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Eine BewerbungsredeAch guck, Hannover

Die Kolumnistin ist zurück in der Stadt, in der sie schon mal fast glücklich war. Und die ist sowieso viel besser als alle denken.

Die coolen Leute gingen alle weg, die Nanas nicht Foto: Lukas Schulze/dpa

S eien Sie bitte vorsichtig, das wird jetzt persönlich. Ich bewerbe mich hier auf diesen Kolumnenplatz. Warum, ist nicht ganz leicht zu erklären.

Ich bin ja jetzt schon in diesem Alter, wo man sehr viel mehr Ex- ist als irgendwas Zukünftiges. Ex-Raucherin, Ex-Frau, Ex-Größe-36-Tragende, Ex-Lokalredakteurin, Ex-Vorstadtbewohnerin – Sie verstehen schon. Zu meinem großen Erstaunen und Entzücken bin ich aber Wieder-Hannoveranerin. Hier wohnte ich schon mal, als ich noch rauchte und studierte und fast glücklich war.

Damals tat ich das allerdings ein bisschen verschämt. Die coolen Leute gingen ja alle weg, nach Berlin oder Hamburg oder so. Ich nicht, weil immer irgendein Job, eine Liebe, eine grundsätzliche Unentschlossenheit mich hier hielt.

Irgendwann musste ich dann aber doch weg, erst aus beruflichen, dann aus familiären Gründen. Ich lebte länger in einer Art Vorort von einer Art Stadt, die Fachleute „Mittelzentrum“ nennen. Danach findet man Hannover plötzlich erstaunlich cool. Wobei sich auch in der Provinz – das kann ich beschwören – entzückende Menschen finden lassen, auch wenn Städter das nicht so gern glauben.

Nun bin ich also hier. Und zwar für die taz, mit der mich eine ähnliche Geschichte verbindet wie mit der Stadt. Daraus, dachte ich, muss sich doch irgendwas machen lassen. Natürlich reicht die Kohle (taz-Gehalt, alleinerziehend) jetzt nicht mehr für eine Rückkehr in mein altes,­ mittlerweile schwer angesagtes Viertel.

Ich wohne also am Stadtrand, in der Peripherie, was mich auf seltsam ingrimmige Weise zufrieden macht. Um es mit Sven Regener­ zu sagen: „Ich bin jetzt da, wo ich mich haben will.“ (Element of Crime: Delmenhorst, auf dem Album „Mittelpunkt der Welt“ von 2005)

Die lange Straßenbahnfahrt hier raus hat auch Vorteile: Man kann durch die Liste mit den 683 Podcasts scrollen, die man immer noch nicht gehört hat. Endlich Twitter löschen und sich dann doch wieder festlesen. Über Kolumnen nachdenken. Oder darüber, was in der psychiatrischen Versorgung dieses Landes eigentlich schiefläuft.

Manchmal laufe ich auch ein ganzes Stückchen, bevor ich in die Bahn steige. Einfach, weil ich das gern tue und denke: „Ach, guck“. Das ist im Grunde auch schon der Kern dieser ganzen Kolumne: Eine Einladung zu „Ach guck, Hannover“. Und möglicherweise gelangt man dabei ja zu Einsichten, die anderswo auch gelten.

Wenn Sie nun sagen: SO VIEL KANN ICH GAR NICHT SAUFEN, DASS ICH DER ALTEN WEITER ZUHÖREN WILL!1!11!! – dann lesen, blättern, klicken Sie doch einfach weiter. Es tut nicht not, dass Sie irgendjemandem Bescheid sagen, wirklich nicht. Dies ist eine freie Stadt. Eine Hannoveranerin interessiert so etwas gar nicht.

Wenn Sie sich dagegen von irgendetwas in diesem Text vage angesprochen fühlen: Sie finden mich voraussichtlich alle 14 Tage an dieser Stelle. Willkommen in der Provinzhauptstadt.

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Nadine Conti
Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020
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