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Einsatz westlicher Waffen gegen RusslandGebremste Freude über „Go“

Die Erlaubnis, westliche Waffen in russischen Grenzgebieten einzusetzen, löst in der Ukraine vor allem positive Reaktionen aus.

Ein ukrainischer Soldat wird nach einem erfolgreichen Gefangenen­austausch am vergangenen Freitag in der Region Sumy begrüßt Foto: Evgeniy Maloletka/AP

KYJIW taz | Ukrainische Politiker und Medien zeigen sich erfreut über die Nachricht von der Erlaubnis westlicher Staaten, nun auch westliche Waffen gegen russisches Territorium einsetzen zu können, die Beschränkung auf grenznahe russische Gebiete stößt hingegen auf Kritik.

In einem Gespräch mit dem US-amerikanischen Verteidigungsminister Lloyd Austin am Rande der Shangri-La-Sicherheitskonferenz in Singapur bedankte sich Präsident Wolodymyr Selenskyj bei der amerikanischen Führung für deren Entscheidung, von Washington gelieferte Waffen auch auf russischem Territorium einsetzen zu dürfen. Gleichwohl bezeichnete Selenskyj diese Entscheidung als „unzureichend“.

Für den Journalisten Iwan Jakowyna von der New Voice (ehemals Nowoje Wremja) wurde mit der jüngsten Entscheidung der westlichen Bündnispartner, „eine neue Seite im russisch-ukrainischen Krieg aufgeschlagen“. Der Krieg werde 2025 mit einem Sieg der Ukraine enden, ist er sich sicher.

Daran habe die jüngste Entscheidung der westlichen Bündnispartner einen wesentlichen Anteil. Nun sei der Höhepunkt der russischen Erfolge überschritten, so Jakowyna. Verwunderlich sei nicht, dass Russland nun auch seine Rhetorik eskaliere, so Jakowyna, begreife man doch dort, dass die Ukraine nun Flughäfen, Militärstäbe, Waffenlager und Eisenbahnknotenpunkte auf dem Territorium der Russischen Föderation angreifen werde.

Früchte zäher Arbeit

Nun könne die Ukraine ihr Territorium zurückerobern, und sogar russisches Gebiet, wie beispielsweise die Stadt Belgorod, betreten, „sollte dies für die Schaffung einer eigenen sanitären Pufferzone notwendig sein“. Und das bedeute langfristig, dass Russland diesen Krieg nicht gewinnen könne.

Dass die USA eine derartige Entscheidung getroffen hätten, sei auch der zähen Arbeit ukrainischer Parlamentarier und Diplomaten zu verdanken. Schließlich hätten die Amerikaner lange aus Furcht vor russischen Drohungen, Atomwaffen einzusetzen, mit dieser Entscheidung gezögert. Eine wichtige Rolle bei dieser Entscheidung habe der jüngste russische Angriff auf das Einkaufszentrum Epizentr in Charkiw gespielt, so Jakowina.

Die Argumentation des australischen Generalmajor Mick Ryan geht in eine ähnliche Richtung. Die Ukraine könne jetzt russische Kommandoeinheiten, Logistik, Flugzeuge auf russischem Territorium unweit von Charkiw angreifen, schreibt er auf New Voice. Demgegenüber müsse Russland seine Strategie, ukrainische Ziele aus der Luft anzugreifen, ändern. Moskau sollte sich schon mal überlegen, wie sie auf weitere Lockerungen der westlichen Bündnispartner beim Einsatz westlicher Waffen in Russland reagieren werden.

Zwar könnte die Ukraine jetzt schon 1.800 Kilometer entfernte Ziele in Russland angreifen. Doch vergleichbare Waffen aus Deutschland und den USA verfügten über größere Sprengköpfe. Es sei immer das Gleiche mit dem Zaudern westlicher Staaten bei Waffenlieferungen, so der australische Militär. Einem „Nein, Nein“ folge ein „Es ist möglich“. Dann hieße es: „Wir beraten uns mit unseren Bündnispartnern“ und erst dann werde ein „Okay“ gegeben.

In der Bevölkerung ist man etwas zurückhaltender ob der neuen Einsatzmöglichkeiten westlicher Waffen. „Ich glaube nicht, dass wir mit verstärkten Angriffen auf russisches Gebiet den Krieg beenden, meint die Arzthelferin Anna, die in Kyjiw an einer Bushaltestelle wartet und ihren richtigen Namen nicht nennen will. „Je mehr wir auf russisches Gebiet schießen, umso mehr werden die doch auch wieder auf uns schießen“, fürchtet sie.

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