Eingeschränkter Schutz für SyrerInnen: Gericht stärkt umstrittene Bamf-Praxis
Anders als noch vor zwei Jahren bekommen SyrerInnen meist nur noch subsidiären Schutz. Ein Gericht hat eine Klage dagegen nun zurückgewiesen.
Im vorliegenden Fall ging es um einen 48-jährigen syrischen Familienvater, der im September 2015 aus der seinerzeit belagerten syrischen Stadt Aleppo über die sogenannte Balkanroute nach Deutschland geflohen war und hier Asyl beantragt hatte. Das Bamf erkannte dem Syrer lediglich den sogenannten subsidiären Schutzstatus zu.
Dieser schützt zwar vor Abschiebung, Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz dürfen ihre Familien aber erst nach geraumer Zeit nachholen. Die entsprechende Entscheidungspraxis des Bundesamts geht auf das Asylpaket II zurück.
Der Syrer klagte gegen die Bamf-Entscheidung vor dem Verwaltungsgericht Münster, das ihm daraufhin den vollen Schutzstatus als Flüchtling zuerkannte. Dieses Urteil änderte das OVG nun ab: Es gebe keine Erkenntnisse, dass zurückkehrende syrische Asylbewerber wegen ihres Asylantrags und Aufenthalts in Deutschland sowie eventuell wegen illegalen Verlassens Syriens vom syrischen Staat als politische Gegner angesehen und verfolgt würden.
Dies sei auch angesichts von Millionen syrischer Flüchtlinge und der mehreren hunderttausend syrischen Asylbewerber in Europa auszuschließen, urteilte der OVG-Senat. „Es hieße, dem syrischen Regime ohne greifbaren Anhalt Realitätsblindheit zu unterstellen, wenn angenommen werde, es könne nicht erkennen, dass die Masse der Flüchtlinge vor dem Bürgerkrieg fliehe“, hieß es in einer Mitteilung des Gerichts.
Die Revision gegen ihr Urteil ließen die Münsteraner Richter nicht zu. Dagegen kann der klagende Syrer Beschwerde einlegen, über die das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden müsste.
In den vergangenen Monaten hatten bereits weitere Oberverwaltungsgerichte die aktuelle Entscheidungspraxis des Bamf bestätigt, darunter das OVG Schleswig im vergangenen November. Das Bundesamt hatte im vergangenen Jahr insgesamt mehr als 90.000 Syrern nur den eingeschränkten Schutz zuerkannt. In über 30.000 Fällen klagten die Betroffenen dagegen.
Die in erster Instanz zuständigen Verwaltungsgerichte urteilten in den Streitfällen bislang unterschiedlich. Das Bundesverfassungsgericht forderte inzwischen eine grundsätzliche Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?