piwik no script img

Dating 2025Ein heißer Sommer ganz ohne Sex, Liebe und Beziehungen

Ein Sommer ohne Männer oder doch eher ein Herbst ohne Frauen? Dating-Apps machen es nicht unbedingt leichter, Mister oder Misses Right zu finden.

Abkühlung nach der Hitze? Mit männlicher oder weiblicher Begleitung eher unwahrscheinlich Foto: Marcus Brandt/dpa

N eulich klagte eine lose Bekannte über die Männer. Die seien so gemein. Dieser ganze heiße Sommer sei ein einziges Elend, weil sie eben versetzt worden war. Von einem ähnlichen Plot las ich in der letzten wochentaz: Männer bei der Anbandlung, ungalant und unbestimmt in so gut wie allem. No Mr. Right in Sicht. Sie erwäge nun, die Maia, einen Sommer ohne Männer.

Ihre Story war von erfrischender Parteilichkeit in eigener Sache. Ein Freund, der Torben, erzählt es ihr gleich, ebenso kürzlich. Wir waren verabredet, im Weinlokal in Neukölln. Und was als netter Abend mit Brückenschlag über die Genera­tionen hinweg begann – er hätte mein Enkel sein können –, mutierte unversehens erstens zur Klage über die Frauen, zweitens musste er eilends weg, denn auf seiner Kontakt-App meldete die von ihm ausgesuchte Frau: Komm jetzt – oder es kommt ein anderer.

Er erläuterte noch kurz, das meine sie ernst, er fürchte, bald gar nicht mehr Sex haben zu können, von Romantik zu schweigen, dauernd seien die Frauen, die er gut finde, wählerisch, würden Anrufe von ihm blockieren … und nun überlege er, eine spirituelle Wanderung durchs finnische Karelien anzutreten, da fühle er sich zwar auch allein, aber das wenigstens mit Konzept.

Ich grübelte und verstand: Die Heteros ahmen die Schwulen nach, Männer wie auch Frauen, gelebte Geschlechtergerechtigkeit. Cruising around the clock … seit einigen Jahren inklusive App, wer gerade, wo man zu tun habe, fuckable herumläuft. So war es einst und so ist es noch heute: Die Gesetze des Kontaktmarktes sind, wo nicht zwangsverheiratet wird, hart. Mr. oder Mrs. Right zu finden ist schwer, wenn man gleichzeitig keine Kompromisse machen will, Perfektion vom oder von der anderen erwartet wird.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Und wie sagte der deutsche Philosoph Stefan Raab einmal in einem seiner weisesten Momente? Man solle abtreten, wenn es am schönsten ist – aber woher soll man wissen, ob es nicht noch schöner geht? Der Torben jedenfalls hat es gut gehabt, trotzdem gab es kein zweites Treffen. Die Frau hat ihn geghosted, also auf stumm und aus der Welt geschaltet. Er hat jetzt doch nicht Kuopio gebucht, sondern ein Praktikum auf einer Alm in der Schweiz. Frauen sind auch dabei, er will prinzipiell am Ball bleiben. Was sollte er auch sonst tun?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Um die Härte des Kontaktmarktes weiß der geneigte Houellebecq-Leser schon seit gut 30 Jahren - Ausweitung der Kampfzone erschien 1994. Die Bedingungen mögen sich ändern, die Gesetze bleiben.

  • Wenn man einen Mann oder eine Frau für "einen Sommer" sucht, sollte man vielleicht besser alleine bleiben. Erst recht, wenn alle Männer/Frauen doof sind...

  • Habe den Dating-Wahn (und früher den analogen Kneipen-/Club-/Konzert-Aufriss-Wahn) nie verstanden. Haben viele Leute einen derart übersprühenden Sexualtrieb? Geht es um FOMO? Geht es um Selbstbestätigung? Oder doch wieder nur schnöde Selbstoptimierung?

  • Dating-Apps sind oft so aufgebaut, dass dort ein starker Männerüberschuss herrscht und dann sind a) die Männer oft nicht ganz ehrlich, bzw. Frau, Kinder, Geliebte, Auslandsgeliebte usw. sind für die interessierten Frauen nicht sichtbar, oftmals liegt der Fokus auf anonymen Sex. Und bei den Frauen sind es a) meist deutlich weniger Anmeldungen und b) nicht alle sind überhaupt wirklich interessiert, c) hier sind einige dann auch nicht ganz ehrlich über ihre wirklichen Lebensverhältnisse und um was es wirklich geht.



    Wer auf einer App eine Beziehung beginnt, die stabil und liebevoll ist, der hat irgendwie Glück gehabt und vielleicht auch eine gute Ausstrahlung bzw. er oder sie sind vielleicht 'attraktiv'.



    In jedem Fall wäre eine esoterisches Yoga-Kamp im finnischen Winter in Karelien sicherlich eine gute Idee, um aus diesem Chaos zu lernen und zu wachsen. Der Rest muss sich durch dieses Chaos irgendwie durschlagen. Andererseits wer will in einer Kleinstadt seinen Traumparnter beim Bäcker oder am Gemüsestand treffen, das könnte eben auch ausfallen. Hingegen dürfte kein interessanter Mensch in Karelien in das Leben eines Deutschen einbrechen.

  • .... Er hat jetzt doch nicht Kuopio gebucht, sondern ein Praktikum auf einer Alm in der Schweiz. Frauen sind auch dabei ....



    -----



    In Kuopio (Suomi) hätte Er wohl schlechte Karten! ;-)

    Und auf der Alm wird nicht gesündigt!

    Vielleicht versucht es den "Jung" mal klassisch "face to face"!



    Hat seit Jahrhundertelang ganz gut geklappt! :-)

    Gr Sikasuu