piwik no script img

Einigung auf Cannabis-LegalisierungDas Gesetz ist in der Tüte

Das Bundeskabinett hat die Teillegalisierung von Cannabis beschlossen. Gesundheitsminister Lauterbach zeigte sich zufrieden – trotz viel Kritik.

Der Privatbesitz von bis zu 25 Gramm Cannabis soll erlaubt werden Foto: Robin Utrecht/picture alliance

Berlin taz | Eine „Wende in der deutschen Drogenpolitik“ und die „beste bisher versuchte Legalisierung“ überhaupt: Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sparte am Mittwoch nicht mit Eigenlob, als er den kurz zuvor im Kabinett beschlossenen Entwurf des Cannabisgesetzes vorstellte. Wenn dieser im Herbst vom Bundestag verabschiedet wird, ist der Anbau und die Abgabe von Cannabis in Deutschland unter bestimmten Bedingungen legal.

Im Wesentlichen stimmt der Kabinettsbeschluss mit einem zuvor aus dem Gesundheitsministerium bekannt gewordenen Referentenentwurf überein. Kritik an dem Gesetz kommt weiterhin von allen Seiten: Sowohl von denen, die sich eine deutlich liberalere Cannabis-Politik gewünscht hätten, als auch von jenen, die einer Legalisierung skeptisch gegenüberstehen.

Laut dem vom Kabinett beschlossenen Entwurf soll der Privatbesitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt werden, sowie der private Anbau mit bis zu drei Pflanzen. In gemeinnützigen Cannabis-Anbauvereinigungen sollen sich bis zu 500 Menschen zum Anbau zusammenfinden dürfen. Die Vereinigungen sind im Gesetzentwurf weiterhin strengen Regeln unterworfen.

Außerdem nimmt der Entwurf den Jugendschutz in den Fokus: Ab 18 Jahren ist der Besitz von Cannabis gestattet, ab 21 Jahren ohne zusätzliche Mengenbeschränkung. In einem später geplanten zweiten Gesetz sollen dann in Modellregionen Cannabis-Fachgeschäfte erlaubt werden.

Er sei froh, dass das Kabinett seinem Entwurf gefolgt sei, sagte Lauterbach, denn damit würden real existierende Probleme gelöst, denen die bisherige Prohibition nicht begegne. So würde der Schwarzmarkt ausgetrocknet, Kon­su­men­t*in­nen würden weniger Gefahr laufen, verunreinigte Produkte mit toxischen Beimischungen zu erhalten, der Kinder- und Jugendschutz würde ausgedehnt.

Kritik von unterschiedlichen Seiten

Dass das Gesetz von zwei Seiten kritisiert würde, sei in diesem Fall ein gutes Zeichen, so Lauterbach, denn bei diesem Gesetz brauche es vor allem Augenmaß. „Ich begrüße die Kritik, denn wir brauchen die gesellschaftliche Debatte. Das Thema Cannabis muss enttabuisiert werden.“

Kritik kam aus den Oppositionsparteien: CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt lehnte die Legalisierung vollständig ab: „Das ‚Cannabis für alle‘-Gesetz der Arroganz-Ampel ist absolut verantwortungslos und ein Anschlag auf den Jugend- und Gesundheitsschutz in Deutschland.“

Dem gesundheitspolitischen Sprecher der Linken, Ateş Gürpinar, geht das Gesetz dagegen nicht weit genug: „Die richtige Legalisierung, die die Ampel im Koalitionsvertrag angekündigt hatte, ist abgeblasen. Stattdessen hat man ein Bürokratiemonster geschaffen, mit vielen neuen Regeln, die nicht für alle einzuhalten sein werden.“

Der Deutsche Hanfverband begrüßte den Kabinettsentwurf als Meilenstein auf dem Weg zur Reform der Cannabispolitik, kritisierte aber viele der Punkte als immer noch zu restriktiv. Von der nun folgenden Abstimmung im Bundestag erhoffte sich der Verband „frischen Wind in der Diskussion um die Details“.

Bevor der Gesundheitsminister in der Bundespressekonferenz Platz nahm, posierte er noch im Foyer vor einem großen Bildschirm, der die begleitende Kampagne seines Ministeriums zeigte. Die Legalisierung müsse von einer umfassenden Aufklärung über die Risiken von Cannabis-Konsum flankiert werden, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Vor allem die Auswirkungen auf die Gehirnreifung jugendlicher Kon­su­men­t*in­nen müsse bekannter werden, erklärte Lauterbach. Die Kampagne soll mit in Fokusgruppen getesteten Slogans wie: „Legal, aber … Brokkoli ist mir lieber“, oder „Legal, aber … my body, my temple“ vor allem junge Menschen ansprechen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • Second

    Tja - die volle Dröhnung & der Stuß!



    “Einigung auf Cannabis-Legalisierung: Das Gesetz ist in der Tüte“



    Du meine Güte - Gesetz? - Parlamentarismus in der Tonne?



    Ach so! “Kabinettsbeschluss“ - Headlinerastellis - hört den Schuß!



    Schenkelbrecher - werden leicht zum 🥴🤢🤮 - Erbrecher! - 🤮 -



    Denn nur ungern nimmt der Handelsmann!



    Statt baren Geldes - 👄 🪑 an •

  • Was ich mich frage und noch nirgendwo auch nur ansatzweise erklärt vorgefunden habe:

    "[...]soll der Privatbesitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt werden, sowie der private Anbau mit bis zu drei Pflanzen[...]"

    Wie soll denn das bitte zusammenpassen? Unter bestmöglichen Bedingungen liefert eine Pflanze bis zu 200g Ertrag, aber auch mit simplem "einfach im Blumentopf auf die Terrasse, ab und zu gießen" sind die 25g locker durch eine einzige Pflanze überschreitbar.

    • @OMG ITS DAS MARK:

      Das wissen die auch und haben sich eine sehr schlaue Lösung dafür überlegt.

      Die Pflanze soll sukzessive abgeerntet werden, so dass man nie mehr als 25g rauchbares Cannabis besitzt. Sind die ersten 25g verbraucht, darf man die nächsten 25g abernten und so weiter.

      Kein Witz, steht wirklich so im Gesetzentwurf! Kann man sich nicht ausdenken...

  • Wichtig ist, dass Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen wird und die Strafbarkeit von Besitz, Konsum pp. innerhalb der durchaus großzügigen Grenzen vollkommen entfällt, sodass das irre Karussell wegfällt, in den bisher abertausende Strafverfahren eingeleitet wurden, nur um dann wieder eingestellt zu werden und junge Menschen durch Strafverfolgung unnötig stigmatisiert wurden.



    Dass die Polizei und der Richterbund dagegen sind, ist vor diesem Hintergrund unverständlich, fällt doch so massenhaft unnötige Arbeit weg. Das kann dann wohl nur ideologische Vebohrtheit sein.



    Dass die Durchführung des Gesetzes dann ziemlich Bürokratie-lastig wird, ist im hier betroffenen Verwaltungsrecht ja der Normalfall und nichts per se kritikwürdiges. Immerhin werden jetzt die echten Probleme im Umgang mit Cannabis ins Visier genommen statt einfach nur mit dem Strafrechts-Knüppel draufzuhauen.

  • Ich hätte nicht gedacht, das noch zu erleben!

    Geht natürlich nicht weit genug und gerade das Ziel den Schwarzmarkt auszutrocknen wird man wohl nicht erreichen, solange es so restriktiv gehandhabt wird wie derzeit geplant. Dazu wird es erst kommen, wenn legales Cannabis leichter verfügbar und billiger ist als Schwarzmarkt-Cannabis.

    Aber dennoch ein großer Schritt in die richtige Richtung. Wurde auch Zeit!

  • Ich freue mich schon auf die Diskussionen um den Paragraphen §64, um Schuldunfähigkeit und die Frage "Ist bei einem gesetzeskonformen Konsum die Frage nach dem Mißbrauch zur Bewertung legitim"?

    Aber vermutlicher ist diese Diskussion angenehmer als die Aufmärsche in den Münchner Bierkellern, wenn Alkohol restriktiver betrachtet werden würde.

  • „Legal, aber … Brokkoli ist mir lieber" ich breche zusammen. Muss ja ne geile Focusgruppe zum testen gewesen sein.

    • @Andreas J:

      Die Kreativen der beauftragten Agentur dachten sich vermutlich, dass es am besten sei die allseits bekannten und beliebten Aussagen "Cannabis ist kein Brokkoli" und "Tu ma lieba die Möhrchen" einfließen zu lassen weil das die dümmlich-ideologische Drogenpolitik der Vergangenheit die man ja eigentlich überwinden wollte ganz genauso berücksichtigt wie das intellektuelle Niveau auf dem man meint die mündigen Bürger*innen bevorzugt adressieren zu können.

    • @Andreas J:

      Das ist ein versteckter Diss gegen die Bundesweißbierbeauftragte Daniela Ludwig (im Bild links www.jungewelt.de/img/1100/156442.jpg).

      • @Ajuga:

        Weiß ich. Trotzdem langweilig.