piwik no script img

EinkommensunterschiedeEndlich über Geld reden

Eine Artikelreihe der „Zeit“ bricht ein deutsches Tabu: Menschen sprechen über ihr Einkommen.

Die Artikelreihe bricht ein Tabu, das in Deutschland tief verwurzelt ist: über Geld zu sprechen Foto: blickwinkel/imago

Berlin taz | Wie kam ein Politikwissenschaftler in eine kleine Privatbrauerei, und wie viele Stunden lang ist eine OP-Pflegekraft im Bereitschaftsdienst wach? In der Zeit-Serie „Kontoauszug“ berichten Berufstätige selbst von ihrem Alltag. Sie öffnen dabei Türen in Räume, die sonst verschlossen bleiben. Die Zeitung ruft seit geraumer Zeit zur Teilnahme an der Serie auf.

Wer die Protokolle liest, darf unauffällig durch eine Luke in die Wirklichkeit anderer spicken. Es geht nicht nur um Gehälter, sondern auch um Abzweigungen und Wendepunkte. Über wie viele Umwege gelang der Politikwissenschaftler zum Beispiel vom Seminarraum ans Bierfass? Das aktuellste Protokoll ist das einer Tischlerin mit 2.200 Euro netto zum Leben.

Die Besonderheit dieser Texte liegt in ihrer angenehmen Schlichtheit. Menschen erzählen unaufgeregt von Handgriffen, die ihnen selbstverständlich sind. In den ersten Besprechungen ihrer Frühschicht ist die OP-Pflegekraft routiniert. Doch lädt der Schwank aus ihrem Leben die Le­se­r*in­nen­schaft zu neuen Fragen ein: Wann wird zwischendrin eigentlich gefrühstückt, und setzt sie sich nach Feierabend noch kurz mit Kol­le­g*in­nen auf eine Bank?

Neben dieser menschlichen trägt die Reihe auch eine politische Dimension. Sie bricht ein Tabu, das in Deutschland tief verwurzelt ist: über Geld zu sprechen. Einkommen gelten hierzulande gern als Privatsache, obwohl ihre Höhe oft das Resultat politischer Entscheidungen ist.

Das Format schafft Transparenz

Gerade deshalb ist der Vergleich unverzichtbar. Wer sieht, was anderswo gezahlt wird, kann selbstbewusster in die nächste Gehaltsverhandlung gehen. Die Re­dak­teu­r:in­nen überprüfen jegliche Angaben zum Gehalt, indem sie Einsicht in die Kontoauszüge nehmen, schreibt die Zeit in ihrem Aufruf. Das Format schafft Transparenz, es macht Unterschiede sichtbar, und es öffnet Raum für ein Gespräch, das von kollektivem Interesse ist, aber auch kollektiv gescheut wird.

Reihe „Kontoauszug“ in der „Zeit

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare