Ein ehemaliger Bankkassierer erzählt: "Geld stinkt ganz furchtbar"
Manfred Zauter über die Zeit als es noch kein Girokonto für jeden gab, über Überfälle trotz Einführung von Panzerglas und über den Wandel des Kundenberaters zum reinen Verkäufer.
Herrn Zauter kenne ich seit den 70er-Jahren. In seiner Filiale am Wittenbergplatz habe ich damals mein erstes Konto eröffnet, er hat mir in jenem seltsamen Sommer 1974, in dem die Portugiesen und Griechen ihre Militärregierungen zum Teufel gejagt haben, die Escudos und Drachmen für meine ersten Reisen besorgt. Er hat mir fast mein gesamtes Studenten- und Arbeitsleben hindurch meine Ein- und Auszahlungen gemacht und war, auch bei noch so flauem Kontostand, stets von ausgesuchter, aufmunternder Freundlichkeit. Als ich ihn endlich aufgestöbert hatte und um ein Gespräch bat, war er sofort bereit. "Als ich anfing bei der Bank damals, da war noch alles offen, das Geld war noch nicht mal hinterm Tresen gesichert. Und wer ist denn überhaupt zur Bank gegangen? Das waren die Firmen und Handwerksbetriebe, die Geschäftskunden. Und die Volksbank ist ja eine mittelständische Bank. Die Firmen sind zur Bank gegangen, haben vorher angerufen und den Gesamtlohn für ihre Firma geholt. Die Geschäftsleute gingen meist freitagmorgens zur Bank und haben das Geld für die Löhne der Angestellten und Arbeiter abgeholt, passend zur Aufteilung in die Lohntüten. Am Monatsende wurde das Geld für die Gehälter geholt. Und das war es dann. Also die ganze untere Schicht war schon mal ausgeschlossen, Girokonto für jeden, das gabs nicht, war nicht nötig. Das Geld gab es in der Lohntüte, direkt im Betrieb, für die Arbeiter einmal wöchentlich. Und die Rentner sind zur Post gegangen und haben dort ihre Renten ausgezahlt bekommen, oder sie ist ihnen zugestellt worden, nach Hause, durch den Geldbriefträger. Es war also nur ein bestimmter Kreis, der zur Bank ging und dort ein Konto hatte. Das ging so, bis die Post eines Tages sagte, wir stellen die Rentenauszahlungen ein, die Leute sollen sich ein Post- oder ein Bankkonto einrichten. Dann haben auch gleich die großen und kleinen Firmen nachgezogen.
Das hat viel verändert. Vorher wars ja so, wer ein Bankkonto hatte, der hatte Geld, der war - ich will mal so sagen - was Besseres. Wenn einer in eine Bank reinging, er die Tür aufmachte, das war eine Stille und eine Eleganz, da hatte jeder Respekt. Die Beamten - man sagte so, obwohl wir Angestellte waren -, die waren anders gekleidet als bei der Post. Das war noch die Zeit, als die Kleiderordnung sehr streng war. Die Frauen durften keine Hosen tragen, nur Kostüm oder Bluse und Rock. Die Männer Sakko und Hose, dunkle Töne, Krawatte. Jeans waren absolut undenkbar! Es durfte im Sommer, egal wie heiß es auch war, niemals das Sakko ausgezogen werden. Und damals gab es noch keine Klimaanlagen. Ja - der Wandel der Zeiten! Und dann hatten wir also plötzlich auch ganz andere Kunden, es kamen alle Gesellschaftsschichten. Die neuen Kunden waren erst mal sehr zurückhaltend, alles war ungewohnt. Früher war es üblich, dass die Rundfunkgelder von der Post kassiert wurden, und die Zeitung, das wurde an der Wohnungstür kassiert und quittiert, Mieter zahlten ihre Miete an den Hauswart, da gabs die kleinen, grünen Mietbücher zum Quittieren usw. Das wurde alles abgeschafft und musste nun als Dauerauftrag eingerichtet werden. Damals gabs ja die Computer noch nicht, das wurde alles per Hand von uns gemacht, die Kontostände wurden in Listen gedruckt, da hat man dann erst mal in Büchern geblättert, um zu prüfen: Hat er das Geld überhaupt drauf?
Ich war von Anfang an Kassierer. Das wollte keiner machen, man muss ja die ganze Verantwortung dafür übernehmen, dass das Geld immer stimmt. Und die Kasse ist der zentrale Anlaufpunkt. Als ich anfing, hat man mir gesagt: Der Kassierer ist das Aushängeschild der Filiale. Denken Sie immer daran, Herr Zauter, man schaut Sie als Ersten an, wenn man die Bank betritt! So war die Einteilung der Plätze. Wir hatten damals noch eine 45-Stunden-Woche von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, zweimal die Woche bis 18 Uhr. Wir waren so um 7 Uhr schon da. Es gab ja den Nachttresor noch, der 1995 abgeschafft wurde. Da konnten die Geschäftsleute nach Geschäftsschluss ihre Einnahmen in Geldkassetten einwerfen - das musste morgens ausgezählt werden. Dann habe ich meine Kasse fertig gemacht, seitlich vom Tresen waren die Geldfächer, unten waren die Schubladen für die Geldbündel. Um 9 Uhr war ich fertig und bereit. Mittags hatten wir eine Stunde Pause, die wurde dann auch abgeschafft, später, und danach ging es weiter. Dazu muss ich anmerken, wir bekamen eine Essensmarke - die Bank war damals noch großzügig -, damit konnten wir in den umliegenden Lokalen essen gehen. Der Arbeitstag war noch übersichtlich. An normalen Tagen hatte ich so 120 bis 180 Kunden. Wenn Ultimo war, hatte man 320 bis 340 Kunden. Damals ist man ja als Kunde, oder als Bürger, noch viel sparsamer gewesen. Man ist einmal zur Bank gegangen, im Monat, hat sein Geld abgeholt, vielleicht gesagt, da gehen noch 10 Mark davon aufs Sparbuch, und dann war das erledigt. Die Leute haben ihr Geld mit nach Hause genommen und es sich eingeteilt. Die wussten genau, was sie kaufen konnten, ob das Geld reicht oder nicht. Das kam noch aus der Zeit der Lohntüten, als man zu Hause das Geld auf dem Küchentisch ausgebreitet hat, da wurde dann alles gleich zur Seite gelegt, was für Miete, Licht, Heizmaterial usw. gebraucht wurde, und vom Rest musste man sich ernähren. Kreditkarten waren bei uns kaum verbreitet und nur für Geschäftsleute gedacht. Es war auch nicht so, dass jeder, wenn er ein Konto eröffnete, gleich einen Dispo drin hatte. Der musste erst beantragt werden, ebenso der Kredit, und zuerst mal musste man Mitglied werden, seinen Genossenschaftsanteil an der Bank zeichnen. Das waren damals 200 Mark. Das ist eine Menge Geld. Das wurde verzinst, Dividende gabs einmal im Jahr. Heute ist man dazu nicht mehr gezwungen, aber es wird natürlich gern von der Bank gesehen.
Sachlicher Geldverkehr
Die Bank war damals noch eine irgendwie würdige, respektable Stätte. Die Filiale am Wittenbergplatz war, wie ich schon erwähnt habe, anfangs noch ganz offen, also man stand dem Kunden ganz normal gegenüber, nur getrennt durch einen normalen Tresen. Es gab auch noch keine Kamera und nichts, 1970. Aber eines Tages fing das plötzlich an mit Sicherheitsvorkehrungen. Das ging von den Versicherungen aus, da kamen immer neue Auflagen. Da gabs erst mal diese Scheibe, als Barriere, aber es war noch ein Schalter, man konnte sich noch die Hand reichen. Später kam dann eine halbhohe räumliche Abtrennung durch Panzerglas, aber oben noch offen, das war schon in Steglitz, fragen Sie nicht, wie oft ich da oben drüber gestiegen bin, weil ich durch die Tür gegangen war ohne Schlüssel. Und dann kam immer mehr Panzerglas, bis es 1976 dann ein vollkommen geschlossener Glaskäfig war. Das veränderte schon sehr das Verhältnis zum Kunden. Zuerst war das Panzerglas nur versetzt, dann war es ganz geschlossen. Man hatte einen Trog für das Geld. Wir hatten Mikrofone. Wenn ich daran denke, was ich da plötzlich für eine Technik hatte. 12 bis 15 Lautsprecher waren eingelassen unter dem Tresen, damit die Akustik besser wurde. Aber man konnte trotzdem kaum was verstehen. Mit vielen Kunden hat man ja vorher auch persönliche Worte gewechselt, man kannte sie zum Teil lange. Das war jetzt nicht mehr möglich. Man hat sich zwangsläufig auf den rein sachlichen Geldverkehr beschränkt. Ab 1974 bekam der Kunde ja eine Nummer, die aufgerufen wurde, jetzt wurde die nur noch angezeigt. Und es gab diesen Strich am Boden, zwei Meter Abstand zum Kunden an der Kasse, ,Bitte Diskretion', und sogar eine Absperrung mit Ständern und Bändern als Leitweg. Und trotz allem, es hat nicht wirklich abgeschreckt. In meiner Gesamtzeit hatte ich drei Überfälle, den schlimmsten in Steglitz, also in der Zeit, als wir die besten Sicherheits- und Alarmsysteme hatten. Zwei Männer kamen rein mit Masken und Pistolen, einer sprang über den Tresen und hat eine Mitarbeiterin als Geisel genommen, ihr die Pistole an den Kopf gesetzt, damit ich die Tür zum Kassenraum aufmache. Ich habe natürlich geöffnet und getan, was er verlangt hat, habe ihm aber zugeredet, er soll sich doch nicht unglücklich machen. Sie sind entkommen, aber ein Jahr später hat man sie geschnappt. Es gab Kurse zum Verhalten bei Banküberfällen, psychologische Betreuung, aber man ist dann doch ziemlich hilflos und hat einen Schock.
Das war diese Geschichte. Und ansonsten hatte sich im Wandel der Zeiten auch der übrige Raum verändert. Ein riesig langer Tresen wurde geschaffen, mit Kontoführung, Sparabteilung usw. Das waren also plötzlich regelrechte Hierarchien. Was vorher so rundum war, war dann plötzlich irgendwie kastenmäßig ab- und eingeteilt in der Filiale in Steglitz. Sagen wir mal, es war etwas elitär und kälter. Zugleich eröffnete 1976 die Filiale den ersten und einzigen Autoschalter Berlins, nach amerikanischem Vorbild - er ist längst geschlossen -, aber damals war es so, es gab Kunden, die mit ihrem großen Auto vorfuhren und meinten, sie seien was Besseres und müssten sofort bedient werden. Innen standen lange Schlangen, und außen haben sie gehupt. Das war natürlich nicht so schön! Man hat dann auch immer mehr hineinverlegt in den Kassenraum. Zuvor wurde draußen gebucht. Dann bekamen wir unsere eigene Maschine, die gebucht hat. Dadurch hatte man dann wieder weniger mit den Kollegen zu tun. Man war, sagen wir mal, für sich allein. Und wenn die Kasse mal nicht gestimmt hat, dann hat das keinen mehr interessiert. Ich saß da, und habe gezählt und gezählt und gesucht. Jeden Tag wurde ja ein Kassenabschluss gemacht, der Bestand im Keller, alles. Ich hatte über das gesamte Geld im Haus den Überblick, konnte selbst disponieren, habe bestimmt, wie viel abgeliefert wird und wie viel im Haus bleibt.
Der Euro ist zu starr
Ich habe es gezählt und gebündelt, in Papier eingeschlagen die Münzen, oder sie kamen in Jutesäcke rein, die wurden von uns dann vernäht. Sie wurden gewogen, 6 Kilo 5-Pfennig-Stücke waren 100 Mark. Die Geldscheine habe ich alle mit der Hand gezählt. Ein zweiter Mann musste alles noch mal nachzählen, es mussten immer zwei Zeichen auf der Banderole drauf sein. Ich habe ohne Gummifingerling gezählt, nur ein Schwämmchen habe ich benutzt. Das Geld damals hat sich übrigens ganz anders angefasst als das Geld heute. Es ist ja nicht aus Papier, es ist aus reiner Baumwolle. Früher gabs auch mal dieses Perlongeld, in den 50er-Jahren, dieses Knistergeld, dann wurde auf Baumwolle und Hanf umgestellt, in den 60er-Jahren, glaube ich. Jedenfalls, die D-Mark-Scheine waren beweglicher, der Euro ist zu starr, gar nicht elastisch. Die Scheine damals konnte man viermal falten. Wenn man den Euroschein faltet, muss man hinterher ein Bügeleisen nehmen. Es ist Ihnen sicher aufgefallen, dass heute meist nur ganz neue Geldscheine in Umlauf sind. Von der Bank bekommen Sie nur neue Scheine. Und wissen Sie, warum? Die Geldzählmaschinen und Geldauszahlungsmaschinen können geknickte, leicht gerollte oder eingerissene Scheine nicht lesen. Da verzählen sie sich! Die Zentralbank vernichtet ständig Geld, das durch neues ersetzt wird, das automatentauglich ist. Der Kunde bekommt ja heute sein Geld nicht mehr vorgezählt in der Bank. Für mich war das Geldzählen für den Kunden eine Selbstverständlichkeit. Meist kannte ich die Kunden und ihre Wünsche, ich wusste, wer 100er oder 50er will, wer lieber langsamer vorgezählt bekam und wer es schneller ertrug. Jedenfalls, ich hatte eine unheimliche Routine beim Geldzählen erlangt im Laufe der Zeit. Also ich gehöre noch zu denen, die das Geld angefasst haben. Ich habe fast mein Leben lang Geld in den Händen gehabt, von morgens bis abends. Das sind Summen, die man sich überhaupt nicht vorstellen kann, das muss in die Milliarden gehen. So 300.000 die Woche … Es waren Unsummen! Und dazu kamen noch die ausländischen Zahlungsmittel. Ich habe immer günstig eingekauft - An- und Verkauf, wie man so schön sagt. Und ganz nebenbei. Vom Erwirtschaften der Erträge, durch die Disposition, sollte ich möglichst mein Gehalt und das eines anderen herauswirtschaften. Das hat nicht ganz geklappt, ich hatte aber auf jeden Fall das Gehalt für die zweite Person.
Zurück zum Thema Geldzählen, den Dollar konnte ich überhaupt nicht leiden. Wie ein Dreckschwein sah ich hinterher aus. Von allen ausländischen Zahlungsmitteln hat der Dollar am meisten abgefärbt. Und noch was: Alles Geld, das neu war, hat gestunken. Wenn ich den Tresor aufgemacht habe im Keller, buaah! Man sagt ja, Geld stinkt nicht, aber ich weiß es besser. Geld stinkt ganz furchtbar. Da unten drin ist ja alles hermetisch abgeschlossen, keine Luftzirkulation. Morgens, wenn man den Tresor aufmachte, musste man sich ganz schön anstrengen, so stark war der Sog, und wenn die Tür zuging, kam auch immer der Geruch und dieses Geräusch: zzzsch.
Fast all das ist heute nur noch romantische Vergangenheit. Die Banken haben immer mehr umgestellt, was ein Riesenproblem für mich war. Ab dem Jahr 2000 wurden die Kassen aufgelöst, die Kassierer quasi abgeschafft. Man hatte die tolle Idee, wir schaffen alle Kompetenzen ab, jeder kann alles! Vorher hatten wir Mitarbeiter, die waren spezialisiert auf Kontoführung, Sparbereich, Neukunden, Kundenberatung, Festgeld, Wertpapiere, Kredite usw. Nun hieß es, jeder macht alles! Wir konzentrieren uns aufs Kerngeschäft, der Kunde bedient sich selbst im ,SB-Bereich' an den Maschinen, macht seine Überweisungen selbst, bekommt sein Geld aus dem Automaten. Die Deutsche Bank war der Vorreiter von alldem. Es wurde gesagt, so, jetzt bauen wir die Bank ganz anders auf, das Ergebnis war aber, die Bank als solche gab es nicht mehr. Man hat immer mehr Service und Betreuung für den Kunden abgeschafft und eingespart. Im Grunde hat man den einfachen, normalen Kunden, der vorher mit allem versorgt wurde, einfach weggeschoben. Der musste nun selbst schaun, wie er zurechtkommt. Und für uns Mitarbeiter bedeutete das, jeder muss sich noch mal bei der Volksbank um seine neue Tätigkeit bewerben. Man sagte mir, Sie können machen, was Sie wollen, möchten Sie vielleicht in der Filiale bleiben und als Kundenberater tätig sein? Ich wollte ja nicht in einem Großraumbüro irgendwo sitzen, ich wollte weiterhin den Kontakt zu den Menschen, das war mir wichtig. Also sagte ich, gut, dann werde ich eben Kundenberater.
Und dann ging das los, von einer Schulung zur anderen - ich habe sogar freiwillig Wirtschaftsenglisch gemacht -, ich musste mir eine Menge aneignen, ob das nun Wertpapiersachen waren oder Gesetze. Ich durfte ja vorher keine Wertpapiere verkaufen. Nach dem Wertpapierhandelsgesetz darf nicht jeder einfach verkaufen und Kunden beraten, zuvor muss man eine Prüfung machen. Das habe ich dann auch alles noch gemacht. Freunde haben gesagt, ich bin verrückt, dass ich das mache, denn es war ja klar, dass ich gehen musste. Man hatte bereits beschlossen, Stellen abzubauen, das war nach der Übernahme der notleidenden Grundkreditbank. Weibliche Mitarbeiter ab 55 und männliche ab 58 mussten in den Ruhestand gehen. Bei mir hat sich das dann um ein Jahr verlängert, weil man mich wegen der Währungsumstellung auf den Euro noch brauchte. Ich bin gefragt worden und habe ja gesagt.
Also ich habe diese ganze Zeit noch miterlebt. Die Modernisierungen. Wir standen dann alle plötzlich an so kleinen Stehtischen, jeder für sich, jeder war Kundenberater, und jeder muschelte so vor sich hin. Ganz zuverlässig war das natürlich nicht, was da beraten wurde, keiner war mehr so kompetent wie der Mitarbeiter vorher, der in seinem Metier drin war. Man hat gesagt, wie ein Marktplatz soll das sein, dieses Rund der Serviceplätze, und die einfachen Kunden, wie gesagt, sollen alles am Automaten erledigen und nicht stören. Wir wollen nur noch Geschäft machen. Beratung und Verkauf. Dass alles im Stehen! Ich habe in meiner Kasse auch gestanden, aber das war etwas anderes. Für mich ist das so: Wenn ich ein Geschäft abschließen soll im Stehen, das geht einfach nicht! Das gehört sich nicht, das ist dem Kunden gegenüber unhöflich. Aber man wollte Folgendes vermeiden: Angeblich plaudern sich die Berater mit dem Kunden fest, im Sitzen. Und Zeit ist ja auch Geld. Das alles haben sich Leute am grünen Schreibtisch ausgedacht, die nie etwas mit dem Alltag einer Bank zu tun hatten. Aber diese Modernisierung hat sich nicht so bewährt. Man hat festgestellt, es stehen zu viele Berater rum, und es kommen zu wenige Kunden, es wird also doch nicht so viel Geschäft gemacht wie erwartet. Wir ändern das mal, schaffen wieder mehr Sitzposten. Die Berater, die dann auch wieder kompetenter sein sollen, kommen an Schreibtische im Hintergrund, wo dann auch ein Stuhl ist, auf dem der Kunde sitzen kann. Vorn stehen dann nur noch ein bis zwei Mitarbeiter vielleicht bereit. Die machen dann das, was der Kunde nicht selber kann. Aber der Kunde ist denen meist gar nicht mehr namentlich bekannt, was ja vorher der Fall war. Sie sind doch früher als Kunde reingekommen, Guten Tag! Man hat Sie mit Namen begrüßt. Den hatte ich im Kopf. Das war für mich wichtig, denn es entsteht eine gute, persönliche Stimmung. Jeder freut sich. Ah! Der erinnert sich an mich, der kennt mich, der weiß im Prinzip, was mein Anliegen ist. Denn was nützt es denn, wenn mein Name irgendwo auf einem Schildchen auf der Theke steht, der Kunde spricht mich vielleicht mit meinem Namen an, und ich weiß nicht, wer da vor mir steht? Man hat das sozusagen von sich aus dazugegeben, das war nicht angeordnet, für mich war das selbstverständlich.
Wie ist es, lieber Kunde?
Also der Umgang mit dem Kunden hat sich vollkommen geändert, überhaupt haben sich die Banken sehr geändert. Die Volksbank ist ja nicht so von der Bankenkrise betroffen jetzt, es gab nicht die großen Spekulationen im Ausland wie bei den anderen Banken, sie haben keine Auslandsfilialen wie die Commerzbank oder die Deutsche Bank usw. Die Volksbanken sind bei der Deutschen Genossenschaftsbank in Frankfurt angeschlossen. Da muss alles gleich sein, die müssen als mittelständische Bank auch liquide sein. Das ist also eine saubere Sache. Allerdings gabs damals auch Probleme, nach der Wende. Da hatten wir bereits den besten Beweis, wie so etwas schiefgeht. Das waren auch Immobilienfonds. Sie sind den Leuten mit großen Versprechungen verkauft worden: Na, wie ists denn, lieber Kunde? Du kannst jetzt bei mir einen Fonds kaufen. Für, sagen wir, 10.000 Mark, und dann hast du die Möglichkeit, Steuern zu sparen, durch Mieteinnahmen eine gute Rendite rauszuwirtschaften, deine Altersversorgung zu sichern usw. Und dann plötzlich war da leider nichts, keine Wohnungen wurden vermietet, keine Geschäfte haben eröffnet, alles tote Sachen, keine Rendite, kein gar nichts. Der Kunde hatte sein Geld zum Fenster rausgeschmissen." (In den 90er-Jahren wurden im Genossenschaftsverbund der Volks- und Raiffeisenbanken geschlossene Immobilienfonds der DG-Anlagengesellschaft empfohlen und vermittelt, als angeblich sichere Geldanlage mit guten Renditen. Aber die Ostimmobilien waren wenig ertragreich oder standen leer. Viele Anleger verloren ihr Geld, um das sie heute noch kämpfen. Anm. G. G.)
Nicht mehr meine Bank
"Heute, da werden von den Banken ja regelrecht Produkte verkauft, Finanzprodukte und Versicherungen, Kredite usw. Und für den Produktverkauf gibts Provisionen, die die Bank einnimmt. Die Mitarbeiter sind sozusagen auf Provisionsbasis tätig. Das sind heute die Hauptgeschäfte der Banken. Früher haben sie überwiegend von den Einnahmen gelebt, vom Gewinn aus dem Zinsüberschuss. Dann fing das an in den 90er-Jahren, dass sie mehr und mehr aus Provisionen, aus Vermittlung von Fonds und Versicherungen Einnahmen bezogen haben. Und da fing es dann auch mit den Umstrukturierungen an. Der Kundenberater ist zu einem reinen Verkäufer geworden, der nur noch den Interessen der Bank zu dienen hat. Vorher, ich habe es ja geschildert, war man mehr für den Kunden da, man war auch, ich sage mal, ein Verwalter seiner Interessen. Das kann der Mitarbeiter gar nicht mehr leisten, ob er will oder nicht. Das Reinholen von Provisionen ist zur Hauptsache gemacht worden, und zwangsläufig ist damit natürlich auch der Verkaufsdruck auf die Mitarbeiter gestiegen. Schlimm, diese Zeit!
Das zeigt sich auch im Kleinen. Ich habe jetzt so einen Fall gehabt. Es ging um einen Blinden, den ich betreue. Er war so ein bisschen schwach auf dem Konto, war im Urlaub gewesen, und na ja … Er hatte sein Konto so stark überzogen, dass es noch ein bisschen mit einem Dispo erweitert werden musste. Man hatte ihm dann geraten, einen Kredit aufzunehmen für 3.100 Euro. Ich habe den Ausdruck mit der Berechnung nachher gesehen. Also er hätte erst mal eine Versicherung abschließen müssen, eine sogenannte Restkreditversicherung über 743,13 Euro für den Fall, dass er die Summe nicht zurückzahlen kann. Dann hätte er eine Bearbeitungsgebühr von 115,26 Euro noch zu entrichten gehabt, und 1.396,55 Euro Zinsen, Laufzeit 84 Monate, das sind sieben Jahre. Also vorher wären es 3.100 Euro gewesen, und mit allem, nach 84 Monaten, hätte er dann 5.354,94 zurückzuzahlen gehabt. Das muss man sich mal vorstellen! Ich habe ihm natürlich abgeraten. Die Kollegin bei der Bank war sehr erbost. Ich war bei diesem Gespräch dabei. Das wäre ein Schnäppchen, hat sie noch gemeint. Und ich sagte zu ihr: Also wenn es Schwierigkeiten gibt mit dem Konto von Herrn X, dann machen wir jetzt eine Überweisung, gleich von meinem Konto! Da war sie natürlich noch erboster. Die Dame wollte nur diesen Kreditabschluss und sonst nichts. Ich habe ihr dann gesagt, schaun Sie doch mal rein in sein Konto. Jetzt, am 5., wird ein Vertrag fällig, und das sind 6.000 Euro, die da auf sein Girokonto gehen werden. Damit ist glatt alles ausgeglichen. Das hätte sie sehen müssen. Aber sie wollte es nicht sehen. Wollte nur diesen Kredit verkaufen. Also das ist nicht mehr meine Bank!
Ich bin, ehrlich gesagt, sehr skeptisch geworden. Ich sehe nicht, dass man etwas lernt, dass sich etwas bessert. Im Gegenteil. Und was noch auf uns zukommt, jetzt mit der Krise vielleicht eine Inflation, ich weiß es nicht. Im Grunde genommen hatten wir bereits eine Inflation. Mit der Umstellung von der D-Mark auf den Euro hat die sich ja eingeschlichen. Auch wenn das bestritten wird. Die meisten Preise haben sich verdoppelt. Denn wenn Sie mal schauen, beim Essengehen, da zahlen Sie heute für ein einfaches Gericht so um 12 Euro. Das sind 24 DM, das hat man doch damals nicht für ein Mittagessen ausgegeben! Oder ein Getränk, eine Apfelschorle oder ein Bier, kostet 3,20 Euro, 0,4 Liter! 6,40 Mark für so ein Getränk, oder 2 Mark für eine Kugel Eis, keiner hätte gewagt, das zu verlangen. Also es sind ja die kleinen, alltäglichen Dinge, die uns zu schaffen machen. Ein Ende ist nicht abzusehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Die Wahrheit
Der erste Schnee
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten