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Einladung der Stiftung LesenAfDler sollen an Schulen vorlesen

Zum Vorlesetag an Schulen, in Bibliotheken und Kitas sollen AfD-Politiker kommen. Wie passt die Einladung zu der angesehenen Stiftung Lesen?

Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Lesen erfuhr erst von der taz von den Einladungen Foto: dpa

Frankfurt am Main taz | Die gemeinnützige und angesehene Stiftung Lesen wirbt auch umstrittene PolitikerInnen der AfD als VorleserInnen an, um sie für ihren bundesweiten Vorlesetag am 17. November an Kitas und Schulen zu vermitteln. In diesem Jahr erging an alle gewählten Landtagsabgeordneten, auch die der AfD, eine persönlich adressierte Einladung, am „größten Vorlesefest zwischen der Nordseeküste und den Alpen“ teilzunehmen. Die Stiftung Lesen bestätigte entsprechende Informationen der taz.

Unter den Adressaten sind auch der Landes- und Fraktionsvorsitzende der AfD im saarländischen Landtag, Josef Dörr, den der Bundesvorstand wegen seiner angeblichen Verbindungen in die Neonaziszene aus der Partei ausschließen lassen wollte, sowie sein Fraktionsgeschäftsführer Rudolf Müller. Der hatte für Schlagzeilen gesorgt, weil er in seinem Antiquitätengeschäft mit Nazidevotionalien und KZ-Geld gehandelt hatte.

Für den Vorlesetag vermittelt die Stiftung alljährlich unbekannte sowie prominente VorleserInnen aus Politik und Gesellschaft. In Bildungseinrichtungen, Bibliotheken und anderen Veranstaltungsorten treten sie vor allem vor Kindern auf, um für das Vorlesen zu werben. „Bei der Veranstaltungsplanung sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt“, so die Stiftung. Auf den Einladungen, die auch den AfD-PolitikerInnen zuging, heißt es: „Jeder Einsatz ist gefragt.“ Offenbar auch der von Menschen, die sich mit rassistischen und antisemitischen Äußerungen hervorgetan haben.

Stiftung Lesen

Die Stiftung Lesen ging 1988 aus dem 1977 gegründeten Verein Deutsche Lesegesellschaft hervor. Ihr Zweck ist laut Satzung „die umfassende Förde­rung des Lesens in allen Be­völ­ke­rungskreisen so­wie die Pflege und Er­hal­tung einer zeit­ge­mäßen Lese- und Sprach­kul­tur“. Durch die För­derung der Lese­fähigkeit und Lese­­gewohnheit sollen für die Ent­wicklung von Medienkompe­tenz notwendigen Grund­­­lagen ge­schaffen werden. Schirmherr der Stiftung ist der Bundespräsident, Vorsitzender Joerg Pfuhl von der Holtzbrinck Publishing Group. In ihrem Stiftungsrat hat sie einen illustren Kreis von Unterstützerverbänden und -organisationen versammelt, darunter den Deutschen Kulturrat, den DGB, den Deutschen Olympischen Sportbund, die Hochschulrektorenkonferenz und die Bundesagentur für Arbeit.

Seit 2004 gibt es den von der Stiftung Lesen gemeinsam mit der Zeit und der Deutschen Bahn Stiftung initiierten Bundesweiten Vorlesetag, der jährlich am dritten Freitag im November stattfindet. Jeder, der Spaß am Vorlesen hat, liest an diesem Tag anderen vor – zum Beispiel in Schulen, Kindergärten, Bibliotheken oder Buchhandlungen. Dabei hilft die Stiftung bei der Suche eines Veranstaltungsortes oder eines Vorlesers. Ziel des Aktionstags ist es, „ein öffentlichkeitswirksames Zeichen für die Bedeutung des Vorlesens“ zu setzen. 2016 nahmen 135.000 VorleserInnen teil, auch mehr als 1.000 PolitikerInnen, darunter die BundesministerInnen Wolfgang Schäuble, Andrea Nahles und Manuela Schwesig. Der nächste Bundesweite Vorlesetag findet am 17. November statt. (pab)

So nämlich steht auch der umstrittene AfD-Fraktionsvorsitzende aus Sachsen-Anhalt, Andrè Poggenburg, auf der Einladungsliste. Er wird dem völkischen Flügel seiner Partei zugerechnet und fordert von Kulturschaffenden „einen positiven Bezug zur Heimat“. „Helfen Sie dabei, Wucherungen am deutschen Volkskörper endgültig loszuwerden“, forderte er etwa. Gemeint waren damit linke Studierende an der Uni Magdeburg, die er als „linksextreme Lumpen“ bezeichnete. Was würde Poggenburg wohl in Kitas und Schulen vorlesen?

Auch der wegen seiner antisemitischen Äußerungen umstrittene Stuttgarter AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon ist eingeladen. Für ihn ist das Judentum der „innere“ und der Islam der „äußere Feind des christlichen Abendlandes“. Sein Buch trägt den Titel: „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“.

Björn Höcke gehört wie Poggenburg zum völkischen Flügel der Partei – am Vorlesetag könnte er demonstrieren, was er unter „identitätsstiftender Kulturpflege“ versteht. Gegen ihn ist wegen rassistischer Äußerungen ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet worden, doch er erhielt ebenso eine persönliche Einladung wie Jörg Meuthen, Frauke Petry und Marcus Pretzell.

Wie passt das Einladen von PolitikerInnen, die Vorurteile verbreiten oder rassistische und antisemitische Positionen vertreten, zu den Grundsätzen der Stiftung Lesen? Dort heißt es: „Sie (die Stiftung) schließt die Zusammenarbeit mit Parteien, Institutionen und anderen Gruppen oder Einzelpersonen, die antidemokratisches, rassistisches, fremdenfeindliches oder diskriminierendes Gedankengut vertreten oder verbreiten, aus.“

Partner der Stiftung beim Vorlesetag ist die Stiftung der Deutschen Bahn AG. In deren Grundsätzen heißt es: „Wir leben Solidarität mit Menschen am Rande der Gesellschaft, indem wir uns dafür einsetzen, Vorurteile abzubauen.“

NPD war immer ausgeschlossen

Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Lesen, der frühere ZDF-Intendant Markus Schächter, erfuhr offenbar erst durch die taz von den Einladungen an die AfD-PolitikerInnen. Es gebe einen Vorstandbeschluss, nach dem alle gewählten Abgeordneten jenseits der NPD angeschrieben werden sollten, teilte Schächter schließlich mit. Kommentieren mochte er den Vorgang aber nicht.

Die Stiftung Lesen selbst erklärte der taz: „Wie in den vergangenen Jahren haben wir auch dieses Jahr alle gewählten Abgeordneten demokratischer Parteien im Bundestag und in den Landtagen auf den bundesweiten Vorlesetag hingewiesen. Jede Einrichtung entscheidet selbst, ob und mit welchen Aktionen und Personen sie sich beteiligen möchte. Ausgenommen von dem Hinweis auf den Vorlesetag war stets die NPD, da deren Parteiprogramm klar unseren Leitlinien widerspricht“.

Fast wortgleich antwortete der Zeitverlag. Die Wochenzeitung Die Zeit unterstützt den Vorlesetag als Medienpartner. In den Vorjahren druckte sie die lange Liste aller Namen der freiwilligen VorleserInnen ab. Der saarländische Bildungsminister Ulrich Comerçon, SPD, selbst Kuratoriumsmitglied der Stiftung, versicherte der taz immerhin: „Man kann keine Schule dazu zwingen, AfD-VertreterInnen einzuladen.“

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9 Kommentare

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  • Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schreibt:

     

    „Das Grundgesetz ist die Basis unseres Zusammenlebens.

     

    Die Menschenwürde ist unantastbar. Der Schutz der Menschenwürde steht an allererster Stelle im deutschen Grundgesetz. Das hat einen guten Grund:

     

    Es ist noch nicht sehr lange her, da haben Nationalsozialisten in Deutschland und in ganz Europa Menschen u.a. aufgrund ihrer Religion, ihrer Herkunft oder ihrer politischen Einstellung verfolgt, misshandelt, gefoltert und millionenfach getötet. Sie nahmen diesen Menschen auf vielfältige Weise ihre Würde.“

     

    Nun forderten mindestens 2 Spitzenpolitikerinnen der AfD, auf Kinder und Frauen an der Deutschen Grenze mit Waffen zu schießen. In Bezug auf Bildung fordern die AfD Politiker Maßnahmen, die Flüchtlingskinder diskriminieren würden.

     

    Sicherlich werden viele Kinder zu diesen Informationen kommen. Wenn die Stiftung Politiker der AfD einlädt, um für unsere Kinder vorzulesen, dann ist es mindestens enttäuschend.

     

    Eltern, die mit dieser Stiftung unzufrieden sind, können von der Politik durchaus fordern, dass die Spenden von dieser Stiftung zu Gunsten der Kinderarmutbekämpfung verlagert werden!

     

    Die Einnahmen der Stiftung betrugen im Jahr 2016 insgesamt rund 9,63 Millionen Euro und übertrafen damit das Vorjahresniveau mit einem Anstieg von über 21 Prozent (2015: 7,94 Millionen). Eigentlich müssen die Behörden wie Finanzamt und Bundesrechnungshof diese Stiftung turnusmäßig prüfen. Geprüft werden muss z.B. die Gemeinnützigkeit und damit einhergehende Steuerbefreiung. Durchaus kann bei vielen gemeinnützigen Unternehmen bzw. gemeinnützigen Stiftungen die Mittelverwendung angemahnt werden. Dabei können im Allgemeinen Rechnungen und zu den Einnahmen proportionaler Anstieg der Kosten aber auch im Speziellen interne Verrechnungen, Gehälter der Geschäftsführung und Managements sowie die Notwendigkeit der Firmenfahrzeuge geprüft werden.

  • Folgende Worte und Äußerungen sind von einem Politiker der AfD am 08.05.2017 im Landtag Sachsen-Anhalt gefallen, als die Rede über Kinder und Schulen ging.

     

    Zitat: „SCHAREN von Flüchtlingskindern an unsere Schulen kamen...“

     

    Es wurden alle Flüchtlingskinder pauschalisierend schlecht geredet z.B. dass alle Flüchtlingskinder gewalttätig seien. Es wurde in Erregung gezogen, die Schulpflicht für Flüchtlingskinder ganz auszusetzen.

     

    Die AfD fordert die Sonderklassen für Flüchtlingskindern, in denen sie getrennt von den Deutschen Kindern unterrichtet werden. Spezielle Sprachförderklassen sind aber schon da! (Ergänzungsangebot zum Regelunterricht).

     

    Zitat: „Wir müssen den Flüchtlingskindern keinen pädagogischen Luxus bieten. Es recht völlig aus, wenn wir bei der Gestaltung des Unterrichts nach den Umständen orientieren, die in den Herkunftsländern üblich sind.“

     

    In Vielen Ländern aber werden Kinder im Unterricht geschlagen!

     

    Zitat: „Wir müssen den Flüchtlingskindern die Botschaft vermitteln...bereitet schon jetzt euch auf eure Rückkehr vor.“

     

    Zitat (diskriminierende Äußerung gegen die Bürger mit türkischem Hintergrund):

     

    „Wenn wir nicht wollen, dass sich die Geschichte der Türkischen Gastarbeiter wiederholt, die nach einigen Jahren gehen sollten und hier geblieben sind ... sollten wir alles daran setzen, gerade keine Integration zu betreiben.“

     

    Und es darf lt. der AfD der Anteil von Flüchtlingskindern nicht mehr als 10 % pro Klasse betragen.

     

    Berlin wurde im Vergleich zum Magdeburg herabsetzend beschrieben.

     

    Es wurde gesagt, dass die Deutsch-Türkischen Beziehungen wegen Gastarbeitern verdorben sind, was nicht stimmt!

     

    Fazit: „Wo ist da der Unterschied zu der NPD“? Die NPD hat wahrscheinlich nicht so viel Kinder diskriminierende Politik betrieben.

    https://www.youtube.com/watch?v=xA8TT8UKbVw

  • Stiftung schreibt auf eigener Homepage:

     

    „Lesen muss Teil jeder Kindheit und Jugend werden, damit alle die gleichen Chancen haben. Dafür engagiert sich die Stiftung Lesen mit mehr als 100 Projekten und Programmen.“

    https://www.stiftunglesen.de/

     

    Das widerspricht sich total! Warum?

     

    Die AfD hatte am 08.05.2017 im Landtag Sachsen Anhalt über Flüchtlingskinder gesprochen. Die Rede war mindestens so diskriminierend, dass ein Politiker von einer anderen Partei Folgendes sagte:

     

    „Ich schäme mich als Mensch und als Parlamentarier für Ihre Äußerungen hier heute im Landtag. Eine Version einer Selektion an der Hochschultür ist Menschenverachtend und nichts anderes!

    https://www.youtube.com/watch?v=xA8TT8UKbVw

     

    Sehr geehrter Herr Dr. Joerg Pfuhl und sehr geehrte Frau Barbara Schleihagen, kann Lesen ein Teil jeder Kindheit sein, wenn die AfD Kinder mindestens diskriminiert und trotzdem von Ihrer Stiftung eingeladen wird?

    https://www.stiftunglesen.de/meta/impressum/

     

    Viele Eltern und Kinder werden von Ihrer Stiftung total enttäuscht sein!

  • Ja wie? Wat issen nu ditte - kerr?!

     

    "Wie passt das Einladen von PolitikerInnen, die Vorurteile verbreiten oder rassistische und antisemitische Positionen vertreten, zu den Grundsätzen der Stiftung Lesen? Dort heißt es: „Sie (die Stiftung) schließt die Zusammenarbeit mit Parteien, Institutionen und anderen Gruppen oder Einzelpersonen, die antidemokratisches, rassistisches, fremdenfeindliches oder diskriminierendes Gedankengut vertreten oder verbreiten, aus.“

     

    Sorry - aber was gibt es da noch -

    Rumzukapern - wa?!

    &

    Die Zeit - ??

    Ist mir seit Dönhoff/Sommer eine

    Unleserliche Postille geworden

    &

    Heute mit einem Chefle -

    Der meint zweimal wählen zu können

    Einfach zu unterbelichtet - wa!

    Aber mit Verlaub - Soll das eine

    Anknüfung an F.D.P.-Liberalität sein?!

    Als mit IOS-Mende ("mit Bernie im Kornfeld") aka Ritterkreuz Erich &

    Ernst Achenbach - der Job dieser

    "National-Liberalen" darin bestand -

    Nazis zu - Inkludieren!

  • Was schlagen Sie denn vor, soll man diese Politiker der AfD am besten gleich festnehmen lassen, gar erschießen?

    Vielleicht gehen Sie besser mal einen Schritt zurück, verlassen die Schnappatmung, und überlegen was korrektes Demokratisches Verhalten ist.

    Die AfD ist eine Demokratische, demokratisch gewählte Partei. Wäre sie dies nicht wäre sie nicht zur Wahl zugelassen und säße nicht in zig Landesparlamenten.

    Dass Ihnen diese Vertreter und ihre Politik bzw. Forderungen nicht gefallen ist mir schon klar. Deswegen sind Sie ja auch bei der TAZ engagiert.

    Aber überlegen Sie mal wenn mit gleicher Verve andere fordern würde jegliche Vertreter der Linken, bzw. der linken Grünen bzw. linken SPD auch auszuschließen. Was wäre dann? Hmmh?

    Gewöhnen Sie sich besser jetzt schon dran, ab 24.September sitzt die AfD auch im Deutschen Bundestag.

  • Muss dieses unvermeidliche, moralinsauer-verschnupfte Feststellen jeder Nicht-Ächtung der AfD wirklich sein??

     

    Ja, es ist bedauernswert, dass diese Partei existiert und bei etlichen Wahlen so viele Wähler begeistern konnte. Aber das kann man halt nicht mehr ändern, und damit hat jeder AfD-Abgeordnete zunächst mal die gleiche demokratische Legitimation zur Teilnahme am öffentlichen Leben wie jeder andere gewählte Volksvertreter. Insofern ist es verständlich, wenn nominell politisch neutrale Einrichtungen die Latte für einen Ausschluss solcher Volkvertreter sehr hoch hängen.

     

    Ich halte es auch für letztlich undemokratisch und totalitär, jemand wie die Stiftung Lesen zur Durchsetzung bestimmter Sichtweisen instrumentalisieren zu wollen, was dem "kleinen Mann" politisch guttut und was nicht. Die AfD-Leute sind gewählt, und es läuft auch kein Verbotsverfahren gegen ihre Partei. Das muss reichen.

    • @Normalo:

      Schnappatmung im engage

       

      Gutes Stichwort -

      Der Leseladen isn Verein -

      Nicht Vater Staat oder sonst

      Öffentlich-rechtlich Getuntes - kerr!

      Mit nem Programm - &

      Daran den Laden zu messen - wa!

      Voll korrekt!

      kurz - Schaum am Rasierpinsel - ok.

      But. Nothing else.

  • Vielleicht wollen sie die ja blamieren. Oder sind die etwa des Lesens fähig?

  • 9G
    970 (Profil gelöscht)

    Lieber Serdar Somuncu einladen. Der kann gut vorlesen...