Einheitsdenkmal am Berliner Schloss: Stillgestellte Bewegung
In Berlin baut man zur Erinnerung an die Wende eine Wippe. Doch die Einweihung des Einheitsdenkmals verzögert sich – wieder einmal.
Am 9. November 2007 beschloss der Deutsche Bundestag den Bau eines solchen Denkmals. Ein erster Wettbewerb zur Gestaltung fand 2009 kein Ergebnis, ein zweiter Anlauf 2010 kürte als Sieger den Entwurf des Stuttgarter Büros Milla & Partner in Arbeitsgemeinschaft mit der Choreografin Sasha Waltz: die sogenannte Einheitswippe. Diese Idee wird nun seit 2020 umgesetzt, nachdem es wegen gestiegener Kosten in der Vergangenheit zu zeitweiligen Bedenken und Pausen für das Projekt kam. Rund 17,1 Millionen Euro sind veranschlagt. Wahrscheinlich werden es mehr.
Genaueres ist derzeit nur schwer zu erfahren. Beim Bauherrn, der Bundeskulturbeauftragten Claudia Roth, zeigt sich deren Pressesprecher wenig informiert und interessiert an dem Projekt. Man habe es von den Vorgängern geerbt.
Bei der Projektleitung, dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), will man nicht zitiert werden und bei Milla & Partner als „Generalübernehmer aller Planungs- und Bauleistungen für das Denkmal“ sind offenbar alle ausgeflogen: Es ist Urlaubszeit in Berlin. Die Stadt gehört den Touristen.
Baustelle vor dem Schloss
Auf der Baustelle zwischen Berliner Schloss und der Spree ist von der Wippe bisher nur die Verschalung ihres Unterbaus zu sehen. Das zukünftige Denkmal wird auf dem verbliebenen Sockel des Kaiser-Wilhelm-Nationaldenkmals seinen Platz finden, dessen Reiterstandbild von der DDR 1949 abgerissen wurde. Das auf das alte aufgesattelte neue Denkmal soll nach dem „Prinzip der Schichtung“ die „bewegte Geschichte des Ortes“ lesbar halten, wie es im Konzept von Milla & Partner heißt.
![](https://taz.de/picture/5672641/14/wochenendkasten-1.png)
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Das neue Denkmal, die begehbare, 50 mal 18 Meter große Schale, ist als „kinetisches Objekt“ gedacht, das durch „Partizipation und Interaktion“ in Bewegung gebracht werden kann: Wenn mehr als 20 Menschen sich auf einer Seite der Schale versammeln, neigt sich das Denkmal zur anderen Seite. Doch die immerhin maximal 1.400 Menschen fassende Schale, die derzeit bei einer Metallbaufirma in Nordrhein-Westfalen gebaut wird, scheint mit Material‑ und Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. Einen neuen Eröffnungstermin für die Einheitswippe gibt es derzeit nicht.
Wie gesagt: Es ist Ferienzeit und irgendwie scheint sich auch das gerade abwesende deutsche Volk nicht richtig für das Denkmal zu interessieren.
Dabei sind noch wichtige Fragen offen: Etwa was die direkt neben dem Denkmal geplante Freitreppe hinab zur Spree angeht, die hier als Flussbad benutzt werden soll. Diese Idee, die zufällig genauso alt wie das Einheitsdenkmal ist und also ins Jahr 1998 zurückreicht, steht derzeit wieder auf der Kippe.
Berlins Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) scheint kein Freund des Projekts zu sein. An der Stelle der Freitreppe hat sich derzeit noch ein kleines Biotop aus buntem Gestrüpp erhalten, das selbst den Bau der erst im vergangenen Jahr fertiggestellten U-Bahn genau darunter überdauert hat.
Es mag sein, dass man die Würde des Denkmals durch hier im Fluss Badende gestört sehen kann. Allerdings scheint die Wippe selbst das Zeug für eine Jahrmarktsattraktion zu haben. Die heute noch bierbikenden Berlintouristen werden sich die Gaudi wohl kaum entgehen lassen, das Denkmal zu rocken, gemäß dem im Boden der Denkmalschale eingelassenen Motto: „Wir sind das Volk“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“