Einsatz von Pflanzengiften: Koks künftig ohne Glyphosat
Das Pestizid ist laut WHO wahrscheinlich krebserregend. Toom-Baumärkte verbannen das Mittel, Kolumbien will Koka wieder ausrupfen.
BUENOS AIRES/BERLIN taz/dpa | Selten bekommt eine große Einzelhandelskette spontan Lob von Umweltschützern. Als am Montag allerdings die Rewe Group bekannt gab, bis spätestens Ende September dieses Jahres sämtliche Unkrautvernichter mit dem Wirkstoff Glyphosat aus den Regalen seiner Baumarktkette Toom zu verbannen, reagierte das Greenpeace Magazin mit „Respekt“. Der Nabu lobte, die Rewe Group setze sich „an die Spitze einer Bewegung“.
Diese Bewegung reicht von 250.000 Unterschriften (Stand: Montag, 15 Uhr) einer Onlinepetition von Campact bis zum kolumbianischen Präsidenten. Die Verbraucherschutzminister der Länder haben die Bundesregierung zudem am Freitag aufgerufen, den Verkauf von Glyphosat an Privatleute „aus Vorsorgegründen“ zu verbieten.
Das Mittel ist der weltweit am weitesten verbreitete Unkrautvernichter und wird seit März 2015 von der Weltgesundheitsorganisation WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. In der EU läuft derzeit ein Neuzulassungsverfahren. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält das Mittel für unbedenklich.
Anders Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos. Er gab am Wochenende in Bogotá bekannt, dass das Land in Zukunft auf den Einsatz von Glyphosat gegen illegal angebaute Kokasträucher verzichten will. Zukünftig sollen die kleinen Sprühflugzeuge also nicht mehr ihre herbiziden Ladungen über den Feldern und Köpfen der Menschen ausbringen.
Mit der Hand rausreißen
Geflogen und gesprüht wird bereits seit 1999. Bis 2014 wurden so 1,7 Millionen Hektar Koka vernichtet. Das wurde und wird seit Jahren vor allem von den USA finanziert, wenn auch in den letzten Jahren immer weniger Mittel dafür bereitstanden. Wurden nach Angaben der kolumbianischen Regierung 2002 rund 163.000 Hektar besprüht, so waren es 2013 noch 48.000 Hektar. Santos’ umweltschonende Alternative: Künftig sollen die Sträucher eben wieder von Hand ausgerissen werden.
Vorausgegangen war ein Streit zwischen dem Gesundheits- und dem Verteidigungsministerium. Während Gesundheitsminister Alejandro Gaviria sich für die Ächtung von Glyphosat einsetzte, wetterte Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón gegen eine solche Maßnahme.
„Das Ausreißen von Hand barg ein viel größeres Risiko für das menschliche Leben als jedes andere Mittel. Wir sind auf den Kokafeldern auf Minen und andere Sprengstoffvorrichtungen gestoßen, die Menschen getötet oder für immer verstümmelt haben“, sagte Pinzón. Trotz der Ankündigung des Präsidenten werde er auf den Einsatz von Glyphosat nicht verzichten.
Deal mit der Farc-Guerilla?
Generalstaatsanwalt Alejandro Ordóñez sieht hinter dem Verzicht auf Glyphosat ganz andere Beweggründe: Einen Deal mit der Farc-Guerilla, die vom Koka-Anbau und dem daraus gewonnenen Kokain lebt.
Ein Verbot der Sprühflugzeuge wäre quasi ein Ende des Kampfes gegen den illegalen Anbau. Das sei eine Übereinkunft, die die Regierung mit der Guerilla bei den Friedensverhandlungen in Havanna ausgehandelt habe, so Ordóñez.
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