Einreise in die Türkei: Das gescheiterte Lippenbekenntnis

Für meinen Türkei-Urlaub habe ich Videoaufnahmen angefertig, die meine Treue zum türkischen Regime beweisen sollten. Geholfen hat es nichts.

Ein Anhänger des türkischen Präsidenten Erdogan zeigt ein Erdogan-Portrait während einer Ansprache von Erdogan vor der offiziellen Residenz des Präsidenten in Istanbul im Juni 2018.

Mit dieser Haltung dürfte die Einreise klappen: Erdogan-Anhänger vor der Präsidenten-Residenz in Istanbul im Juni 2018 Foto: dpa | Lefteris Pitarakis

Knapp einen Monat, bevor wir zum ­Urlaub machen in die Türkei fliegen, packt meine Frau Eminanim schon die Koffer. Unsere Tickets haben wir uns bereits vor acht Monaten ­besorgt.

In dieser Hinsicht haben wir uns perfekt integriert. Vorbei sind die Zeiten, in denen wir uns morgens die Tickets geholt und mittags Hals über Kopf losgeflogen sind. Meine Frau packt unsere Koffer auch nicht einfach so, sondern sie geht Punkt für Punkt eine drei Seiten lange Urlaubs-To-do-Liste in alphabetischer Reihenfolge durch, und hakt jeden Punkt mit rotem Filzstift ab.

„So, das war’s! ‚Z‘ wäre damit auch erledigt“, verkündet sie zum Schluss stolz. „Zahnpasta, Zahnseide, Zahnstocher, Zahnzwischenraumbürsten, alles an Bord. Oh, verdammt! Da hätte ich doch glatt was Wichtiges übersehen, weil es neu auf der Liste ist.“

„Was denn, was denn?“, frage ich ängstlich. Bei Allah, hört diese Schikane denn nie auf?!

„Die Sicherheitsaufnahmen fehlen noch, ­Osman“, zischt sie.

„Keine Panik! Wir haben ja noch 30 Tage bis zum Abflug. Das müsste doch zu schaffen sein“, beruhige ich sie. Ich schnappe mir meine Jacke, mein Handy und renne nach draußen.

„Lauf, Osman, lauf! Schnell, schnell“, brüllt sie hinter mir her.

Ich möchte sehr ungern unser schönes Hotel mit einer Gefängniszelle tauschen

Vor einem Jahr haben wir angefangen ­Sicherheitsvideos für den Türkei-Urlaub zu machen. Genau genommen, seitdem in der Türkei jeder jeden ohne Beweise als Vaterlandsverräter, Präsidentenbeleidiger oder Gülen-Anhänger denunzieren kann. Ich möchte sehr ungern unser schönes Hotel mit einer Gefängniszelle tauschen. Der Ismail aus dem türkischen Café bereitet mir nämlich große Sorgen. Nachdem er letztens beim Backgammonspiel gegen mich mehrere Male haushoch verloren hatte, schüttelte er feindselig den Kopf und keifte, er wüsste schon, wie er sich dafür rächen werde, ich würde noch mein blaues Wunder erleben!

Er wird aber sein blaues Wunder erleben. Ich werde sehr überzeugende Aufnahmen machen. Ich klappere mehrere türkische ­Cafés ab und erzähle vor Hunderten von Zeugen in meine Handykamera, wie regierungstreu und was für ein unerschütterlicher Anhänger der türkischen Demokratie ich bin. Oder was davon noch übrig ist. So habe ich für den äußersten Fall einen Videobeweis.

Einen Monat später fliegen wir bei stürmischem Regen zufrieden und glücklich aus Bremen ab. Und kommen in Istanbul in die Traufe! Noch am Flughafen werde ich als Vaterlandsverräter verhaftet. Sofort zücke ich mein Handy. Nachdem sich die Polizisten meine höchst patriotischen Aufnahmen angesehen haben, rücken sie mit dem Namen des Denunzianten raus – Ismail ist es nicht.

„Eine gewisse Frau Alice Weidel von der AfD“, sagt der Polizist und fügt dann etwas verwundert hinzu: „Allerdings hat diese Frau genau 3.246.590 in Deutschland lebende Türken denunziert. Eine super Leistung. Sie ist offensichtlich ein großer Fan der türkischen Regierung.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben