: Eine gewisse Gelassenheit
Ein Schweinezüchter mit Stehvermögen, eine optimistische Unternehmerin: Kamerun ist wirtschaftlich erfolgreich, der korrupten Politik eines 92-jährigen Präsidenten zum Trotz

Aus Yaoundé Helena Kreiensiek
Es ist 5.15 Uhr und noch stockduster, als Julius Manjoh in sein Auto steigt, um auf seine Farm zu fahren. Der 65-Jährige will den frühmorgendlichen Berufsverkehr in Kameruns Hauptstadt Yaoundé vermeiden. Blechlawinen, die sich wegen der wilden Verkehrsführung und den unzähligen Schlaglöchern oft nur im Schneckentempo über die Straßen bewegen. „Dafür habe ich keine Geduld“, sagt er. Deshalb beginnt sein Tag oft zu einer Uhrzeit, wenn der Rest der Stadt noch schläft.
Im Scheinwerferlicht des Autos taucht ein Schild auf: „Westend Farms“, ist darauf in grüner Farbe geschrieben. Es ist der Hinweis auf eine Schlachterfiliale der größten Schweinefarm Kameruns – das Lebenswerk Julius Manjohs. Das ganze Land wird von der Farm, etwa 70 Kilometer vor den Toren der Hauptstadt gelegen, mit Schweinefleisch versorgt. Manjoh hat mehrfach von null angefangen. Das letzte Mal, als die Schweinepest 2023 den kompletten Bestand dahinraffte: 8.500 Tiere.
„Schweinepest ist ein echtes Problem in Kamerun“, sagt Manjoh. Die Krankheit sei endemisch, unter anderem, weil oft nicht die richtigen Maßnahmen ergriffen würden. „Die Sache ist, dass Menschen auch das Fleisch der erkrankten Tiere essen können. Das heißt, viele kleine Farmer treiben ihre Tiere trotzdem auf den Markt und verkaufen sie dort.“ Und die Seuche verbreitet sich weiter. Aus der Krise hätten sie aber gelernt, sagt Manjoh. Strenge Hygienemaßnahmen wie Desinfektionsbecken für Schuhe vor jedem neuen Abschnitt in den Schweineställen gehören heute zum Standardprogramm.
Im ersten Morgenlicht des Tages ist das Quieken der Tiere weithin zu hören, als der Wagen von Julius Manjoh schließlich auf das Gelände der Farm biegt. 2024 zählte die Farm rund 600 Säue. Damit ist Westend Farms die größte Schweinefarm in Zentralafrika. Ein Unternehmen in dieser Größenordnung aufzubauen, erfordert jahrelange Arbeit und großes Durchhaltevermögen – erst recht in Kamerun.
Davon kann auch Elissar Mear ein Lied singen. Die Unternehmerin hat eine Palmölraffinerie und vertreibt außerdem eine große Bandbreite an lokalen Produkten in Supermärkten in ganz Kamerun. Ihr Label „Madika“, was für „Made in Cameroon“ steht, führt unter anderem Kaffee, Wein und Honig, aber auch Seifen oder Snacks. Die Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln sind dabei oft alles andere als günstig: da sind Überfälle und Entführungen durch bewaffnete Gruppen im Norden des Landes, korrupte Verkehrspolizisten, und eine schlechte Infrastruktur, die Lastwagen und Lieferketten belastet. Schwankungen im Stromnetz beschädigten regelmäßig Maschinen, erzählt sie von den Herausforderungen des Alltags.
Man weiß in Kamerun nie, wie lange der Transport der Waren tatsächlich dauern wird. Ein Grund, warum sich Mear auch nur auf Ware konzentriert, die nicht so schnell verderblich ist. Unter solchen Voraussetzungen wirtschaftlich erfolgreich zu arbeiten, erfordert nicht nur unternehmerisches Geschick, Belastbarkeit und Geduld – sondern auch eine gewisse gut gelaunte Gelassenheit. Mear lacht viel und herzlich. Mit einem Schulterzucken berichtet sie aus dem Alltag: „Wenn ich Erdnüsse aus dem Norden nach Yaoundé transportieren will, dauert das ganze fünf Tage, vorausgesetzt Boko Haram greift den Laster nicht ab“, berichtet sie.
Die islamistische Gruppe terrorisiert vor allem im Norden, an der Grenze zu Nigeria, die Bevölkerung. Es ist eine Sicherheitskrise, die seit Jahren die Region destabilisiert und den Alltag der Bewohner erschwert, denn Teil der Finanzierungsstrategie der Islamisten sind Diebstähle und Entführungen gegen Lösegeld. „Und wenn der Laster es durch das Gebiet schafft, dann hat man alle paar Kilometer eine Polizeikontrolle, an der man auch wieder bezahlt“, berichtet sie von dem weit verbreiteten Problem Korruption. „All das schlägt sich auf den Preis und die Produktivität nieder“, sagt sie. Was helfe: „Ein gutes Netzwerk“, sagt Mear. „Ich bin Vorsitzende von zig Komitees“, erzählt sie. Als Mitglied der Regierungspartei RDPC, und weil sie so gut vernetzt ist, sei es ihr möglich, auch mal Kritik zu üben. Ein Vorteil in einem politischen System, in dem offene Kritik eigentlich kaum toleriert wird.
Am 12. Oktober finden in dem zentralafrikanischen Land Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Paul Biya, seit über vier Jahrzehnten an der Macht, wird erneut antreten. Mit 92 Jahren ist er bereits jetzt der älteste Präsident der Welt. Der Wahlausgang gilt als ziemlich sicher: Biya wird wohl wieder gewinnen. Auch deshalb, weil nach Generationen autokratischer Herrschaft der Glaube fehlt, mit der Stimme etwas bewegen zu können. Während die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zwar groß ist, ist es fraglich, ob sich das am 12. Oktober in den Wahlkabinen widerspiegeln wird.
Das Interesse an der Wahl scheint jedenfalls überschaubar: Nur 7,8 Millionen Menschen ließen sich laut der Wahlbehörde Elecam registrieren, schätzungsweise 4,5 Millionen Wahlberechtigte verzichteten – fatal für die Opposition. Doch der Ausschluss des Oppositionspolitikers Maurice Kamto hat die Frustration zusätzlich verstärkt. Bilder von zerstörten Wahlkarten machten in den sozialen Medien die Runde. Ohnehin ist die Opposition zersplittert und schwach. Nachdem Kamto, Kameruns wohl einflussreichster Oppositionskandidat, im August endgültig von der Teilnahme an den Wahlen ausgeschlossen worden war, rang die Opposition wochenlang damit, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Dass Kamto gesperrt werden würde, hatte sich bereits im Juli abgezeichnet, als die Wahlbehörde Elecam einen entsprechenden Beschluss vorlegte.
Nun soll in letzter Minute Issa Tchiroma Bakary für die kamerunische Opposition antreten – oder zumindest für einen Teil der Opposition. Maurice Kamto jedenfalls ließ am Freitag verlauten, dass Kameruns Wählerinnen und Wähler frei entscheiden sollten, und sprach damit keine Empfehlung für Bakary aus. Der endgültige Todesstoß für das Bestreben der Opposition, sich als geeinte Front zu präsentieren, um gegen die Übermacht von Paul Biya eine Chance zu haben.
Am 12. Oktober wählt Kamerun. Zur Wahl steht auch diesmal Paul Biya, seit mehr als vier Jahrzehnten Präsident und mit 92 Jahren der älteste Staatschef der Welt. Den aussichtsreichen Oppositionskandidaten ließ er im Vorfeld der Wahlen sperren, die verbliebenen elf Konkurrenten schaffen es nicht, sich als geeinte Front zu präsentieren. Biyas Auftritte in der Öffentlichkeit sind rar. Spekulationen, dass dies mit seinem gehobenen Alter und der Gesundheit zu tun haben könnte, ließ er im Oktober 2024 per Dekret schlicht verbieten.
Die Opposition Kritische Stimmen sind inzwischen nicht mehr nur aus der Opposition zu hören, sondern auch aus dem Zirkel des Präsidenten. Zwei der Kandidaten, die gegen ihn antreten, sind ehemalige Verbündete Biyas.
Die Tochter Für Aufsehen sorgte kürzlich auch Biyas Tochter Brenda, die sich in den sozialen Netzwerken mit einem dramatischen Video an die Bevölkerung wandte: Niemand solle ihren Vater wählen, sagt die 27-Jährige darin. „Er hat mir und den Menschen Kameruns viel Leid gebracht.“ Wenige Stunden später ist der Clip gelöscht, obwohl Brenda noch angekündigt hatte, diesen Clip „auf gar keinen Fall zu löschen“. Es ist nicht das erste Mal, dass die Präsidententochter mit Skandalen Schlagzeilen macht und die Spuren anschließend verschwinden. Unter ihrem Künstlernamen Kind Nasty rappt sie über ihr Luxusleben. 2024 outete sie sich mit einem Foto als lesbisch, in einem Land, in dem gleichgeschlechtlicher Sex mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft wird. Auch dieses Bild verschwand wieder. „Wir wollen uns nichts vormachen. Von Politik verstehe ich absolut nichts, gar nichts, null“, sagt sie kurz darauf in einem Entschuldigungsvideo, „ich bin ein impulsives Kind und weiß nichts.“ Die digitale Schimpftirade gegen sich selbst endet schließlich mit einem Aufruf an ihre Landsleute, wählen zu gehen, und einer Klarstellung: „Jeder weiß, dass ich den Intellekt meines Vaters immer bewundert habe.“
In Regierungskreisen ist Issa Tchiroma Bakary jedenfalls keine unbekannte Figur. Der aus dem Norden stammende Politiker war zuletzt von 2019 bis 2025 Arbeitsminister. Anfang Juni gab er seinen Rücktritt bekannt – angeblich aus Frust über die politischen Verhältnisse – und machte seine Absichten bekannt, gegen Biya zu kandidieren. Seither gibt er sich als Sprachrohr des Nordens, einer Region, die seit jeher als eine der ärmsten des Landes gilt, und will laut eigenem Bekunden die Unzufriedenen vereinen. Davor hatte Bakary zwei Jahrzehnte lang in einem Koalitionsbündnis mit Biyas Regierungspartei RDPC Politik gemacht.
Ausgerechnet er soll nun glaubhaft verkörpern, worauf viele Kamerunerinnen und Kameruner so lange schon hoffen: den politischen Neuanfang. Bakary steht nun vor der Herausforderung, in allen Regionen des Landes genügend Stimmen zu sammeln, wenn er tatsächlich Paul Biyas 43 Jahre währende Präsidentschaft beenden will. Er steht auch vor der Herausforderung, glaubwürdig „frischen Wind“ zu verkörpern, und das ohne die Rückendeckung einer geschlossen hinter ihm stehenden Opposition und in einem Land, in dem das Misstrauen tief sitzt. Nicht nur gegenüber der Regierung, sondern auch untereinander. So zählen ethnische Zugehörigkeiten oft mehr als politische Inhalte. „Selbst wenn Maurice Kamto der Beste wäre, ich würde niemals einen Bamileke wählen“, gesteht ein Geschäftsmann in Yaoundé unverblümt.
Die Bamileke, eine Ethnie aus dem Westen, sind bekannt für ihren wirtschaftlichen Einfluss. Aber Wirtschaft und Politik in der Hand einer Ethnie? Niemals, sagt der Geschäftsmann entschieden, und spricht damit einen Gedanken aus, den das Regime von Paul Biya über Jahre genährt und gelebt hat: Zu viel Macht in der Hand einer Gruppe ist gefährlich. Stattdessen hält jeder zu „seinem“ regionalen Kandidaten. Das fest verwurzelte Lagerdenken spielt dabei vor allem dem Mann in die Hände, der seit mehr als vier Jahrzehnten an der Macht ist: Paul Biya. Denn wer die Stimmen aus allen Regionen auf sich vereinen will, muss auch über ethnische Grenzen hinweg mobilisieren. Am ehesten wurde diese Fähigkeit noch Maurice Kamto nachgesagt, der nun aber aus dem Rennen ist. Und so stehen die Chancen hoch, dass am Ende die Wahl auf das „altbekannte Übel“ fällt.
Dass es keine größeren Proteste gab, als der beliebteste Oppositionspolitiker ausgeschlossen wurde, habe auch genau damit zu tun, dass sich Wirtschaftskraft bei bestimmten Ethnien konzentriere, erzählt der Geschäftsmann, der lieber anonym bleiben möchte. Als Kameruns Wahlbehörde Elecam Kamtos Kandidatur ablehnte, war der Frust in den Wohnzimmern der Leute zwar groß, doch dabei blieb es auch. Keine nennenswerten Demonstrationen oder öffentlichen Erklärungen folgten. Dass die Wahl am 12. Oktober deshalb nur wie reine Formsache wirkt, scheint akzeptiert.
Der Geschäftsmann erklärt das so: Die wirtschaftsstarke Hafenstadt Douala gilt als Hochburg der Opposition – und als Zentrum der Bamileke, jener Ethnie, der eine besondere Umtriebigkeit nachgesagt wird und aus der auch Maurice Kamto stammt. Douala, Kameruns Tor zur Welt und Warenumschlagplatz für das ganze Land, sei eine Stadt, in der viel auf dem Spiel stehe. Würden hier die Menschen für Kamto auf die Straße gehen, könnte die Lage schnell eskalieren. Noch dazu in einem Staat, der bekannt dafür ist, hart gegen Querulanten vorzugehen.
„Die Bamileke haben viel zu verlieren“, sagt er. Gerade diese Ethnie habe daher aber auch wenig Interesse an Straßenschlachten und Demonstrationen, bei denen ihre Geschäfte geplündert und Infrastruktur beschädigt werden könnten. So erkläre sich, sagt der Mann, dass selbst die Sperrung eines der aussichtsreichsten Oppositionskandidaten letztlich weitgehend schweigend hingenommen wurde.
Kamerun ist, was seine wirtschaftliche Leistung angeht, Spitzenreiter in Zentralafrika: das regionale Schwergewicht. Auf die Frage nach dem Warum, sagt Julius Manjoh: „Wegen der Widerstandsfähigkeit. Wegen der schieren Resilienz der Menschen.“ Das Gleiche antwortet Elissar Mear. Gäbe es ein zuverlässiges Stromnetz, vernünftige Straßen und weniger Korruption im Beamtenapparat, würde das Land dreimal so gut dastehen, sind sich die beiden unabhängig voneinander einig. Das, was momentan geleistet werde, dürfe nicht mit dem verwechselt werden, was möglich sei. „Wir könnten so viel besser sein“, sagt Julius Manjoh. Aber der Schweinezüchter klingt dabei alles andere als resigniert. Es ist eher, als mache er eine Ansage für das, was noch kommt. Für alles, was noch möglich ist. Diese positive Grundeinstellung: Es ist wohl diese Art von Resilienz, die er seinen Landsleuten zuspricht.
In allen Gesprächen scheint durch, dass das Vertrauen in die Institutionen Kameruns schwach ist. Als Antwort auf die grassierende Korruption, auf knebelnde Steuern und die vielen Unwägbarkeiten verlagert sich in Kamerun vieles ins Informelle. Auch im Finanzsektor, sagt Manjoh, und berichtet von njangis. Der aus dem Pidginenglisch abgeleitete Begriff bedeutet so viel wie: „Ich helfe dir und du hilfst mir.“ Dabei handelt es sich um eine Art Spargemeinschaft, in der sich die Mitglieder regelmäßig zu finanziellen Beiträgen verpflichten.
Célestin Guela Simo, Afriland First Bank
Das Prinzip ist einfach: Jeder zahlt in einen gemeinsamen Topf ein, und in vorher festgelegter Reihenfolge erhält jede Person einmal die Gesamtsumme. In vielen Stadtvierteln, Dörfern oder auch innerhalb von Berufsgruppen gehören njangis zum sozialen Gefüge. Sie bieten unkompliziert Zugang zu Kapital, sind Absicherung in Krisenzeiten, fördern Zusammenhalt und Vertrauen und sichern dadurch das finanzielle Überleben. „Das bedeutet aber auch, dass ein großer Teil des Geldes, das in Kamerun im Umlauf ist, nicht unbedingt in den Banken liegt, sondern zu Hause aufbewahrt wird“, sagt der Farmer.
Ein Punkt, den auch Célestin Guela Simo, Generaldirektor der Afriland First Bank, sieht: Die Bankennutzungsrate liege in Kamerun bei nur etwa 15 bis 20 Prozent, sagt er. Das heißt, rund 80 Prozent der Bevölkerung sind nicht in das formelle Bankensystem integriert. Für Guela Simo ist klar: Wenn sich das ändern soll, müssen die Banken zu den Menschen kommen – nicht umgekehrt.
Die Afriland First Bank arbeitet daher seit Jahrzehnten an der finanziellen Inklusion, vor allem der ländlichen Bevölkerung. Gegründet wurde sie in den 1980er Jahren von Paul Fokam, einem kamerunischen Unternehmer, der überzeugt davon war, dass Afrikas Entwicklung nur aus eigener Kraft möglich ist. So gründete er eine Bank, die es Afrikanern ermöglichen sollte, ihre eigenen Pläne nach ihren eigenen Regeln zu finanzieren, erklärt Célestin Guela Simo die Beweggründe seines Onkels.
„In den 1980er Jahren ein kühner Gedanke“, fügt er hinzu, zumal der kamerunische Bankensektor zu der Zeit gänzlich von französischen Großbanken dominiert war. Paul Fokam sei auch überzeugt gewesen, dass dies nur gelingen könne, wenn auch die ländliche Bevölkerung aktiv daran teilhat. In dieser Philosophie wurzelt das Konzept der Mufids, kleinen, selbstverwalteten Mikrobanken in ländlichen Gebieten, die von den Gemeinschaften selbst gegründet und betrieben werden. Die ersten Mufids hob damals die Afriland First Bank mit aus der Taufe. Heute sind die Genossenschaftsbanken in einem eigenen Dachverband organisiert und betreiben mittlerweile 110 Servicestellen mit mehr als 250.000 Mitgliedern.
Dass es in der bargeldbasierten Wirtschaft Kameruns speziell angepasste Produkte braucht, weiß der Banker nur zu gut. Ein erfolgreiches Produkt sei zum Beispiel das von der Afriland First Bank entwickelte „Flash Cash“. Dabei handelt es sich um eine Art Einlagenzertifikat. Vor allem in Kontexten, in denen große Summen von Bargeld aufgrund von Überfällen schnell zum Sicherheitsrisiko werden, hat sich Flash Cash bewährt. Das Angebot funktioniert dabei ähnlich wie ein Reisescheck und ist mittlerweile weithin in Kamerun akzeptiert. Statt mit Bündeln an Geldscheinen auf den Markt zu gehen, reicht ein Flash Cash als Beweis, dass es das Geld eingelagert auf der Bank tatsächlich gibt und es ausgezahlt werden kann.
Heute ist die Afriland First Bank mit 86 Filialen die größte Bank Kameruns. Auch in acht weiteren afrikanischen Ländern, darunter Südsudan und die Demokratische Republik Kongo, ist die Bank aktiv. Die Expansionsstrategie folgt dabei einem klaren Muster: Der Einstieg erfolgt dort, wo es wenig Konkurrenz, aber hohen Bedarf gibt. „Wir gehen in Länder, die, wie man im Westen immer sagt, als unterentwickelt gelten“, sagt Célestin Guela Simo, und zeichnet bei dem Wort „unterentwickelt“ imaginäre Gänsefüßchen in die Luft. „Aber wir sehen darin Potenzial, gemeinsam mit lokalen Akteuren wirtschaftliche Strukturen aufzubauen.“

Diese Philosophie hat die Afriland First Bank zu einem zentralen Akteur in der wirtschaftlichen Entwicklung Kameruns gemacht. Von den 100 erfolgreichsten Unternehmern des Landes hätten 80 ihre erste Finanzierung über Afriland erhalten, sagt Célestin Guela Simo. Überprüfen lässt sich diese Aussage allerdings schwer.
Dennoch: Die Bank arbeitet offenbar erfolgreich damit, aus den Gegebenheiten vor Ort Geschäftsmodelle zu entwickeln. Neben der ländlichen Bevölkerung würden auch Frauen gezielt gefördert, berichtet Guela Simo. In sogenannten Muffa-Banken – vollständig weiblich besetzten Filialen mit rosa-lila Corporate Design – erhalten Marktfrauen und Unternehmerinnen unkomplizierten Zugang zu Krediten und Beratung. Ein wichtiger Schritt für mehr wirtschaftliche Teilhabe in einem Land, das traditionell patriarchalisch geprägt ist.
Was noch fehle, sei eine stärkere internationale Zusammenarbeit. Investoren, gerne auch aus Deutschland, wünscht sich Célestin Guela Simo. Die historischen Verbindungen sind da: Deutsch ist in Kamerun eine beliebte Fremdsprache, in Deutschland stellt das zentralafrikanische Land die zweitgrößte Gruppe afrikanischer Studierender. Auch im Alltag begegnet man deutschen Einflüssen: Namen wie Fritz, Ulrich oder Hermann sind weit verbreitet, das Stadtbild von Douala trägt noch immer Spuren kolonialer Architektur. Es sind Überbleibsel einer gemeinsamen, wenn auch belasteten Vergangenheit. Zeit, die Beziehungen zwischen Deutschland und Kamerun neu zu schreiben, findet Guela Simo:„Unser Land hat Potenzial.“
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