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■ Eine Studie der Technischen Universität Berlin zur Rolle von Frauen in der Politik zeigt: Männer brauchen nicht panisch werden. Die weibliche Machtübernahme wird noch lange auf sich warten lassen Von Daniela WeingärtnerMännern das Fürchten lehren? Ach was!

Die Machtverdrossenheit der Frauen nimmt zu, lange bevor sie überhaupt Macht in den Händen halten, über die sie verdrossen sein könnten. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, für die rund 700 deutsche Politikerinnen befragt wurden. „Eine Renaissance der alten Weiblichkeitsbilder in einer rasant sich wandelnden Welt“, diagnostizierte Rita Süssmuth zornig-resigniert

Politik ist im sprichwörtlichen Sinne Männersache: 78 Prozent aller Abgeordneten in Bund und Ländern sind männlichen Geschlechts. Nur 18 Prozent der politischen Führungspositionen auf Bundesebene sind von Frauen besetzt. Noch. In Zukunft könnten es sogar weniger sein. Ein Team von Wissenschaftlerinnen um die Berliner Professorin Barbara Schaeffer-Hegel, die sich mit dem Thema „Frauen und Macht“ beschäftigt und schon vor Jahren eine Untersuchung der Frauenstrukturen im ehemals rot-grünen Berliner Senat vorlegte, hat sich der Situation der Politikerinnen angenommen.

Für die an der Technischen Universität Berlin erstellte Studie mit dem umständlichen Titel „Zur Situation und Zukunft von Frauen in der Politik als Aufgabe der politischen Bildung“ sind erstmals in der deutschen Wissenschaftslandschaft sämtliche weiblichen Abgeordneten in der Bundesrepublik und eine gleiche Zahl Kommunalpolitikerinnen befragt worden: zu ihrem politischen Werdegang, zu privatem Umfeld, Vorbildung, Motivation und Perspektiven. Ende letzter Woche wurde die Studie auf einer Fachkonferenz in Bonn vorgestellt.

Ziel der Untersuchung war es, jene Faktoren herauszufinden, die Teilhabe von Frauen an der Macht behindern oder begünstigen. Die Frauen wurden gefragt, welche Bildungserfahrungen für sie nützlich waren und welche zusätzlichen Angebote sie sich im Lauf ihrer politischen Karriere gewünscht hätten. Das Forschungsprojekt, das vom Bonner Zukunftsministerium und mit EU-Geldern gefördert wurde, stellt fest: Die Machtverdrossenheit der Frauen nimmt zu, lange bevor sie überhaupt Macht in Händen halten, über die sie verdrossen sein könnten.

Noch immer, so die Studie, werden die Spielregeln von Männern gemacht. Frauen haben nur die eine Chance: die Regeln zu akzeptieren und die besseren Karten auf den Tisch zu legen, also bessere Leistungen in der gleichen Position zu erbringen – wie in der Wirtschaft auch.

Eine Reform, die es Männern wie Frauen erleichtern würde, Familienleben und politische Arbeit in Einklang zu bringen, ist als Folge der verschärften ökonomischen Situation wieder in weite Ferne gerückt. Deshalb hält Bundespräsidentin Rita Süssmuth Familie und Beruf heute für noch schwerer vereinbar als in ihrer eigenen Generation. Mit einem Statement, das von Wut, Bitterkeit, passagenweise auch von Ratlosigkeit gekennzeichnet war, eröffnete sie die Tagung in Bonn. In Verbindung mit den neuen ökonomischen Zwängen erkennt sie „eine Renaissance der alten Weiblichkeitsbilder in einer rasant sich wandelnden Welt“. Es bestehe die Gefahr, hinter das Erreichte zurückzufallen; junge Frauen träten wieder zunehmend den Rückzug ins Private an. Nach dem Quantensprung der letzten Jahrzehnte verlaufe die Entwicklung jetzt im Schneckentempo.

Die Tatsache, daß heute mehr Mädchen als Jungen Abitur machen, gleichzeitig aber weniger Professorinnen für Naturwissenschaften ernannt werden als in den zwanziger Jahren – diese Widersprüche brächten sie „manchmal schier um“. Denn während die Mädchen brav für ihre Abschlüsse büffelten, holten sich die Jungen zusätzliche Fertigkeiten bei Auslandsaufenthalten und Industriepraktika. Sie kümmerten sich bereits um Kontakte, während die gleichaltrigen Studentinnen noch brav allein in ihrer Bude säßen.

Den Mädchen fehle es an Mobilität. Die neue liberale Wirtschaftspolitik gewähre aber keine Schonräume für Nestbau und Familienplanung. „Wir müssen uns klarmachen, daß wir uns auf die neue Lage einzustellen haben.“

Quoten seien notwendig, aber nicht ausreichend. Auch Gremien wie die bei der Bonner Tagung vertretenen Netzwerke seien nur sinnvoll, wenn Wille zu Konflikt und Kampf um die Macht dahinterstehe. „Solange diese Netzwerke nur Oasen der Erholung sind, sind sie keine politisch wirksame Machtinstanz. Erst wenn sie gefürchtet werden, wenn sie etwas sind, was die Gewerkschaften einmal waren, haben sie einen politischen Stellenwert.“

Auch die Berliner Studie hebt hervor, wie wichtig weibliche Seilschaften in Zukunft sein werden, wenn es um den Zugang von Frauen zur politischen Macht geht. Allerdings gebe es für die Zusammenarbeit von Frauen keine kulturelle Tradition, auf die sie zurückgreifen können. Deshalb müsse die Frage, wie weibliche Koalitionen über Parteigrenzen hinweg gebildet werden können, ein Inhalt der politischen Qualifizierung von Frauen werden.

In ihrer Sozialisation unterscheiden sich die mehr als 700 befragten Frauen wenig voneinander: Die typische deutsche Politikerin stammt aus einem gebildeten, politisch interessierten Elternhaus, hat sich schon früh engagiert – meist gegen soziale Mißstände – und ist überdurchschnittlich gut ausgebildet. „Ein Potential, das in Qualität und Häufigkeit in anderen gesellschaftlichen Systemen kaum vorzufinden ist.“

Nach diesem vielversprechenden Start müssen sich allerdings die meisten Frauen allein weiterhelfen. Sie bauen eher auf fachliche Überzeugungskraft denn auf charismatische Fähigkeiten und eignen sich das nötige Wissen dafür selber an. Ihre Fähigkeiten, andere mitzureißen und den Medien überzeugend gegenüberzutreten, schätzen sie als gering ein. Dennoch nimmt die Bereitschaft, sich in diesen Fertigkeiten trainieren zu lassen, gerade in höheren Ämtern ab. Grund: Zeitmangel.

Was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht, spiegelt das Berufsfeld Politik die Situation in der Gesellschaft wider. Allerdings würde „in der Wirtschaft für Personal mit vergleichbaren Anforderungen entsprechende Schulung angeboten“, so die Autorinnen der Studie.

Beim Stehempfang im Bonner Tagungszentrum übte sich die ranghöchste deutsche Politikerin selbst in der neuen Frauentugend „parteiübergreifende Seilschaften“. Rita Süssmuth outete sich als Altachtundsechzigerin – „Die haben mich auf die Frauenfrage gebracht“ – und spähte nach den grünen Frauen im Saal. „Wenn man die so sieht – da möchte man noch mal jung sein.“ Trotz Neoliberalismus und Schneckentempo und Joschka Fischer.

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