Einkommensunterschiede: Endlich über Geld reden
Eine Artikelreihe der „Zeit“ bricht ein deutsches Tabu: Menschen sprechen über ihr Einkommen.

Wer die Protokolle liest, darf unauffällig durch eine Luke in die Wirklichkeit anderer spicken. Es geht nicht nur um Gehälter, sondern auch um Abzweigungen und Wendepunkte. Über wie viele Umwege gelang der Politikwissenschaftler zum Beispiel vom Seminarraum ans Bierfass? Das aktuellste Protokoll ist das einer Tischlerin mit 2.200 Euro netto zum Leben.
Die Besonderheit dieser Texte liegt in ihrer angenehmen Schlichtheit. Menschen erzählen unaufgeregt von Handgriffen, die ihnen selbstverständlich sind. In den ersten Besprechungen ihrer Frühschicht ist die OP-Pflegekraft routiniert. Doch lädt der Schwank aus ihrem Leben die Leser*innenschaft zu neuen Fragen ein: Wann wird zwischendrin eigentlich gefrühstückt, und setzt sie sich nach Feierabend noch kurz mit Kolleg*innen auf eine Bank?
Neben dieser menschlichen trägt die Reihe auch eine politische Dimension. Sie bricht ein Tabu, das in Deutschland tief verwurzelt ist: über Geld zu sprechen. Einkommen gelten hierzulande gern als Privatsache, obwohl ihre Höhe oft das Resultat politischer Entscheidungen ist.
Das Format schafft Transparenz
Gerade deshalb ist der Vergleich unverzichtbar. Wer sieht, was anderswo gezahlt wird, kann selbstbewusster in die nächste Gehaltsverhandlung gehen. Die Redakteur:innen überprüfen jegliche Angaben zum Gehalt, indem sie Einsicht in die Kontoauszüge nehmen, schreibt die Zeit in ihrem Aufruf. Das Format schafft Transparenz, es macht Unterschiede sichtbar, und es öffnet Raum für ein Gespräch, das von kollektivem Interesse ist, aber auch kollektiv gescheut wird.
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