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Ein Verein für jüdische KulturFreudig das Jiddische pflegen

Die Hamburger Salomo-Birnbaum-Gesellschaft hegt die vom Aussterben bedrohte jiddische Sprache und Kultur. Dazu zählen auch Übersetzungen und Lesungen.

Eins von vielen jiddishen Lehnworten: „meschugge“ („verrückt“) findet sich im Duden Foto: Frank Kleefeldt/dpa

Hamburg taz | „Wenn einen das Jiddische gepackt hat, lässt es einen nicht mehr los. Dann öffnet sich eine Welt, aus der man nicht mehr heraus möchte“, sagt Inge Mandos, Co-Vorsitzende der Hamburger Salomo-Birnbaum-Gesellschaft für Jiddisch. Sie selbst ist keine Jüdin, hat aber vor Jahren begeistert Jiddisch gelernt, ihre Stimme ausbilden lassen und das Lehrerinnendasein inzwischen gegen das einer Jiddisch-Konzertsängerin getauscht.

Jiddisch – das ist jene im Mittelalter im Rheinland entstandene Sprache des osteuropäischen Judentums – der Aschkenasen – und die sich durch mannigfach erzwungenes Exil weltweit verbreitete. „Elf der 15 Millionen JüdInnen, die 1933, vor der Shoah, weltweit lebten, sprachen Jiddisch“, sagt Mandos. „Die anderen – die Sepharden – nutzten das gleichfalls im Mittelalter auf der Iberischen Halbinsel entstandene Ladino, das „Judenspanisch“. In ihren Konzerten präsentiert Inge Mandos Lieder beider Gruppen.

Ansonsten konzentriert sie sich, gemeinsam mit den übrigen rund 80 Mitgliedern der Salomo-Birnbaum-Gesellschaft, eines eingetragenen Vereins, auf die Pflege der jiddischen Sprache und Kultur. Die habe viele Facetten: „Erstens ist Jiddisch eine interkulturelle Sprache, mit der sich Menschen von Litauen bis in die USA verständigen können“, sagt sie. Die im Zuge der Emigration aus vielen Ländern aufgenommenen Vokabeln sind für die Verständigung eher von Vorteil.

Zudem stehe das Jiddische für eine reiche publizistische wie literarische Produktion, besonders im Osteuropa der Zwischenkriegszeit. „Als Beispiele wären die bekannten Autoren wie Itzik Manger und Mordechaj Gebirtig zu nennen“, sagt sie. Nicht zufällig habe es bis zum Zweiten Weltkrieg im litauischen Wilna (heute Vilnius), dem damaligen „Jerusalem des Nordens“, eine riesige jiddische Bibliothek gegeben. Heute residieren Restbestände im New Yorker YIVO Institute for Jewish Research.

Lebendige Jiddisch-Szene weltweit

Aber das Jiddische war lange eine vor allem gesprochene, kaum beforschte Sprache. Erst Salomo Birnbaum (1891–1989), der von 1922 bis zur Emigration 1933 an der Uni Hamburg den ersten westeuropäischen Jiddisch-Lehrauftrag hatte, verfasste eine jiddische Grammatik.

Das war weitsichtig, ist das Jiddische doch heute von Aussterben bedroht, und das spiegelt sich auch in der Vereinsstruktur. „Früher hatten wir viele Vereinsmitglieder, die Shoah-Überlebende waren – oder Emigranten aus Osteuropa, deren Großeltern noch Jiddisch sprachen“, sagt Mandos. „Diese Gruppe wird kleiner, die MuttersprachlerInnen sterben aus. Dafür haben wir jetzt einige jüngere Leute, die Jiddisch studieren.“

Denn die Etikettierung des Jiddischen als Sprache der Holocaust-Opfer sei längst überholt. „Es gibt heute weltweit eine lebendige Jiddisch-Szene und etliche AutorInnen, die heute auf Jiddisch schreiben“, sagt sie.

Schon lange sucht die Birnbaum-Gesellschaft diesem Anspruch auch selbst gerecht zu werden: Mehrere Erzählbände hat man vom Jiddischen ins Deutsche übersetzt. Und das, wie die 2016 verstorbene Vorsitzende Dorothea Greve einmal betonte, ohne den klischeehaft „heimeligen“ Duktus des Jiddischen zu (re-)produzieren.

Erinnerung an Jüdisches Antifaschistische Komitee

Dazu organisiert man Vorträge – bewusst auf Deutsch, um Außenstehende zu interessieren. Dazu gibt es Workshops und Lesekreise auf Jiddisch, man erweist vergessen AutorInnen die Ehre.

„2021 galt das Jahresthema unserer Gesellschaft 13 linksgerichteten, männlichen, jüdischen Intellektuellen des sowjetischen ‚Jüdischen Antifaschistischen Komitees‘, die 1952 unter Stalin umgebracht wurden“, sagt sie. „Fünf von ihnen waren Poeten. In einem Konzert haben wir unter anderem vertonte Gedichte von ihnen präsentiert.“

Ungelöst ist allerdings der Verbleib der rund 5.000 Bücher umfassenden Salomo-Birnbaum-Bibliothek. Für deren Gründung war die Gesellschaft 1995 unter anderem initiiert worden. Von 2019 bis September 2021 hatten die Bücher im Gästehaus der Uni Hamburg residiert. Seither ist die Sammlung heimatlos, aber Mandos ist optimistisch: „Mit der Uni laufen gute Gespräche.“

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