Einschüchterung von rechts: Deutschland. Aber brutal
„Katapult“ setzt einen Notruf ab: Offenbar bedrohen Rechte die Mitarbeitenden des Magazins. Die Polizei sagt, sie sei nicht informiert.
Auf der Webseite des Magazins Katapult hat der Herausgeber Benjamin Fredrich einen dramatischen „Notruf“ veröffentlicht, mit dem Wunsch: „Lasst uns bitte nicht alleine.“ „Wir sind verstärkt im Fokus der Rechtsextremen, die uns einschüchtern wollen“, sagt Fredrich der taz.
Seit 2016 erscheint das Magazin in gedruckter Form in der Universitätsstadt Greifswald. Größere Resonanz erfährt die Redaktion durch die Veranschaulichung der Themen via Grafiken und Karten. Das vierteljährlich erscheinende Magazin hat laut Verlag eine verkaufte Auflage von über 94.000 Exemplaren. 2023 musste dennoch eine Insolvenz abgewendet werden. Benjamin Fredrich selbst ist nicht unumstritten. Kritik gab es unter anderem wegen nicht erfüllter Versprechen an ukrainische Journalist:innen.
Die Redaktion berichtet stetig über die AfD und die Reichsbürger, von Mobilisierungen gegen Geflüchtetenunterkünfte und Protesten gegen die über Russland verhängten Sanktionen. Mit Katapult MV hat die Redaktion eine alternative Berichterstattung in Konkurrenz zur regionalen Presse aufgebaut.
„Dass wir bei der Demoberichterstattung verfolgt und bedroht werden, ist mittlerweile Normalität“, sagt Fredrich. Zudem müssten Mitarbeitende ihre Autos in größerer Entfernung vom Büro parken und ihre Identität verschleiern. Es sei eine derart „normale Bedrohungssituation“, dass sie als alltäglich hingenommen werde. Erst als Fredrich einem Layouter im Gespräch aufgelistet habe, was so alles passiert sei, habe der Mitarbeiter ihm gespiegelt, dass das nicht „normal“ sei. Nach dem Gespräch verfasst Fredrich den „Notruf“.
Darin berichtet er von mehreren Vorfällen, die sich seit Februar dieses Jahres ereignet haben sollen. Eine Kollegin des Magazins berichtete Fredrich, dass sie bei ihrer Arbeit bei einer Demonstration gefilmt wurde. Als sie wegging, sei sie verfolgt und weiter gefilmt worden.
AFD ist stärkste Partei in Mecklenburg-Vorpormmern
Ein weiterer Vorfall: Eines Tages habe der Bauunternehmer von Katapult ihn angerufen. Zurzeit lässt das Magazin ein neues Gebäude errichten. Eine Gruppe habe Bauarbeiter genötigt, ihre Arbeit einzustellen. In den darauffolgenden Tagen betraten offenbar klar zu identifizierende Rechtsextreme unbefugt das Grundstück, um Bauarbeiter einzuschüchtern. Später sei ein bekannter Sprecher von Querdenker- und Coronademos erschienen, um eine Redakteurin im Haus zu überreden, den Bau zu stoppen. Offenbar gehe man in der Gegend davon aus, dass auf dem Grundstück der Redaktion im Industriegebiet eine Geflüchtetenunterkunft gebaut wird.
Erst im Juni gab es in Greifswald einen Bürgerentscheid gegen die Bereitstellung von Flächen für die Unterbringung von Flüchtlingen. Katapult habe daraufhin überlegt, auf ihrem Grundstück zusätzlichen Raum für Geflüchtete zu schaffen. Auf dem Grundstück steht eine ehemalige Schule, darin befinden sich heute die Redaktionsräumlichkeiten. Das untere Geschoss stellt Katapult 25 Geflüchteten zur Verfügung.
Doch die Überlegung, noch mehr Menschen aufzunehmen, wurde verworfen. „Wir bauen eine Lagerhalle“, stellt Fredrich klar. Die nicht umgesetzte Idee sickerte offenbar trotzdem durch und scheint zu provozieren.
„Wie nie zuvor merken wir derzeit, dass die Rechten stärker werden“, so Fredrich. Die AfD ist mit 35 Prozent bei Umfragen die stärkste Partei im Bundesland – weit über 10 Prozentpunkte vor SPD und CDU. Der Druck der Einschüchterung wachse, so Fredrich, und das klappe tatsächlich. Dieser „Normalität“ will die Redaktion weiterhin entgegentreten. Denn diese sei auch der „Versuch, Journalismus zu verhindern“.
Mit der Polizei stehe die Redaktion in Kontakt, so Fredrich – auch wegen Drohungen per E-Mails. Auf Anfrage der taz lässt das zuständige Polizeirevier Anklam jedoch wissen: „Uns liegen keine Anzeigen vor, wir haben auch alle Kanäle, über die eine Anzeige erfolgen kann, überprüft.“ Die Polizei werde aber nun aufgrund der Berichterstattung über den „Notruf“ von Amts wegen ermitteln.
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