystem fungieren soll, muss sie Demokratiefeinde benennen – auch die der AfD, und auch dann, wenn man einen früheren Zeitpunkt verpasst hat und nun Wahlkämpfe stattfinden. Der Radikalisierung einfach zuzuschauen, geht nicht.

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Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).

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