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Einführung von Krypto-WährungSchweden prüft das Aus des Bargelds

Die Zentralbank will die komplett elektronische Krone einführen. So möchte sie die Kontrolle über Zahlungen zurückerlangen.

Der wohl bekanntesten Digitalwährung auf der Spur: dem Bitcoin Foto: imago/Christian Ohde

Stockholm taz | Vor 350 Jahren führte Schweden eine technische Neuerung ein: Als erstes Land gab man neben Münzen auch gedruckte Geldscheine als Zahlungsmittel aus. Bald könnte Schweden auch das erste Land werden, dessen Zentralbank nicht nur eine Kryptowährung einführt, sondern damit gleich nahezu den gesamten Bargeldumlauf ersetzt. Derzeit arbeiten verschiedene IT-Firmen im Auftrag der „Riksbank“ (Reichsbank) an Konzepten einer elektronischen Währung. Bis Ende des Jahres sollen technische und juristische Möglichkeiten der „E-Krone“ analysiert werden. Dazu gehört auch die Frage, ob man die Blockchain-Technik anwenden will. Gibt die Politik grünes Licht, könnte schon 2019 ein Pilotprojekt starten.

„Dann hätten wir uns binnen 350 Jahren von Kupfermünzen bis hin zu einer E-Währung entwickelt“, konstatierte Reichsbankchef Stefan Ingves kürzlich. Und machte auch klar, dass er zu dieser Entwicklung eigentlich keine Alternative sehe. Der Staat verliere derzeit immer größere Teile seines einstigen Monopols über den Zahlungsverkehr. Der werde nun in wachsenden Masse von kommerziellen Akteuren kontrolliert. Vor allem in einer Krisensituation könnte das problematisch werden. Ingves: „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die den Job für die Allgemeinheit machen.“

Schweden ist auf dem Weg in eine bargeldlose Gesellschaft schon weit vorangekommen. In einer aktuellen Untersuchung geben nur ein Viertel der SchwedInnen an, wenigstens einmal pro Woche noch mit Barem zu hantieren. Weniger als 15 Prozent aller Transaktionen werden mit Bargeld abgewickelt, das Gros dagegen mit Bank- und Kreditkarten oder den immer populäreren Bezahl-Apps. Die Zahl der Läden mit dem Hinweis „kontantfri butik“, bargeldloses Geschäft, wächst. Sogar die überwiegende Zahl der Bankfilialen funktioniert mittlerweile „kontantfria“.

Kontrolle zurückholen

Handel und Banken hätten damit zunehmend das System eines allgemein akzeptierten und für alle zugänglichen Zahlungssystems unterlaufen und durch ihre kommerziellen Lösungen ersetzt, kritisiert Ingves: „Unsere BürgerInnen würden es sicher auch nicht gut finden, wenn wir gesellschaftliche Funktionen wie Militär oder Justiz privaten Akteuren überlassen würden.“ Mit elektronischem Notenbankgeld will sich die Reichsbank die Kontrolle über einen für alle BürgerInnen kostenfreien und gleichberechtigt zugänglichen Geldtransfer zurückholen.

Eine mögliche Umsetzung: Jeder Bürger hat ein Konto direkt bei der Reichsbank, über das dann der alltägliche Zahlungsverkehr in elektronischer Form abgewickelt werden könnte. Ansonsten, so Ingves, „könnten wir in einer Situation landen, wo wir die Kontrolle über das eigene Geldwesen verlieren“.

In der Bundesrepublik lässt sich dagegen ein ganz anderer Trend beobachten. Während das Bargeld nahezu überall in Europa an Bedeutung verliert, horten die Deutschen ihre Scheine. Laut der Bundesbank steigt die Nachfrage nach Barem jährlich an, nicht unbedingt, um damit Zahlungen abzuwickeln, sondern vielfach als Wertaufbewahrungsmittel.

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11 Kommentare

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  • 4G
    43834 (Profil gelöscht)

    Der erste Satz ist so nicht richtig. In China wurde bereits während der Song-Dynsastie im 11. Jahrhundert (vor fast 1000 Jahren) gedrucktes Papiergeld eingeführt, um der durch das massive Wirtschaftswachstum start gestiegenen Nachfrage nach Geld gerecht zu werden.

  • Ein Land wie Schweden,dem es sogar gelungen ist sich aus den Weltkriegen herauszuhalten und soziale Standards zu etablieren,die in Resteuropa ihresgleichen suchen,dem könnte man noch vertrauen.Aber einem Land wie Deutschland mit seiner Geschichte und seinen gegenwärtigen Umtrieben würde ich ein solches Überwachungsinstrument keinesfalls in die hand geben wollen.Und vielen anderen Ländern auch nicht.Wenn ich 3 Länder der Welt nennen sollte,denen ich einen vertrauensvollen Umgang damit zutraue,dann wären das Island ,Neuseeland und Schweden.

  • Bin ein Freund des Bargeldes, mir ist die Überwachung meiner Ausgaben ein Graus. Mal hypothetisch, es gäbe sowas hier in D.; als Alg2-Bezieher wo mensch eh seine elektronischen Kontobewegungen offenlegen muß, könnte ich nicht mal spontan für ein paar Tage jemanden besuchen ohne dem Amt Bescheid zu sagen. Die Residenzpflicht für Asylbewerber wurde (zurecht!!!) mehr oder weniger aufgehoben!

  • So ein Unsinn: wozu sollte eine Zentralbank die "Blockchain" brauchen? Sie ist doch selbst eine zentrale (verhältnismäßig) vertrauenswürdige Institution. Eine "Blockchain" wird doch nur benötigt, wenn man KEINE Zentralbank hat.

     

    Mir wird Angst und Bange, wenn "Leute" an absolut kritischer Infrastruktur (Geld/Finanzwesen/Wirtschaft) rumdoktern, die offensichtlich absolut keine Ahnung von dem haben wovon sie reden.

  • Eine sorgsame Abwägung der Pros und Contra ist hier wichtig.

    Dies bedeutet nichts anderes wie die totale staatliche Kontrolle.

    Wen geht es was an wie ich meine taz kaufe.

  • In Schweden konnte man sein Taxi schon vor 15 Jahren mit der Kreditkarte zahlen.

    In Deutschland muss man immer noch den passenden Geldautomaten suchen...

    • @R R:

      Als ich klein war, so frühe 70er, war Reisen in den Nachbarländern kein Problem: Ein derart kostengünstiges, hoch angesehenes, weit verbreitetes elektronisches System gab es seitdem nie wieder: Die EC-Karte!

       

      Schaue mal jeder auf seiner Kontokarte, was von der EC-Karte noch übrig ist: Warum ist die still und heimlich abgeschafft worden? Und warum sind wir darüber nicht informiert?

       

      In Frankreich kann beim Schaffner mit der Kontokarte gezahlt werden; in Merkel-Deutschlands "Privat-Bundesbahn" habe ich schon hohe Strafgebühr gezahlt, weil diese Bahn die EC-Karte haßt, aber ich keine passende Kreditkarte dabeihatte.

       

      Als ich dann, dumm wie ich damals noch war, in den 90ern die Kreditkarte als weiteren Zahlungsweg auf meine Kontokarte "applizieren" ließ (Visa als noch "treuer" und noch vertrauensseliger Postbankkunde), hatte ich bei einer Reise ins EU-nahe Ausland plötzlich - sage und schreibe - 10% des Reisebudgets an Kosten für VISA.

       

      Heute läuft das im Alltag subtiler. Aber das Phänomen ist dasselbe:

      Viele kleine Extra-Schnäppchen der Banken, die uns allen mit der Kreditkarte für nix aus der Tasche gezogen werden.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @R R:

      Rückfrage eines Menschen aus dem analogen Zeitalter: wo liegt der tiefere Nährwert, ein Taxi (ich nehme an, Sie meinen die Benutzung, nicht den Erwerb eines solchen) mit Kreditkarte zahlen zu können?

       

      Wenn ich die Debatte richtig verstehe, geht es hier aber nicht um die Einführung von Kreditkarten, sondern die Einführung einer Krypto-Währung und Abschaffung von Bargeld.

  • Man sollte bier nicht so nonchalant über so kleinigkeiten wie Totalüberwachung aller Transaktionen, bzw. Privatsphäre und Anonymität hinweggehen, wie das der Autor tut, und elektronisches Bezahlen automatisch mit Fortschritt, gar gesellschaftlichem, gleichsetzen. Das Einführen einer weiteren e-Währung bringt nichts um Parallelwährungen zu vermeiden; wenn das das Ziel ist, dann hilft nur die Einführung der staatlichen eWährung und danach das Verbot aller anderen als Zahlungsmittel.

    Von unerheblichen Nebenfragen wie der Nutzung einer zentralen e-Infrastruktur nach einer Naturkatastrophe, des Zusammenbruchs des eNetzes (Sunflare), oder nach einem generellen Hack der Währung mal ganz abgesehen.

    Mit der Abschaffung dezentraler, robuster Währungseinheiten geht Schweden ein enormes Risiko ein, dass den Staat als ganzes in Frage stellen kann, wenn unglückliche Umstände zusammenkommen (plus das Risiko, dass Auslandssabotage auf einen Schlag die monetären Werte der schwedischen Wirtschaft und der Bürger potenziell bedroht, Stichwort Electronic Warfare).

     

    Meine Vermutung ist, dass dieser angebliche „Fortschrittsvorstoß“ ziemlich im Sande verlaufen wird und eine eventuelle Umsetzung (gar eine radikale mit Ausserbetriebnahme alter Währungen) noch ein paar Jahrzehnte auf sich warten lässt.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @hup:

      Damit sind einige der wichtigsten Einwände auf dem Tisch.

       

      Was zunehmend irritiert: An allzu oberflächlichen bis hanebüchen naiven Artikeln über sogenannte "KI" oder über Kryptowährungen und über schöne neue durchdigitalisierte und automatisierte Welten ist in der taz in letzter Zeit wahrlich kein Mangel (reine Berichterstattung sei von dieser Kritik natürlich ausgenommen).

       

      Wäre man vielleicht langsam auch einmal geneigt, kompetente kritische Kommentatoren zu all diesen Themen hier publizieren zu lassen?

      Wo, wenn nicht hier sollte hart und mit kaltem analytischen Verstand an diese Dinge rangegangen werden?